Versicherungsbote: In einem Rechtsgutachten kommen Sie zu der Einschätzung, der Gesetzentwurf der Bundesregierung, mit dem die EU-Vertriebsrichtlinie Insurance Distribution Directive (IDD) in deutsches Recht übersetzt werden soll, sei verfassungswidrig. Speziell die Provisionsbindung sehen Sie kritisch: Makler dürfen sich laut Gesetzentwurf künftig nicht mehr vom Kunden per Honorar vergüten lassen. Was sind die Gründe, weshalb dies einen Verstoß gegen die Verfassung bedeutet?

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Der Versicherungsjurist Hans-Peter Schwintowski lehrt und forscht an der Humboldt-Universität zu Berlin. Hans-Peter Schwintowski: Der Hauptgrund ist, dass der Gesetzentwurf das Ziel, Stärkung der Honorarberatung, verfehlt, wenn er den Maklern (ca. 45.000) die Honorarberatung verbietet. Damit ist die größte Gruppe der Vermittler, die auch heute schon Honorarberatung anbieten, nicht mehr berechtigt dies zu tun. Die Honorarberatung wird nach dem Gesetzentwurf auf die verbleibenden ca. 300 Versicherungsberater verlagert. Diese können die Honorarberatung im Lande flächendeckend nicht gewährleisten – d.h. das Ziel, das der Gesetzgeber anstrebt (Stärkung der Honorarberatung) wird durch das Mittel, das er ergreift (Provisionsbindung für Makler an Versicherer) verfehlt. Dieser Verfehlung verstößt gegen Art. 12 GG, weil der Eingriff in das Recht der Honorarberatung für Makler weder erforderlich, noch geeignet ist, um das Ziel zu erreichen.

Viele Versicherungsmakler sehen sich durch den Gesetzentwurf der Bundesregierung gegenüber anderen Vertriebswegen benachteiligt, sogar den Beruf gefährdet. Auch Sie warnen in Ihrem Rechtsgutachten vor Nachteilen. Wird der Beruf des Versicherungsmaklers in Deutschland nicht ausreichend wertgeschätzt – oder wie kann es dazu kommen, dass deren Interessen in einem Gesetzentwurf so wenig Berücksichtigung finden?

Ich glaube nicht, dass es ein Wertschätzungsproblem ist. Ich vermute, dass der Gesetzgeber die Konsequenzen seines Gesetzentwurfes - es geht gerade mal um einen Satz - nicht wirklich vor Augen hatte, als dieser Satz formuliert wurde [Das angedachte Honorarannahmeverbot für Vermittler in § 34d Abs. 1 S. 6 der Gewerbeordnung (GewO), Anmerkung Redaktion]. Der Gesetzgeber hat vermutlich nur darüber nachgedacht, wie er den Berufsstand der Versicherungsberater stärken könnte und dabei übersehen, dass das Verbot der Honorarberatung für die Makler dazu führen wird, dass es im Lande fast keine Honorarberatung mehr geben wird. Ich hoffe, dem Gesetzgeber wird jetzt klar, dass er über das Ziel hinausschießt.

Der Gesetzgeber will die Honorarberatung fördern, damit Vermittler unabhängiger werden von den Provisionen der Produktgeber. Laut Ihrem Rechtsgutachten kann die Honorarberatung nur gestärkt werden, wenn Versicherungsmaklern der Zugang zum Honorarmarkt geöffnet wird. Warum ist es nach Ihrer Einschätzung ein Trugschluss, bei der Honorarberatung ausschließlich auf den Vertriebsweg des Versicherungsberaters zu setzen?

Die Honorarberatung kann man nur stärken, indem man möglichst vielen Vermittlern das Recht eröffnet gegen Honorar zu beraten. Die kleine Anzahl der Versicherungsberater (ca. 300) sind nicht in der Lage die Kundenbedürfnisse angemessen zu befriedigen.

Aktuell sind im Versicherungsvermittlerregister nur 311 Honorarberater registriert. Warum konnte sich die Versicherungs-Honorarberatung nach Ihrer Einschätzung bisher in Deutschland nicht durchsetzen?

Der Hauptgrund ist, dass die Honorarberatung in Deutschland keine Tradition hat, sodass es immer nur wenige Verbraucher gibt, die bereit sind, für einen Versicherungsberater Geld in die Hand zu nehmen.

Auch die Makler leisteten bisher keinen großen Beitrag, die Honorarberatung zu etablieren. Im Gegenteil: Die Mehrheit der Versicherungsmakler setzt weiterhin auf die Vergütung durch Provisionen. Müssen sich die Makler nicht auch an die eigene Nase fassen, wenn der Gesetzgeber nun ihre Abhängigkeit von Provisionen festschreiben will?

Nach den mir vorliegenden Untersuchungen beraten immerhin 15 Prozent der Makler, mit zunehmender Tendenz, gegen Honorar. Der Anteil würde mit Sicherheit noch sehr viel schneller und stärker wachsen, wenn die Versicherer zunehmend bereit wären, statt der Bruttopolice, die die Provision enthält, auch Nettopolicen anzubieten. Dann könnte nämlich der Kunde zusammen mit dem Makler darüber nachdenken, ob man das Brutto- oder das Nettomodell bevorzugt.

Noch ist das IDD-Umsetzungsgesetz nicht in Kraft getreten, Änderungen möglich. Wie bewerten Sie die Chancen, dass Korrekturen im Sinne der Makler umgesetzt werden? Und was können Makler tun, um Korrekturen zu unterstützen?

Die Beratungen des Gesetzgebers laufen. Die Makler sollten ihre Stimme erheben und auf die massiven Eingriffe in ihrem Berufsstand hinweisen. Aber auch die Versicherer, die Nettoprodukte anbieten und mit Kostenausgleichvereinbarungen arbeiten, sollten beim Gesetzgeber und den Abgeordneten vorstellig werden, um darauf hinzuweisen, dass das geplante Gesetz in diesem Punkt das Ziel verfehlt und unverhältnismäßig stark die Honorarberatung verhindert.

Werden Sie eine Verfassungsbeschwerde anstreben, wenn das IDD-Gesetz in der jetzigen Form umgesetzt wird?

Eine Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz wäre sinnvoll, wenn an der Provisionsbindung festgehalten würde. Als Wissenschaftler kann man eine solche Verfassungsbeschwerde nicht einlegen – die Entscheidung dazu müssten entweder die Abgeordneten treffen oder aber die betroffenen Makler.

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Die schriftlichen Fragen stellte Mirko Wenig

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