Eigentlich wollte Bundesgesundheitsminister Phillip Rösler (FDP) die kapitalgedeckte Pflege-Zusatzversicherung in diesem Jahr zu seiner Chefsache machen. Für 2011 hatte er angekündigt, mit Fachleuten und Verbandsvertretern über die Einführung einer verpflichtenden Pflegezusatzversicherung zu beraten, die – ähnlich einer Riester-Rente bei der Altersvorsorge – das umlagefinanzierte staatliche System ergänzen soll.

Das Modell sah vor, dass die Versicherten für den Pflegefall eigene Beiträge ansparen, um im Alter mögliche Pflegemaßnahmen bezahlen zu können. Auch wenn Rösler offen ließ, ob die Krankenkassen oder Privatversicherer diese Zusatzpolicen bereitstellen – im Kern wäre die Reform wohl auf eine stärkere Privatisierung der Pflegeversicherung hinaus gelaufen. Die Versicherungsanbieter hätten sich auf ein milliardenschweres Geschäft freuen können.

Und tatsächlich schien ein Handeln dringend geboten, prognostizieren doch Sozialexperten, dass die Rücklagen der Pflegekassen dank der alternden Gesellschaft in wenigen Jahren aufgebraucht sein könnten. Um das jetzige Niveau der Pflege aufrecht zu erhalten, müsste der Beitragssatz von derzeit 1,95 Prozent des Gehaltes auf 2,1 Prozent im Jahr 2014 ansteigen. Doch ob Röslers Weg einer privaten und individuellen Kapitaldeckung der richtige ist – daran werden nun immer mehr Zweifel laut.

Individuelle Pflichtzusatzversicherung – sozial unausgewogen?

Nicht nur Sozialverbände und die Opposition äußern Kritik an Röslers Plänen, auch aus der CSU kommt zunehmend Widerstand. Ein zentraler Vorwurf ist, dass eine individualisierte Pflegezusatzversicherung sozial unausgewogen sei, so dass ein steuerfinanzierter Sozialausgleich für jene Beitragszahler geschaffen werden müsse, die als Geringverdiener keine teuren Zusatzpolicen abschließen können. Johannes Singhammer, Fraktionsvize der CSU, sagte am Freitag der Berliner Zeitung: „Ein hoher Zwangsbeitrag für ein eigenes Vorsorgekonto ohne Ausgleich für sozial Schwächere könnte nicht das Prädikat beanspruchen, es sei gerecht.“

Angesichts der Haushaltslage, so Singhammer weiter, sei der Spielraum für einen steuerfinanzierten Sozialausgleich jedoch nicht gegeben, erfordere er doch zusätzliche Milliardenausgaben, für die der Steuerzahler aufzukommen hätte. Weder die Rekordverschuldung noch die verordnete Schuldenbremse erlauben derartige Ausgleichszahlungen. Folglich hält der CSU-Politiker das Modell für eine private Zusatzversicherung eher für untauglich. Für Röslers Pläne könnte dies das Aus bedeuten, denn nach Angaben des CSU-Politikers gebe die schwarz-gelbe Koalition bereits ihr Vorhaben auf, eine private Zusatzversicherung nach Vorbild der Riester-Rente einzuführen.

Singhammer betonte zwar gegenüber der Berliner Zeitung, Ziel der Koalition müsse es weiterhin sein, angesichts einer zunehmend alternden Gesellschaft eine Kapitalreserve für die Pflege aufzubauen. Diese Reserve müsse jedoch so gestaltet werden, dass „ein kollektives Eintreten vieler beim Bedarfsfall des Einzelnen“ gewährleistet ist. Mit anderen Worten: welche Pflegeleistung der Einzelne im Alter erhält, darf nicht allein von der Größe seines Geldbeutels abhängen.

Private Kapitaldeckung könnte ein bürokratisches Monstrum erfordern

Der CSU-Politiker brachte darüber hinaus ein weiteres schlagkräftiges Argument ins Spiel, um Röslers Pläne in Zweifel zu ziehen:
der Verwaltungsaufwand für Millionen von individualisierten Pflegeverträgen könnte die möglichen Ersparnisse ad absurdum führen. So sagte er gegenüber der Berliner Zeitung: „Ein geringer Zusatzbeitrag, der zur Hälfte wieder aufgefressen wird durch einen immensen Bürokratieaufwand, bringt nicht mehr Vorsorgesicherheit, sondern mehr Verwaltungsunsinn.“

Auch wenn die CSU auf Singhammers Vorstoß erwiderte, dass es sich um einen Alleingang des Politikers handelt, so äußerte die bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer gegenüber dem Donau-Kurier ähnliche Bedenken zu Röslers Plänen. „Eine Zusatzversicherung, die individualisierte Ansprüche schafft, käme vor allem Gutverdienern zupass.“ Stattdessen schlägt Haderthauer vor, auf Basis des bestehenden Pflegesystems einen Zukunftsfond anzusparen.

Es scheint also nicht gut auszusehen für Philipp Röslers Pläne einer individualisierten Pflege-Kapitaldeckung. FDP-Gesundheitsexperte Heinz Lanfermann betonte zwar gegenüber der Financial Times Deutschland, dass die Liberalen auch weiterhin an einer individualisierten Zusatzpolicen festhalten wollen. Doch auch wenn erst im Herbst entschieden werden soll, ob das bisherige Umlageverfahren um eine privatisierte Vorsorge ergänzt werden soll, so schlägt den Liberalen bereits jetzt reichlich Gegenwind entgegen – bevor die Gespräche überhaupt richtig begonnen haben.

Mirko Wenig

Anzeige