Wie das Handelsblatt in einer exklusiven Meldung berichtet, könnte am 24. Oktober vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt ein Urteil fallen, das den Versicherungsvertrieb auf den Kopf stellt. Bisher ist es Maklern verboten, Vermittlungsprovisionen der Anbieter an den Kunden weiterzugeben. Doch der Fondsvertrieb AVL hat gegen das Verbot geklagt – und hofft nun darauf, zukünftig ganz legal Courtagen an den Kunden weiterreichen zu dürfen.

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Verbot von 1934

Das Provisionsabgabeverbot besteht bereits seit dem Jahr 1934 und ist in Europa einmalig. Auf Basis des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) untersagt es Anbietern und Vermittlern von Versicherungen, ihre Kunden für den Abschluss einer Police zu vergüten. Ein Verstoß kann als Ordnungswidrigkeit geahndet und mit einer Geldbuße von bis zu 100.000 Euro belegt werden. Die Bundesanstalt für Finanzaufsicht (Bafin) ist für die Einhaltung der Verordnung zuständig.

Kritiker hatten bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass es dank des Abgabeverbotes nicht möglich sei, Rabatte aus dem Vertriebsgewinn an den Versicherungsnehmer weiterzugeben. Eine flexible Preisgestaltung werde somit eingeschränkt. Auch für die Berechnung eines produktunabhängigen Beratungshonorars ist die Verordnung eher hinderlich, weshalb Verbraucherschützer seit mehreren Jahren eine Aufhebung des Provisionsabgabeverbotes fordern.

Zuletzt hatte im Jahr 2008 eine Studie des Verbraucherschutzministeriums zur Vermittlung von Finanzprodukten eine Abschaffung der Verordnung empfohlen. Sogar das Bundeskartellamt hält das geltende Verbot für Provisionsabgaben für rechtswidrig, da es gegen geltendes Europarecht verstößt. Als der Verband deutscher Versicherungsmakler (VDVM) im November 2009 seine Wettbewerbsleitlinien vom Kartellamt genehmigen lassen wollte, verweigerte das Amt zunächst eine Annahme – weil in den Leitlinien das Provisionsabgabeverbot ausdrücklich bekräftigt wurde.

Und tatsächlich scheint die Finanzaufsicht Verstöße gegen das Verbot nicht mehr rigoros zu ahnden. Beim diesjährigen Treffen des Verbandes Deutscher Versicherungsmakler am 27. September berichtete Präsident Dr. Leberecht Funk nach Informationen des Versicherungsjournals, dass das Feilschen der Kunden um Rabatte bereits gängige Praxis sei und der Nachlass auf Courtagen gerade bei industriellen Policen kaum noch geahndet werde. „Das Provisionsabgabeverbot ist praktisch nicht mehr existent“, schlussfolgerte Funk.

Auch Kritik an einer möglichen Abschaffung

Doch es gibt auch kritische Stimmen zu einer Abschaffung des Provisionsabgabeverbotes. So hat der Verbund deutscher Honorarberater (VDH GmbH) in einer Stellungnahme von 2009 argumentiert, dass Verbrauchern und Beratern sogar zusätzlicher Schaden entstehen könnte, wenn die Verordnung zukünftig wegfällt:

  • Die Provisionsexzesse der Anbieter würden keineswegs eingedämmt werden. Stattdessen könnten die Versicherungsgesellschaften ihre Verantwortung für hohe Provisionen stärker den Versicherungsvermittlern aufbürden.
  • Die Kosten für die Verwaltung und Zahlung der Provisionsgelder würden nicht wegfallen, sondern müssten von den Kunden weiterhin bei laufendem Vertrag bedient werden. Die Aufbauleistung der Verbraucher würde somit weiterhin durch die Provisionszahlungen gedrückt.
  • Es würde weiterhin ein Anreiz für Versicherungsvermittler bestehen, Gesellschaften mit hohen Provisionen zu bevorzugen und nicht die Qualität des Produktes als wesentlichstes Kriterium zu betrachten.
Nicht ganz ohne Eigennutz schlug die Interessenvertretung der Honorarberater deshalb vor, Provisionen ganz abzuschaffen und das sogenannte „skandinavische Vergütungssystem“ zu etablieren - d.h. der Vermittler/Berater vereinbart eine Vergütung unmittelbar mit seinen Kunden, welche der Versicherer allenfalls zusätzlich zu den Prämien einziehen kann. Ein Vorschlag, der schon aufgrund der geringen Bedeutung der Honorarberatung in der derartigen Versicherungspraxis kaum durchsetzbar sein dürfte.

Geschäftsmodell des Fondsvertriebes AVL gestattet Vermittlungsprovisionen

Im aktuell verhandelten Fall hatte die Finanzaufsicht Verstöße beim Fondsvermittler AVL gegen die Verordnung festgestellt – was insofern kein Wunder ist, da das Geschäftsmodell des Vertriebsdienstleisters auf der Erstattung von Vermittlungsprovisionen beruht. Deshalb leitete die Bafin ein Ordnungswidrigkeitsverfahren ein, gegen das sich der Fondsvertrieb wiederum mit einer Klage zur Wehr setzte. Die Annahme der Klage durch das Verwaltungsgericht Frankfurt wertete die AVL als positives Signal - und Indiz dafür, dass das Gerichtsverfahren zu ihren Gunsten ausgehen könnte.

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Kippt das Provisionsabgabeverbot tatsächlich, so könnte das weitreichende Konsequenzen für den Versicherungsvertrieb haben. Laut Handelsblatt ist hiervon ein Provisionsvolumen von mehr als zehn Milliarden Euro im Jahr betroffen. Das ist die Summe, die Versicherungsanbieter jährlich an rund 250.000 Versicherungsvermittler zahlt.

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