Versicherungsbote: Im November wurde die DIN-Norm 77230 für die Finanzberatung verabschiedet: Ab kommendem Jahr ist damit die Finanzberatung von Privathaushalten genormt. Warum hat es aus Ihrer Sicht eine DIN-Norm gebraucht?

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Lars Georg Volkmann: Normen sind vertrauensbildend und stärken den Verbraucher. Sie sorgen für Transparenz und Vergleichbarkeit. Der Verbraucher ist mit einer Norm immer auf der sicheren Seite: Er weiß, welches Papier in welchen Umschlag passt, findet die passende Mutter zur Schraube und die richtige Glühbirne für die Fassung. Die standardisierte Finanzanalyse nach DIN-Norm erweitert das Spektrum und ermittelt den tatsächlichen Bedarf des Kunden – und nicht die Meinung des Beraters. Der Kunde erhält damit ein neutrales und zutreffendes Bild seiner Anforderungen und Möglichkeiten.

Als erster Versicherer setzt die VPV schon seit 2015 auf eine standardisierte Finanzanalyse und den Einsatz der Analyse-Software Defino. Denn uns war klar: Diese Norm bringt große Vorteile. Erstens zeigt sie, dass ein Versicherer sauber spielt – das allein ist heute schon Gold wert. Zweitens beweisen wir Neutralität, wo andere das nur behaupten. Und drittens sind es immer mehr Kunden, die genau das suchen.

Können Sie bitte kurz umreißen, was die wichtigsten Grundsätze der DIN-Norm sind? Was steht drin und wie muss künftig beraten werden?

Über die Analyse-Software von Defino kann der Vermittler die Finanzsituation seines Kunden strukturiert analysieren. Die DIN-Norm sortiert die einzelnen Finanzthemen rund um Absicherung, Vorsorge und Vermögensplanung drei Bedarfsstufen zu: Sicherung des finanziellen Grundbedarfs, Erhaltung des Lebensstandards und Verbesserung des Lebensstandards. So kann der Kunde leichter priorisieren, wo direkt Handlungsbedarf besteht. Er erhält als Ergebnis der Analyse seinen persönlichen Finanzscore.

Für welche Vertriebskanäle gilt die DIN-Norm?

Grundsätzlich können alle Makler und Vermittler die Finanzsituation ihrer Kunden nach DIN-Norm analysieren. Wir haben bereits über 400 Vermittler zertifiziert.

Was müssen Vermittler tun, wenn sie nach DIN-Norm beraten wollen? Ist eine Weiterbildung oder Registrierung hierfür erforderlich?

Wer die Finanzanalyse-Software Defino einsetzen möchte, muss sich vorher zertifizieren lassen. Dieses Zertifikat gilt für zwei Jahre und muss dann erneuert werden.

Wenn ich mich recht entsinne, war eine solche Norm schon vor vier Jahren angekündigt worden. Das lässt vermuten, es gab kontroverse Debatten und Themen, bis man sich einigen konnte. Warum hat es so lange gedauert - und worüber wurde gestritten?

Bereits im März 2014 wurde die DIN Spec 77222 „Standardisierte Finanzanalyse für den Privathaushalt“ veröffentlicht. Innerhalb von acht Monaten hatte das bei DIN eingesetzte Gremium das Defino-System damals ausführlich überprüft.

Die nun verabschiedete Norm unterscheidet sich insoweit von der Spec, als dass es für die Norm 77230 einen Konsens aller Interessensgruppen, wie Banken, Versicherer, Vertriebe, Verbände, Initiativen, Verbraucherschützer und Wissenschaftler benötigt. Die Arbeit an der Norm war sehr komplex. Die Finanzbranche ist sehr facettenreich und in der Norm sollten sich alle Beteiligten wiederfinden und ihren Bedürfnissen gerecht werden. In diesem Rahmen wurde konstruktiv diskutiert, aber keinesfalls gestritten. Im Anschluss an die Expertenarbeit hatte die Öffentlichkeit die Möglichkeit, den Entwurf zu kommentieren. Das Expertengremium hat dann alle eingegangenen Stellungnahmen sorgfältig erwogen, diskutiert und entschieden.

Daher dauerte der Normierungsprozess wesentlich länger als die Veröffentlichung der Spec, die eine wichtige Grundlage für die Norm war.

Wie wird eigentlich kontrolliert, ob die Vermittler tatsächlich qualitativ hochwertig nach DIN beraten? Gibt es eine Art Qualitätskontrolle und Instrumente, Verstöße zu sanktionieren? Gibt es weitergehende Dokumentations-Pflichten eines Beratungsgesprächs, wenn nach DIN beraten wird? Oder spezielle „Hilfsmittel“ wie etwa Anschauungsmaterial und ein Beratungs-Leitfaden?

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Bei der DIN-Norm geht es um eine standardisierte Finanzanalyse. Die Beratung knüpft an die Ergebnisse an. Der Vermittler zeigt dem Kunden verschiedene Möglichkeiten auf, etwaige Vorsorgelücken zu schließen. Wurde die Finanzsituation des Kunden nach DIN-Norm analysiert, hält der Vermittler im Beratungsprotokoll fest, warum sich ein Kunde für oder gegen eine Absicherungs- oder Vorsorgeempfehlung aus der Finanzanalyse entschieden hat. Sonst dokumentiert er die Beratung wie jede andere Beratung auch.

...wie verhindert man, dass Vermittler einfach eine Liste abarbeiten?

Versicherungsbote: DIN schafft einen Standard für die Finanzberatung. Nun trifft man aber auch sehr verschiedene Kunden mit unterschiedlichem Vorwissen und individuellen Wünschen. Wie verhindert man, dass die Vermittler einfach eine Liste abarbeiten - und vielleicht genau deshalb an den Wünschen und Bedürfnissen des Kunden „vorbeiberaten“?

Lars Georg Volkmann: Die DIN-Norm schafft einen Standard für die Finanzanalyse. Über die Finanzanalyse-Software Defino stellt der Vermittler sicher, dass er keine wichtigen Punkte in der Analyse auslässt. Der Kunde erhält eine transparente Übersicht über seine Finanzsituation. Im besten Fall knüpft daran direkt ein Beratungsgespräch an, in dem der Vermittler auf die vorhandenen Lücken in der Absicherung und Vorsorge eingeht und Produktempfehlungen ausspricht, die zum Kundenbedarf passen.

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Ein Beratungsstandard könnte auch den Boden bereiten, damit Chatbots und intelligente Sprachprogramme nach DIN-Norm zu Finanzen beraten. Wird bald Amazons Alexa diese Aufgabe übernehmen?

Das ist theoretisch denkbar. Allerdings ist die Finanzanalyse sehr umfangreich. Im persönlichen Kontakt können Rückfragen direkt beantwortet werden und der Vermittler unterstützt den Kunden dabei, die richtigen Zahlen aus seinen Unterlagen zu filtern. Nicht ohne Grund müssen sich die Berater vor dem Einsatz der Finanzanalyse-Software Defino zertifizieren lassen.

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Die Fragen stellte Mirko Wenig

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