Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich plädiert für eine Elementarschaden-Pflichtversicherung. Quelle: Pressefoto cdu.de Der Freistaat Sachsen hat aktuell eine Initiative gestartet, damit sich Hausbesitzer besser gegen Hochwasser und andere Naturkatastrophen absichern. „Wir setzen uns bei der Versicherungswirtschaft und dem Bund dafür ein, dass jeder Bürger – auch in Hochrisikogebieten – eine bezahlbare Elementarschadenversicherung erhalten kann“, sagte Tillich am Donnerstag der „Leipziger Volkszeitung“ (LVZ). Eine Möglichkeit sei hierfür eine bundesweite Pflichtversicherung.

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Hintergrund der Debatte: Eine private Wohngebäudeversicherung bietet allein keinen Schutz für Naturgefahren wie Hochwasser. Hierfür muss eine extra Elementarschadenversicherung abgeschlossen werden, die häufig als Zusatzbaustein zu einer Wohngebäude-Police, aber auch separat angeboten wird. Haushalte können sich mit einer solchen Police gegen Überschwemmung, Rückstau, Erdbeben, Erdsenkung oder Erdrutsch, Schneedruck, Lawinen und sogar einen Vulkanausbruch absichern lassen.

Ob die Hausbesitzer einen solchen Vertrag finden und zu welchem Preis, orientiert sich an Risikoklassen nach dem „ZÜRS Geo“-Zonierungssystem, das jährlich überarbeitet wird. Wer in einer Region mit hohem Hochwasser-Risiko wohnt muss damit rechnen, dass er deutlich mehr zahlt oder sogar keinen Vertrag findet.

Weniger als jedes zweite Gebäude in Sachsen abgesichert

In Sachsen und Thüringen ist derzeit nicht einmal jedes zweite Haus gegen Elementargefahren versichert: nur jeweils 46 Prozent der Immobilienbesitzer haben nach Zahlen der Versicherungswirtschaft einen entsprechenden Schutz. Damit stehen beide Bundesländer noch gut da. In Bremen, Niedersachsen und Hamburg hat nur etwa jedes fünfte Haus eine Elementar-Police. Bundesweit sind derzeit 11 Millionen Gebäude ohne Schutz, berichtet der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

In Sachsen ist die Absicherung von Hochwasser-Risiken besonders drängend. Das Bundesland wurde in den letzten Jahren mehrfach von sintflutartigen Regenfällen und Überschwemmungen heimgesucht, bei dem ganze Stadtzentren unter Wasser standen: etwa 2002, 2010 und 2013. Manche Städte wurden wiederholt Opfer der Fluten, etwa flussnahe Gebiete in Dresden und Grimma. Freistaat und Bund leisteten jeweils Soforthilfen in Millionenhöhe.

„Es gibt keinen Automatismus, dass immer der Staat einspringt“, warnt nun Tillich in der LVZ. Jeder Bürger müsse Elementarschäden selbst finanziell absichern. Zwar investiere auch Sachsen weiter massiv in den Hochwasserschutz, aber dies sei „kein Ersatz für Eigenvorsorge“. Staatshilfen sollen künftig nur noch Hausbesitzer erhalten, die nachweisen können, dass sie sich vergeblich um eine private Police bemühten: Darauf haben sich die Ministerpräsidenten am 1. Juni in Berlin verständigt (der Versicherungsbote berichtete).

Auch Verbraucherzentrale Sachsen fordert Pflichtversicherung

Für eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden spricht sich auch die Verbraucherzentrale Sachsen aus. Aufgrund der Risikoselektion der Versicherer sei eine Elementar-Police nicht für jeden bezahlbar, sagte Verbraucherzentrale-Sprecherin Andrea Heyer der LVZ. „Da bei einer Versicherungspflicht jeder Hauseigentümer eine solche Police abschließen müsste, käme es zu sinkenden und damit bezahlbaren Prämien“, so Heyer. Eine nicht repräsentative Studie der Verbraucherzentrale habe zudem ergeben, dass es in vielen Risikogebieten nahezu aussichtslos sei eine Elementarpolice zu finden, etwa entlang der Elbe oder der Mulde. Hier zeigen viele Versicherer mit dem Daumen nach unten.

Die Versicherer halten hingegen nichts von einer Pflichtversicherung. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) argumentiert, dass mit einer solchen Pflicht die staatliche und private Prävention gegen Hochwasser auf der Strecke bleibe, „wenn jeder Schaden in jedem Fall ersetzt wird“, so eine GDV-Sprecherin gegenüber der LVZ. In Gebieten, wo ein Hochwasser droht, solle am besten erst gar nicht gebaut werden.

Informationskampagnen: Schutz oft billiger als Kfz-Kaskopolice

Die Versicherer setzen auf freiwillige Lösungen. In neun Bundesländern fanden 2016 Informations-Kampagnen über Hochwasser-Gefahren statt, die von der Versicherungswirtschaft in Kooperation mit den Landesregierungen durchgeführt wurden.

„Insgesamt sind in Deutschland gut 99 Prozent der Gebäude problemlos gegen Überschwemmungen und Starkregen versicherbar“, heißt es auf der Webseite des Branchenverbandes GDV. „Auch die verbleibenden, besonders gefährdeten Häuser können fast alle mit Selbstbehalten oder nach individuellen baulichen Schutzmaßnahmen versichert werden.“ In der Regel koste der Schutz weniger als eine Kaskoversicherung fürs Auto. Zahlen, die auch branchenintern angezweifelt werden. Axel Kleinlein, Vorstandssprecher bei der Verbraucherorganisation Bund der Versichten (BdV), hält es für ein „Ammenmärchen“, dass 99 Prozent der Häuser problemlos Schutz finden.

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Auch Stanislaw Tillich will mit Hilfe der Ministerpräsidenten-Konferenz weiter Druck auf die Versicherer machen. "Ein starkes Signal wäre eine entsprechende Selbstverpflichtung der Versicherungswirtschaft", sagte er der LVZ. Sachsens Ministerpräsident verweist auf das Beispiel Schweiz: Dort gebe es bereits eine Pflichtversicherung.

LVZ

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