Makler und Vertrieben werden aktuell zusehends Ihrer Zukunft beraubt. Ich rede dabei nicht von neuen Gesetzesvorhaben wie IDD2, dass die Maklerseele jüngst hochkochen ließ. Das Gesetz mag ein paar neue Unwägbarkeiten bringen und den Anspruch an Makler verschärfen, doch wird es den Maklerberuf trotz aller Aufregung nicht wirklich gefährden. Was ich meine spielt sich parallel und fast unbemerkt von den betroffenen Unternehmen ab.

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Frei zugängliche IT-Ressourcen werden weggekauft

Die letzten frei zugänglichen IT-Ressourcen der Branche werden weggekauft. Die "Fonds Finanz" hat mit Mathias Brauch einen der fähigsten Projektmanager der Branche eingekauft. Sein bisheriger Arbeitgeber wird den Weggang kaum kompensieren können; dürfte damit zu einem Übernahme-Objekt geworden sein. Bereits gekauft wurden "Innosystems" und "Maklersoftware.com". Hier hat "Hypoport" zugeschlagen: Der Konzern, der aufgrund seiner IT-Stärke bereits eine fast marktbeherrschende Stellung im Finanzierungsgeschäft freier Vermittler hat, strebt nun auch eine starke technische Positionierung im Versicherungsgeschäft an. Der britische IT-Konzern "Acturis" hat "Nafi" und "AMS" (welches zuvor seinerseits "Assfinet" aufkaufte) übernommen. Auch "blau direkt" spielt an dieser Baustelle mit; kauft jede technische Ressource mit Potential auf, derer es habhaft werden kann.

Auf den ersten Blick mag nicht jedem offenbar werden, warum die Entwicklung so bedrohlich für den freien Vertrieb ist. Die Zukunft ist digital! Schon jetzt benötigen wir im Innendienst von "blau direkt" fünfmal weniger Antragssachbearbeiter als der durchschnittliche Vergleichspool.

Der Freiraum wird genutzt, um angeschlossene Makler mit immer neuen Services zu entlasten. So wird mittlerweile fast der gesamte Innendienst des Maklers im Rahmen des Poolgeschäfts miterledigt: Datenpflege, Dokumentenarchivierung, Forderungsmanagement? Für einen "blau direkt"-Partner sind das keine Themen mehr. Er spart sich ein bis zwei Innendienstkräfte und freut sich seines Mehr-Ertrags. Das aber verschiebt die Koordinaten des Wettbewerbs. Makler, die herkömmlich arbeiten, haben weniger Zeit für Kundenakquise und -betreuung und müssen trotzdem mehr Geld verdienen, um höhere Kosten auszugleichen.

Sofort liefern - oder vom Markt verschwinden

Dabei stehen wir erst am Anfang dieser digitalen Revolution. Was die gerade in der Entstehung befindlichen Automatisierungsprojekte anbelangt, so mag sich das mancher in seinen kühnsten Träumen nicht vorstellen. Eingerahmt wird das Ganze durch immer neue Kundenservices via Apps und anderen Zugangswegen zu dem Wohlfühlbereich des Kunden. Kunden werden dadurch „instant“. Sie sind nicht mehr bereit monatelang zu warten, dass ein Bestand übertragen wird oder der Makler konkrete Auskünfte verarbeiten kann. Zunehmend wird nur der Makler bei anspruchsvollen Kunden im Geschäft bleiben, der sofort liefern kann.

Führende Vertriebe haben diese Entwicklung erkannt und sind ebenso wie "blau direkt" dabei, mit aller Macht ihre Technologieführerschaft auszubauen. Leider ist Technologie hungrig. Sie neigt dazu im Bedarf zu eskalieren. Wo du gestern noch mit 2 oder 3 Programmierern ein pfiffiges Offline-MVP zur Arbeitserleichterung basteln konntest, brauchst du heute 20 bis 30 Leute für vergleichbare Systeme. Dafür erleichtern sie die Arbeit aber nicht bloß ein bißchen, sondern ersetzen ganze Innendienstteams. Ein fairer Deal, aber er facht den Technikhunger immer weiter an.

Das hat eine unangenehme Wirkung für den freien Vertrieb. Setzen sich früher neue Technologien durch – wie etwa die Verwendung von Vergleichsrechnern –, so konnte der Makler erstmal abwarten, bis der Markt genügend Auswahl hergab. Die konnte er dann nach seinen Vorstellungen im Markt einkaufen. Heute glauben viele Makler -beispielsweise in Bezug auf die jüngst in Mode gekommenen Kunden-Apps - ähnlich agieren zu können. Doch die Entwicklung bleibt aus. Zwar werden hier und da freien Maklern Apps gegen Lizenzgebühr angeboten, doch es handelt sich dabei in der Regel um Bauernfängerei. Die App selbst mag zwar leicht einzukaufen sein. Damit das Konzept für den Makler funktioniert, benötigt er jedoch einen vollumfänglichen Datenaustausch mit seinem MVP. Wenn ihn die Arbeit nicht erschlagen soll, muss sein MVP wiederum mit der Versicherungswelt kommunizieren und Änderungswünsche des Kunden automatisiert verarbeiten. Das alles setzt eine integrierte und teure Softwarelandschaft voraus. Genau die gibt es aber nicht mehr im freien Handel zu Einzelkämpferpreisen.

IT ist DIE knappe Ressource

Längst ist aus dem Käufermarkt ein Verkäufermarkt geworden. Fast alle Makler-IT-Firmen mit ernst zu nehmendem technischen Potential wurden aufgekauft – von größeren Vertrieben oder IT-Unternehmen, die ihre Tätigkeit zunehmend auf größere Unternehmen konzentrieren.

Dabei geht es den Unternehmen nicht gezielt um die Ausschaltung kleinerer Vertriebe oder Makler. Sie sind Kollateralschäden. Es lohnt sich schlicht und ergreifend nicht, mit jedem Kleinmakler seine technischen Probleme durchzudiskutieren, ihm Grundlagenwissen zu vermitteln, um am Ende Kleinstbeiträge zu inkassieren. Und selbst wenn es sich lohnen würde: IT ist DIE knappe Ressource. Die benötigt man selbst; alles davon. Denn wer nicht schnell genug entwickeln kann, wird schon sehr bald vom Markt abgehängt. Deswegen konzentriert man seine wertvollste Ressource voll auf das eigene Geschäftsmodell. Wegen ein paar Euro Lizenzeinnahmen, riskiert man nicht seine Unternehmenszukunft.

Kleine Vertriebe und Einzelkämpfer werden nicht mehr allein bestehen können

Meine Vorhersage lautet: Innerhalb der nächsten 3 Jahre werden nahezu alle kleineren Vertriebe und Maklergruppierungen – Einzelkämpfer ohnehin – nicht mehr allein bestehen können. Sie werden sich Vertrieben, Pools oder ähnlichen Gebilden anschließen müssen um Zugang zu den notwendigen Vermittlertechnologien zu erhalten. Was den Markt bei den kleinen bereinigt, wird aber auch den Gesamtmarkt umwälzen, denn Größe allein schützt nicht. Wer seine Ressourcen nicht bereits zusammengekauft hat, kommt definitiv zu spät.

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Wo Vertriebe, Pools oder auch Versicherer heute vor Selbstsicherheit strotzend in aller Seelenruhe Verhandlungen führen und über Digitalisierungsbedarf trefflich in Arbeitsgruppen streiten, sind andere längst im Ausbau ihrer bereits begonnenen Umsetzungen. Die Zauderer werden sich in 3 Jahren scheinbar plötzlich auf dem Abstellgleis wiederfinden und bei ihren dynamischeren Wettbewerbern eine Teilhabe an der Technologie erbetteln müssen. Das ist der Nachteil eines Verkäufermarkts, in dem wenige die überlebensnotwendigen Ressourcen besitzen. Für alle anderen heißt es: Friss oder stirb.

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