Munich-Re-Chef Joachim Wenning hat in einem Interview sogenannte Run-off-Plattformen verteidigt. Das sind Anbieter, die Altbestände von Lebensversicherungen aufkaufen und abwickeln. „Ich bedaure sehr, dass spezialisierte Run-off-Anbieter in der Öffentlichkeit teilweise so verteufelt werden”, sagte Wenning am Montag der Nachrichtenagentur „Reuters“.

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Teils massive öffentliche Kritik

Joachim Wenning ist Vorsitzender des Vorstands der Münchener Rück AG. Quelle: Munich ReRun-off-Plattformen gerieten in den Fokus der Öffentlichkeit, nachdem sich große Lebensversicherer von klassischen Lebensversicherungen trennen wollten - und planten, sie an externe Investoren zu verkaufen. Wenning geriet dabei indirekt selbst in die Schusslinie. Die Ergo, Konzerntochter der Munich Re, hatte nach massiver öffentlicher Kritik Überlegungen gestoppt, rund sechs Millionen Altverträge der Ergo Leben und der Victoria an solch einen Run-off-Dienstleister abzutreten.

Doch ein Verkauf von Altbeständen ist umstritten. Befürchtet wird, dass die Verträge auch an ausländische Investoren und Heuschrecken gehen könnten, auch aus Staaten wie China. Verdi-Chef Frank Bsirske und einzelne Politiker haben wiederholt ein Verbot von Run-off-Verkäufen gefordert.

“Funktionierende Run-off-Plattformen im Interesse aller“

Im Gespräch mit Reuters verteidigt nun Munich Re-Boss Wenninger das Run-off-Geschäft. “Meines Erachtens ist es im Interesse aller, auch in Deutschland funktionsfähige Run-off-Plattformen zur Verfügung zu haben”, positioniert sich Wenning. “Sie verringern die Probleme für Verbraucher und Anbieter, wenn diese ihr Neugeschäft einstellen wollen oder müssen.”

Ein Problem für die etablierten Lebensversicherer sei zum Beispiel, dass die Bestände schrumpfen würden, wenn sie das Neugeschäft in wenig lukrativen Tarifen einstellen würden. Die Verwaltungskosten hingegen nicht. Hier könnten Anbieter punkten, die sich auf die Übernahme von Altbeständen spezialisiert haben. Im Idealfall bündeln sie die Bestände mehrerer Versicherer und betreuen sie effizienter. Beispiele für solche Run-off-Dienstleister auf dem deutschen Markt sind Cinven (Viridium) oder Fosun (Frankfurter Leben).

Ergo soll eigene IT-Plattform erhalten

Wenning hat nun noch einmal erklärt, dass die Ergo dem Geschäft mit klassischen Garantiezins-Produkten in der Lebensparte abgeschworen hat. “Es besteht kein Zweifel, dass klassische Lebensversicherungen strategisch nicht zu unserem Risikoprofil passen”, sagte der 53jährige. Die Ergo hat sich entschieden, die sechs Millionen Verträge mit einer hauseigenen Plattform abzuwickeln. Dafür arbeitet man mit dem IT-Giganten IBM an einer digitalen Plattform, die erlauben soll, die eigenen Bestände sowie Bestände anderer Versicherer zu verwalten, ohne diese übernehmen zu müssen. “Das ist in jedermanns Interesse, weil Kosten auch im Interesse der Kunden geteilt werden”, sagte Wenning (der Versicherungsbote berichtete).

Vor allem klassische Leben-Verträge betroffen

2016 befanden sich auf dem deutschen Markt Lebensversicherungen mit verdienten Bruttobeiträgen von 1,6 Milliarden Euro in der Abwicklung bei einer externen Run-off-Plattform. Das ergab eine Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion. Betroffen sind vor allem klassische Altverträge mit teils hohen Garantiezusagen. Den Unternehmen fällt es wegen der Niedrigzinsen zunehmend schwer, an den Kapitalmärkten die hohen Garantieversprechen der Vergangenheit von bis zu vier Prozent zu erwirtschaften. Zudem müssen die Altverträge mit viel Eigenkapital unterfüttert werden.

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Ende 2016 gab es in Deutschland 82 Lebensversicherungsunternehmen, in deren Bestand sich 53,5 Mio. klassische Kapitallebensversicherungen mit einem laufenden Beitrag in Höhe von 37,6 Mrd. Euro befanden, so berichtet die Bundesregierung mit Berufung auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Wenn Lebensversicherer ihre Bestände an einen Run-off-Dienstleister abtreten wollen, brauchen sie das Okay der Finanzaufsichtsbehörde. Diese gab den Versicherern Rückendeckung. „Der Verkauf von Lebensversicherungspolicen ist eine legitime unternehmerische Entscheidung und kein Verrat am Kunden“, sagte BaFin-Präsident Felix Hufeld dem Manager Magazin (der Versicherungsbote berichtete).

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