Die Abwicklungsgesellschaft Viridium aus dem hessischen Neu-Isenburg wird rund 100.000 Leben-Policen der brancheneigenen Auffanggesellschaft Protektor aufkaufen. Das teilte das Unternehmen am Mittwoch in einer Pressemeldung mit. Die deutsche Finanzaufsichtsbehörde BaFin habe das im Vorjahr angekündigte Geschäft nun genehmigt, heißt es in der Pressemeldung. Bis Mitte 2017 soll der Verkauf abgewickelt sein.

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Damit findet die größte Rettungsaktion auf dem deutschen Lebensversicherungs-Markt einen Abschluss. Bei den Verträgen handelt es sich um klassische Garantie-Produkte der ehemaligen Mannheimer Leben, die 2002 in die Insolvenz rutschte. Sie sichern teils noch einen Garantiezins von 3,5 bis 4 Prozent zu.

Für die Kunden soll trotz des Verkaufs alles beim Alten bleiben. „Die Versicherungsbedingungen bleiben unverändert, die garantierten Leistungen gelten weiterhin, und alle bereits zugeteilten Überschussanteile bleiben in vollem Umfang erhalten“, heißt es in einer Stellungnahme von Protektor.

Protektor – Rettungsschirm für die Versicherungsbranche

Protektor war im Jahr 2002 als brancheneigene Auffanggesellschaft aller im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) organisierten Lebensversicherer gegründet worden, nachdem die Mannheimer Leben in existentielle Nöte geraten war. Der Versicherer hatte sich mit Aktiengeschäften verspekuliert und benötigte zum Jahresende 2002 rund 370 Millionen frisches Eigenkapital, was der kleine Anbieter selbst nicht stemmen konnte.

350.000 Sparer hätten mit einem Schlag ihre Altersvorsorge verloren – Protektor sollte einen Imageschaden von der Versicherungsbranche abwenden. Seit 2006 ist Protektor offiziell anerkannter Sicherungsfonds für Lebensversicherer und kann Kapital in Höhe von 6 Milliarden Euro abrufen.

Viridium – Frühere Heidelberger Leben rettet sich in das Geschäft mit Bestandsverwesern

Doch auch für Viridium, zur Hälfte in Besitz der Hannover Rück, bedeutet der Aufkauf von Lebensversicherungen im Grunde eine Rettung. Hervorgegangen ist das Unternehmen aus den Resten der Heidelberger Leben, die ihr Neugeschäft 2014 mangels Aussicht auf Erfolg eingestellt hatte und seitdem nur noch den Bestand verwaltet. In den vergangenen Jahren wurde die Heidelberger Leben als ehemalige MLP-Leben zwischenzeitlich ziel- und strategielos in der Branche herumgereicht (der Versicherungsbote berichtete). Doch dann kam der Niedrigzins – und mit ihm die Rettung.

Denn dank niedriger Zinsen an den Kapitalmärkten boomt das Run-Off-Geschäft. Immer mehr Versicherer stellen ihr Neugeschäft ein und wollen sich von hochverzinsten Altverträgen trennen. Auch die höheren Eigenkapital-Anforderungen dank Solvency II tragen dazu bei, dass sich das Leben-Geschäft für einige Versicherer nicht mehr lohnt.

Ein Glück für die Heidelberger Leben: die frühere MLP-Tochter bekam ein Facelift und wurde als Viridium Gruppe nun auf das Geschäft mit Bestandsverwesern ausgerichtet. Das heißt, das Unternehmen kauft Bestände von anderen Versicherern auf, die ihr Neugeschäft ebenfalls bereits eingestellt haben, und versucht daraus Gewinn zu erzielen, zum Beispiel durch niedrigere Verwaltungskosten. Tatsächlich hat Viridium in den letzten zwei Jahren ihre IT komplett modernisiert, wie Vorstand Heinz-Peter Roß berichtet, um die Kosten zu drücken.

Alle Mitarbeiter sollen übernommen werden

Mit den Protektor-Beständen kauft die Viridium Gruppe bereits dem dritten Lebensversicherer ihre Bestände ab. Die Neu-Isenburger betreuen bereits 285.000 ehemalige Skandia-Verträge sowie gut weitere 555.000 Policen, deren Käufer großenteils MLP-Kunden waren. Mit dem Aufkauf der Protektor-Bestände würde sich das Unternehmen der Marke von eine Million betreuten Verträgen nähern. Die gute Nachricht: Alle Mitarbeiter, die sich bei "Protektor" um die Verwaltung der ehemaligen Mannheimer-Policen kümmern, sollen laut Pressemeldung übernommen werden.

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Das Potential für Bestandsverweser ist riesig, nicht nur in der Lebensversicherung. Eine aktuelle PwC-Studie vom September 2016 schätzt das Volumen aller Run-off-Bestände in Europa auf 247 Milliarden Euro. Im deutschsprachigen Raum stieg der Anteil aller Nicht-Leben-Versicherer mit eingestelltem Geschäft von 41,7 Prozent im Jahr 2012 auf 52,9 Prozent im Jahr 2015. Im selben Zeitraum wuchs das Volumen der Bestände um etwa 29 Prozent auf 133,5 Milliarden Euro, so eine Studie der Universität St. Gallen, für die Versicherer in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Luxemburg befragt wurden (der Versicherungsbote berichtete).

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