Versicherungsbote: Der Gesetzentwurf zum neuen Versicherungsvertriebsgesetz, mit dem die EU- Vertriebsrichtlinie IDD in deutsches Gesetz gegossen werden soll, sieht eine neue Festschreibung des Provisionsabgabeverbotes vor. Schon im Sommer 2017 könnte es in Kraft treten. Wie beurteilen Sie diesen Tatbestand?

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Johannes Cremer gründete gemeinsam mit Dieter From die Online-Plattform moneymeets. Zuvor war Cremer unter anderem bei der Sparkasse in Führungsfunktionen tätig und seit 2003 als Berater für Banken, Sparkassen und Fondsgesellschaften. Johannes Cremer: Es ist schon erstaunlich, dass die Bundesregierung die nachvollziehbaren Einwände des Bundesrats komplett ablehnt. Aber wir haben es hier mit einem nationalen, lobbygesteuerten Alleingang zu tun, der den mit der IDD intendierten Zielen hinsichtlich Wettbewerb, Transparenz und Verbraucherschutz eklatant widerspricht sowie gegen geltendes Recht verstößt. Denn auch im neuen Gesetzesgewand würde das Provisionsabgabeverbot in die Dienstleistungsfreiheit eingreifen und die Wettbewerbsfreiheit beschränken. Darüber hinaus würde es den Grundsätzen des Auftragsrechtes im BGB widersprechen. Der Gesetzgeber sollte deshalb auf die gegen Europarecht verstoßende Verstärkung des Provisionsabgabeverbots in der aktuell vorgesehenen Form verzichten. Es wird Zeit für eine zukunftsweisende, verbraucherzentrierte Rechtsetzung, die auch für die Finanzindustrie den Weg in eine transparente digitale Zukunft ebnet.

Das Geschäftsmodell von moneymeets beruht auch darauf, Provisionen an Kunden weitergeben zu dürfen. Sie sind aber nicht nur bei der Versicherungsvermittlung aktiv. Sehen Sie Ihr Modell bedroht, wenn die Weitergabe von Provisionen bei Versicherungen mit dem neuen IDD-Gesetz untersagt bleibt?

Nein, denn moneymeets ist ein Portal für privates Finanzmanagement. Wir aggregieren die Finanzinformationen unserer Mitglieder und stellen alle Informationen über Konten, Depots und Versicherungen und die damit verbundenen Kosten in einer Finanzübersicht zur Verfügung. Darauf aufbauend weißt moneymeets den Nutzer auf Möglichkeiten zur Qualitäts- und Preisoptimierung im Versicherungs- und anderen Finanzbereichen hin. Effizienzgewinne durch digitale Prozesse geben wir dabei als Preisvorteile an unsere Kunden weiter. Das wird auch nach Einführung der IDD der Fall sein. In diesen letzten Bereich fällt dann auch die Weitergabe der Versicherungsprovisionen als ein Baustein von vielen in unserem Geschäftsmodell.

"Das nennt man einen faulen Kompromiss"

Sie hatten eigentlich prominente Unterstützung im Kampf gegen ein Provisionsabgabeverbot: sowohl die Verbraucherzentralen als auch das Bundeskartellamt hatten sich in der Vergangenheit dagegen ausgesprochen. Weshalb ist es aus Ihrer Sicht (Stand heute) nicht gelungen, das Verbot zu kippen?

Das nennt man wohl einen faulen Kompromiss: Die an sich sinnvolle und von Herrn Staatssekretär Billen präferierte Honorarberatung soll aufgewertet werden. Soweit ist das für uns auch sinnvoll. Aber: Im Gegenzug wollte die Versicherungslobby das Provisionsabgabeverbot behalten dürfen. Schließlich stärkt das die Ausschließlichkeitsvermittlung und kompensiert die Belastung aller Versicherer durch die zukünftige Bedeutungslosigkeit des Maklervertriebes. Konsequent wäre gewesen, wenn die Politik dann auch eine Art PSD II eingeführt hätte, damit die Informationen aus Verträgen digital an Honorarberater fließen.

Dies hat die Bundesregierung nun klargestellt: Der Fall des Provisionsabgabeverbotes hätte die Versicherungen noch stärker belastet - nämlich deren Ausschließlichkeitsvertreter geschwächt. Als eine der treibenden Kräfte dahinter sehen wir übrigens Herrn Dr. Grund, den Leiter der Versicherungsaufsicht bei der BaFin, der mit seiner Vita auch Cheflobbyist des GDV hätte sein können.

Planen Sie weitere juristische Schritte, sollte ein neues Provisionsabgabeverbot kommen? Denkbar wäre etwa, auch auf EU-Ebene zu klagen.

Es gibt bessere und mit Blick auf den Zeithorizont schnellere Wege als eine Klage vor dem EuGH, beispielsweise über eine Beschwerde bei der EU-Kommission, schließlich hat die BaFin im vorauseilenden Gehorsam schon den Grund geliefert: Die Bundesregierung will das Provisionsabgabeverbot als Marktverhaltensregel verstärken, das verbietet aber das europäische Kartellrecht. Und über dieses wacht die EU-Kommission.

"Lobby und Politik erweisen dem Versicherungsstandort Deutschland einen Bärendienst"

Der Gesetzgeber fasst das Provisionsabgabeverbot mit § 48 VAG nun klar als „Marktverhaltensregel“. Also als Vorschrift, die – ich zitiere die BaFin - „Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen schützt“. Damit wird der Fokus auf das Wettbewerbsrecht gelegt – Wenn Vermittler Provisionen weitergeben, verhalten sie sich unfair gegenüber anderen Vermittlern. Wie bewerten Sie diese Interpretation?

Gegenfrage: Wie nennen Sie es, wenn eine Baufinanzierung von Bank A, ein Fondssparplan von Gesellschaft B oder irgendein anderes Finanzprodukt von Firma C jeweils zu unterschiedlichen Preisen angeboten werden? Das ist und sollte auch Normalität sein, ist es aber bei Versicherungen als einzigem Finanzprodukt nicht. In einer wettbewerbsorientierten Wirtschaft kann es aber ebenso wenig Aufgabe des Staates sein, für eine einheitliche Provisionshöhe zu sorgen, wie es seine Aufgabe ist, für einen einheitlichen Preis von anderen Finanzprodukten Sorge zu tragen.

Völlig verrückt wird die Situation, wenn ein Kunde eine Baufinanzierung haben möchte und bei dem nach 34i GewO zugelassenen Vermittler zwischen Provision oder Honorar wählen darf. Wünscht der gleiche Kunde dann vom gleichen Vermittler zusätzlich eine Hausratversicherung, darf der Kunde nicht wählen, sondern der Makler oder Berater ist an seine jeweilige Regulierungsform gebunden.

Der Versicherungsdachverband GDV macht sich dafür stark, dass Online-Vermittler von Beratungs- und Dokumentationspflichten befreit werden. Wer online eine Versicherung abschließt, wolle ohnehin keine Beratung, so lautet stark vereinfacht das Argument. Wir sehen dies kritisch: damit würde ein Vertriebsweg bevorteilt, zu Lasten der Verbraucherberatung. Wie werten Sie den Vorstoß? Er müsste in Ihrem Interesse liegen.

Lassen Sie mich zunächst aus der Rede unserer Bundeskanzlerin zur Eröffnung der CeBit am vergangenen Sonntag zitieren: „Wir haben aber auch Millionen von Menschen, die zum Teil noch nicht genau wissen, was sie erwartet und was alles Digitalisierung bedeutet. Ist das gut für meinen Arbeitsplatz oder ist das eine Gefahr für meinen Arbeitsplatz? Bin ich in der Lage, allen neuen Entwicklungen zu folgen?“ Unser Verhalten ist doch schizophren: Die Digitalisierung eröffnet uns als Verbrauchern unbestritten viele Mehrwerte und Nutzenpotenziale, die wir gerne in Anspruch nehmen. Geht es um den eigenen Beruf, stecken wir aber den Kopf in den Sand in der falschen Hoffnung, die vermeintlich „gute alte Zeit“ könne ewig fortdauern. Nur, der Wandel kommt trotzdem, und eine Zukunft habe ich nur, wenn ich die mit der neuen Zeit verbundenen Vorteile und Chancen aktiv nutze.

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Wir bei moneymeets digitalisieren die Finanzberatung, sprich aus unserer Sicht ist diese in einer hohen Qualität in digitalen Prozessen darstellbar. Und es würde, wenn ich Herr Banditt in Brandenburg wäre, für mich mehr dafür als dagegen sprechen, auch Kunden aus Berlin und München glücklich machen zu können. Das kann ich online selbst machen, oder ich kann mit Plattformbetreibern wie moneymeets kooperieren, die mir den Zugang zu digitalen Prozessen ermöglichen. Letztlich erweisen Lobby und Politik dem Versicherungsstandort einen Bärendienst, wenn sie den analogen Status quo fortzuschreiben und neue Geschäftsmodelle aufzuhalten versuchen. Denn so viel ist sicher: Die Plattformökonomie wird auch vor der Versicherungswirtschaft nicht haltmachen. Wir können das heute gemeinsam angehen, oder es morgen den Apples und Googles dieser Welt überlassen.

Die Fragen stellte Mirko Wenig

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