Die Allianz Leben senkt ihren Rechnungszins, der dem Rentenfaktor zugrundeliegt, bei Tarifen der PrivatRente von 1,75 auf 1,25 Prozent. Betroffen sind rund 750.000 Kundinnen und Kunden, bei denen im März 2021 die Auszahlungsphase beginnt, so berichtet die „Süddeutsche Zeitung“ am Montag. Ein Sprecher der Allianz Leben hat dem Versicherungsboten diesen Schritt bestätigt.

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Konkret bedeutet dies, dass die betroffenen Sparerinnen und Sparer weniger garantierte Rente erhalten. Der Rentenfaktor ist jener Faktor, mit dem die Versicherer zu Rentenbeginn das gebildete Kapital in eine lebenslange Rente umrechnen.

"Die Allianz Lebensversicherung senkt bei bestimmten kapitalmarktnahen Tarifen den dem Rentenfaktor zu Grunde liegenden Rechnungszins von 1,75 Prozent auf 1,25 Prozent. Die Anpassung hat keinen Einfluss auf das Vertragsguthaben unserer Kunden, den sogenannten Policenwert. Er bleibt unverändert. Das gilt für Rentenübergänge ab März 2021, und zwar für Tarife von 07/2001 bis 06/2013 der Angebote Invest, Invest mit Garantie, Invest alpha-Balance, IndexSelect sowie Index- und PortfolioPolicen mit einem unter Treuhändervorbehalt stehenden Rentenfaktor", berichtet der Sprecher.

Problem Cashlock

Das Stuttgarter Unternehmen begründet den Einschnitt mit niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt sowie einer gestiegenen Lebenserwartung. Und gibt vor, ganz im Sinne der Kunden zu handeln. Denn Garantien sind im aktuellen Niedrigzins-Umfeld sehr teuer:

Betroffen sind insbesondere fondsgebundene Produkte. Hier gibt es das Problem, dass der Versicherer noch nicht genau sagen kann, wie hoch das angesparte Kapital des Kunden zu Rentenbeginn sein wird. Das hängt schlicht davon ab, wie sich die Fonds und Aktien am Markt entwickeln. Also kann der Versicherer auch die Rentenhöhe nicht genau garantieren. Stattdessen nennt er eine theoretische Größe, mit der das angesparte Kapital zu Beginn der Auszahlungsphase in eine Rente umgerechnet wird: den sogenannten Rentenfaktor.

Doch die Garantien haben einen Haken: Je näher der Renteneintritt kommt, um so mehr müssen Versicherer das angesparte Kapital der Kunden umschichten, um lebenslange Renten garantieren zu können: weg von Fonds und Aktien, hin zu vermeintlich sicheren Anlagen wie etwa Staatsanleihen, die aktuell keine oder sogar negative Zinsen bieten. "Cashlock" nennt sich das Problem: Die Kundengelder sind regelrecht in wenig ertragreiche Anlagen einbetoniert.

Allianz-Klauseln erlauben Anpassung des Rentenfaktors

Entsprechend sind die Versicherer bemüht, die Garantien niedrig zu halten. Einige Anbieter schreiben deshalb Klauseln in ihre Verträge, die es erlauben, den Rentenfaktor nach unten anzupassen. Auch die Allianz argumentiert nun gegenüber der "Süddeutschen", dass sie weniger Geld in Null-Zins-Anlagen stecken muss. Aktien- und Immobilien-Investments würden höhere Überschüsse erlauben.

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Einfach absenken darf die Allianz den Rentenfaktor nicht: sowohl ein Treuhänder als auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) müssen zustimmen. "Wir haben die Absenkung des RF nach unserer vertraglichen Vereinbarung von einem unabhängigen Treuhänder prüfen lassen. Dieser hat bestätigt, dass die Anpassung erforderlich und angemessen ist“, schreibt die Allianz folglich in einem Schreiben an ihre Kunden, das dem Versicherungsboten vorliegt.

Allianz argumentiert: Gesamtrente entscheidend

Die Allianz kann also mit den Kundengeldern lukrativer arbeiten, wenn sie weniger Garantie bietet. Entsprechend argumentiert auch die Allianz Leben, dass er nicht allein auf die garantierte Rente ankomme - sondern auf die Gesamtrente einschließlich der Überschussbeteiligung. Hierbei gilt es aber zu bedenken, dass diese Überschüsse keineswegs garantiert sind. Entwickeln sich die Kapitalanlagen nicht wie gewünscht, kann die Beteiligung an den Überschüssen gar ganz wegfallen.

"Der Rentenfaktor hat Einfluss auf den Teil einer zukünftigen Rentenleistung, der zu Rentenbeginn berechnet wird und ab dann garantiert ist. Entscheidend bei einer Rentenzahlung ist aber die Gesamtrente. Sie besteht aus der ab Rentenbeginn garantierten Rente und einem zusätzlichen Betrag aus der Überschussbeteiligung. Auch die Überschussbeteiligung wird von der Anpassung des Rentenfaktors nicht beeinflusst", kommentiert der Allianz-Sprecher.

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Der Rentenfaktor hingegen hänge unter anderem vom Alter der Kunden und dem Rentenbeginn ab und liege nach der Anpassung in typischen Konstellationen bei circa 30, berichtet die Allianz - oft auch höher. "Der Wert 30 bedeutet, aus 100.000 Euro Kapital am Rentenbeginn ergibt sich eine monatliche garantierte Rente von 300 Euro".

"Joker Treuhänderklausel"

Bei den Vermittlern stößt der Eingriff beim Rentenfaktor auf wenig Gegenliebe: in den sozialen Medien gibt es sehr kritische Stimmen zu dem Vorgang. Und Zweifel, ob die Korrekturen wirklich dem Kundeninteresse dienen. Bereits Anfang 2017 hatte der Versicherer in einigen Tarifen, die nun erneut betroffen sind, den Faktor nach unten korrigiert. Beispiel "Index Select": Vor dem damaligen Einschnitt wurde noch mit einem Faktor von 2,75 Prozent gerechnet.

"Die Allianz stellt das Garantieverständnis auf den Kopf. Denn die einzige wirkliche Garantie, auf die man sich beim "blauen Riesen" garantiert verlassen kann, scheint die Garantie des regelmäßigen Jokers der Treuhänderklausel zu sein", schreibt nun "Riester-Profi" und Vermögensberater Reinhard Kreisel auf seiner Facebook-Seite. Auch in Maklerforen wird die erneute Absenkung teils kritisch kommentiert. Die Sorge: Es könnten in den kommenden Jahren noch weitere folgen.

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Korrektur: Ursprünglich war in dem Artikel behauptet wurden, dass der Rentenfaktor um 29 Prozent sinke: Das hätte die garantierten Renten noch deutlicher fallen lassen. Das aber war nicht korrekt: Der Rechnungszins sinkt demnach um 29 Prozent, der Rentenfaktor hingegen um "nur" neun Prozent. Der Rechnungszins ist (neben Sterblichkeitsannahmen) eine interne Rechengröße, die in die Berechnung des sogenannten Rentenfaktors eingeht. Der Rentenfaktor wiederum beschreibt, welche monatliche ab Rentenbeginn garantierte Rente in EUR sich pro 10.000 Euro Kapital am Rentenbeginn ergibt.

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