Eine Berufsunfähigkeitsversicherung kann im Leistungsfall auch ohne konkreten Verdacht prüfen, ob bei Vertragsabschluss falsche Angaben gemacht wurden. Der Versicherte ist dann zum Mitwirken verpflichtet. Das hat mit einem Urteil der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt und damit eine lang kontrovers diskutierte Frage abschließend beantwortet. Auf den Richterspruch macht am Montag die Kanzlei Wirth Rechtsanwälte aufmerksam (Az.: IV ZR 289/14, Urteil vom 22.02.2017).

Anzeige

Streitpunkt Schweigepflichtserklärung

Im konkreten Rechtsstreit forderten Erben nachträglich Leistungen aus einer Berufsunfähigkeits-Police für einen Kläger, der während des Revisionsverfahrens verstorben war. Der Bezirksleiter einer Bausparkasse hatte den BU-Vertrag im Jahr 2009 abgeschlossen. Bereits zwei Jahre später, im Jahr 2011, zeigte er eine Berufsunfähigkeit bei seinem Versicherer an. Aufgrund einer psychischen Erkrankung musste der Banker seinen Job aufgeben.

Der kurze Zeitraum zwischen Vertragsabschluss und Leistunganspruch ließ wiederum den Versicherer stutzig werden. Ohne dass ein konkreter Betrugsverdacht vorlag, forderte der Versicherer nun seinen Kunden auf, eine Schweigeentbindungserklärung zu unterschreiben. Das sollte es erlauben, bei Ärzten und anderen Anlaufstellen die Krankenakte des Patienten zu recherchieren. Und zwar auch daraufhin, ob im Antrag Vorerkrankungen verschwiegen oder falsche Angaben gemacht worden waren. Dem stimmte der Patient aber nicht zu.

Folglich verweigerte die Versicherung eine Auszahlung der BU-Rente, woraufhin der Erkrankte vor Gericht zog. Und dort erlitt der Mann bzw. dessen Erben eine Niederlage, nachdem der Kläger während des Prozesses verstorben war. Weil es der Versicherung nicht möglich gewesen sei, Gesundheitsdaten aus der Zeit vor dem Vertragsabschluss zu recherchieren, sei es ihr auch nicht möglich zu überprüfen, ob eine BU bereits vor Vertragsabschluss bestanden habe, so betonten die Richter im IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes. Hier sei ein Versicherungsnehmer zum Mitwirken verpflichtet.

Gesundheitsdaten müssen auch ohne konkreten Anfangsverdacht offengelegt werden

Der Versicherer müsse vorvertragliche Gesundheitsdaten auch dann erheben können, wenn kein konkreter Anfangsverdacht auf eine Obliegenheitsverletzung durch den Versicherungsnehmer vorliege, betonte der Bundesgerichtshof. Zwar dürfen Versicherer nicht unbeschränkt in der Krankengeschichte des Versicherungsnehmers forschen. Aber der Kunde muss auf Verlangen ärztliche Behandlungen und Untersuchungen offenbaren, die in die vorvertragliche Zeit fallen.

Fachanwalt für Versicherungsrecht Tobias Strübing von Wirth Rechtsanwälte erläutert dazu: "Mit diesem Urteil hat der BGH Rechtsfragen geklärt, die praktisch bei jedem Versicherungsfall in einer Berufsunfähigkeit von Bedeutung sind. Der BGH hat zwar die Rechte der Versicherungswirtschaft gestärkt, allerdings nicht einschränkungslos. Vielmehr muss weiterhin im Einzelfall geprüft werden, ob sich die jeweilige Versicherung innerhalb der BGH nun gesetzten Rahmenbedingungen bewegt hat."

Anzeige

Hintergrund des Urteils: Berufsunfähigkeitsversicherer prüfen oft erstmals im Leistungsfall, ob der Versicherte bei Vertragsabschluss richtige und vollständige Angaben machte. Mit oft verheerenden Folgen für die Betroffenen. Findet nämlich der Versicherer Umstände und Erkrankungen, die nicht wahrheitsgemäß offengelegt wurden, kann er auch Jahre später vom Vertrag zurücktreten oder ihn anfechten. Für den Kunden gibt es dann kein Geld.

Anzeige