Der Firmenpatriarch ist zurück! Am 7. Mai wird mit Michael Diekmann ein Altbekannter den Vorsitz des Allianz-Aufsichtsrates übernehmen. Diekmann leitete die Allianz von 2003 bis zum Mai 2015, prägte den Konzern in dieser Zeit wesentlich. Vor zwei Jahren gab er den Chefsessel von Europas größtem Versicherer schließlich an den jetzigen Vorstandschef Oliver Bäte ab – und verabschiedete sich mit einem Rekordgewinn von 10,8 Milliarden Euro in den vorläufigen Ruhestand.

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Diekmann als neuer und alter Hoffnungsträger

Nach einer zweijährigen Karenzzeit wird Michael Diekmann nun als Aufsichtsrats-Chef vom obersten Firmenlenker zum obersten Firmenkontrolleur berufen. Und damit sind auch viele Erwartungen verbunden, wie das Handelsblatt am Dienstag berichtet. Der Ex-Chef habe bereits begonnen, hinter den Kulissen erste Gespräche im Führungsgremium zu führen, schreibt das Handelsblatt unter Berufung auf Firmen-Insider. Erwartet werde, dass Diekmann auch den jetzigen Chef Bäte strenger unter seine Fittiche nehmen werde.

„Ein neuer Vorstandschef wird bei der Allianz hinter den Kulissen oft eng vom Aufsichtsratschef geführt“, zitiert das Wirtschaftsmagazin einen Firmen-Kenner, der ungenannt bleibt. Das habe Diekmanns Vorgänger Schulte-Noelle bereits so gehalten. Und so würden viele im Hause Allianz davon ausgehen, dass Diekmann hinter den Kulissen mitregieren werde. Durchaus zum Vorteil von Bäte, denn der hatte zuletzt auch für Kritik gesorgt.

Zeitungsbericht über internen Streit

Im Herbst 2016 rebellierten laut einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ mehrere Manager der Allianz Deutschland gegen den neuen Konzernlenker. Speziell Deutschland-Chef Manfred Knof und Markus Faulhaber, Chef der Allianz Leben, sollen sich gegen Bäte gestellt haben. Ursache sei unter anderem das Gerücht gewesen, der neue Konzernchef wolle das Lebensversicherungs-Geschäft mit Garantiezinsen in Deutschland nur als Run-off weiterbetreiben, also das Neugeschäft in diesen Tarifen komplett einstellen. Dies hätte zu einem Vertrauensverlust deutscher Kunden geführt, fürchteten die Bäte-Kritiker.

Auch die Digitalisierung der Allianz betreibe Bäte zu radikal und über die Köpfe der Deutschland-Töchter hinweg, kritisierte ein nicht namentlich genannter Allianz-Manager gegenüber der „Süddeutsche Zeitung“. Oft herrsche blinder Aktionismus vor. So arbeite die hauseigene IT-Tochter AMOS zu teuer und die weltweit vertriebene Unterplattform „Absi“ würde schlicht nicht funktionieren. Die Kosten für die IT seien zudem stark angestiegen. „Darüber gibt es mit fast allen Landesgesellschaften mächtig Ärger“, wurde der Firmen-Insider zitiert.

Hier könnte Michael Diekmann, der nach wie vor hohes Ansehen bei der Allianz genießt, zwischen den Parteien vermitteln. Diekmann habe bereits diskret klargemacht, dass er als Aufsichtsrats-Chef nicht nur die Beobachterrolle spielen wolle, schreibt das Handelsblatt. Er könnte Oliver Bäte in seinem Tatendrang zügeln – und ihm zugleich den Rücken freihalten. Für Kritik sorgte auch, dass sich Bäte mit dem Firmenjet von Frankfurt nach München und zurück befördern ließ - nach Recherchen der Tageszeitung "Die Welt" auch für private Zwecke.

Bäte verfolgt den von Diekmann eingeschlagenen Weg

Dass sich Diekmann aber gegen Bäte stellen wird, ist eher nicht zu erwarten. Denn Bäte verfolgt jenen Weg weiter, dem ihn Diekmann ins Fährtenbuch geschrieben hat. Der langjährige Firmenpatriarch hatte selbst die Digitalisierung vorangetrieben und sich als Erneuerer präsentiert. Und Diekmann hatte in seiner Amtszeit als Allianz-Chef mit ganz ähnlichen Problemen wie sein Nachfolger zu kämpfen.

Ein Blick zurück: Im Jahr 2006 war Diekmann als „Zerstörer der Allianz-Kultur“ gebrandmarkt worden, als in infolge eines radikalen Konzernumbaus weltweit zehntausende Stellen strich. Da hatte die Allianz soeben einen Rekordgewinn von 4,4 Milliarden Euro verkündet. Diekmann hatte damals eine Unruhe im Konzern festgestellt – ähnlich wie Bäte heute. "Warum ist es nicht gelungen, viele Mitarbeiter in Deutschland für die anstehenden Veränderungen zu begeistern?", fragte er selbstkritisch im Geschäftsbericht 2006. Doch der Umbau war nach seiner Auffassung notwendig, um alte und verkrustete Strukturen abzuschaffen. Heute steht die Allianz besser da als viele Konkurrenten.

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Auch Michael Diekmann, seit 1988 in den Diensten der Allianz, weiß also, dass notwendige Änderungen im Konzern oft gegen internen Widerstand durchgefochten werden müssen - und gegen schlechte Presse. Dass auch sein Zögling Oliver Bäte Erfolge vorzeigen kann, ist nicht von der Hand zu weisen. Trotz Niedrigzins und schwierigem Marktumfeld hat er die Allianz auch im Jahr 2016 zu einem guten operativen Ergebnis von 10,7 Milliarden Euro geführt. Daran konnten auch die zahlreichen Baustellen nichts ändern, die Diekmann seinem Nachfolger hinterlassen hatte: Unter anderem die Probleme mit dem US-Rentenfondsanbieter PIMCO, der seit 2011 Abflüsse von 165 Milliarden Euro zu beklagen hat.

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