Ein Gastbeitrag von Kristin Rockendorf

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Laut Statistischem Jahrbuch des GDV haben rund 12,9 Millionen Bundesbürger eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) abgeschlossen. Damit verfügt nur ein Bruchteil der Erwerbstätigen in Deutschland über einen entsprechenden Schutz – obwohl ihn selbst Verbraucherschützer für unverzichtbar halten.

Kristin Rockendorf ist Bereichsleiterin Leben des Leipziger Maklerpools Invers GmbH

Doch vor dem Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung sollten Kunden sowie Vermittler nicht nur auf den Preis und Rating schauen. Hier gilt es viel tiefer in die Materie einzutauchen.

Die 11 wichtigsten Punkte zur Berufsunfähigkeitsversicherung

  • Kunden sollten eine Berufsunfähigkeitsversicherung niemals ohne persönliche Beratung und schon gar nicht im Internet abschließen. Dieser Hinweis gilt im Übrigen für alle Versicherungen, Altersvorsorgeverträge, Geldanlagen, Bauspar- und Finanzierungsverträge. Die "Selbstvermittlung" im Internet führt schnell dazu, dass im Schadenfall trotz Beitragszahlung keine Leistung erbracht wird oder viel Geld verloren geht.
  • Es sollte möglichst eine selbständige Berufsunfähigkeitsversicherungen (SBU) gewählt werden, damit die Flexibilität erhalten bleibt. Koppelverträge führen fast immer dazu, dass der Kunde den BU-Schutz verliert, wenn er die Hauptversicherung nicht mehr bezahlen kann - so etwa bei einer Rentenversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung.

  • Der wichtigste Teil einer SBU sind die Versicherungsbedingungen. Hier ist beschrieben welche Leistungen der Vertrag beinhaltet. Wichtig sind zum Beispiel folgende Leistungspunkte (nicht abschließend):
    • Wie wird der Leistungsfall genau definiert?
    • Wo gilt der Versicherungsschutz?
    • Wann beginnt die Leistung?
    • Welche Kriterien müssen während des Leistungsbezugs erfüllt werden?
    • Welche Regelungen gelten zur konkreten und abstrakten Verweisung?
    • Wie sind die Regelungen zur Umorganisation des Arbeitsplatzes?
    • Wie und in welchem Umfang erfolgen die Erst- und Folgeprüfung?
    • Ist eine Dynamik während des Leistungsbezuges mindestens in Höhe der durchschnittlichen Inflationsrate vereinbart?
    • Wann endet die Leistung?
    • Welche Obliegenheiten bestehen?
    • etc.

Zuerst sollte also stets ein Leistungs- beziehungsweise Bedingungsvergleich durchgeführt werden und der Anbieter mit dem besten Leistungsspektrum gewählt werden. Erst dann, wenn zum Beispiel zwei oder drei Anbieter mit 100 Prozent identischer Leistung tatsächlich gemeinsam an der Leistungsspitze stehen würden, wäre ein Preisvergleich unter genau diesen Anbietern sinnvoll.

Es dürfen, auch bei der Verwendung von Vergleichsprogrammen, nur wirklich identische Leistungsmerkmale verglichen werden. Dazu ist es erforderlich, sich mit den einzelnen Merkmalen zu beschäftigen. Haben einzelne Tarife fünf Sterne, Punkte, AAA Ratings oder ähnliches, heißt das nicht zwingend, dass diese Produkte gleichwertig sind.

  • Beschreiben Sie bei Antragsaufnahme zu einer SBU die derzeit ausgeübte Tätigkeit der versicherten Person peinlich genau. Oft ist es mit einer einfachen Berufsbezeichnung nicht getan. Ein typisches Beispiel ist der angestellte Maler, der aber auch Teppichboden verlegt und gelegentlich Fliesenlegerarbeiten ausführt.
  • Auch sollte die Angabe relevanter Hobbies im Antrag nicht vergessen werden. Die Versicherer arbeiten hier immer öfter mit Beitragszuschlägen - auch bei vermeintlich ungefährlichen Aktivitäten - und prüfen im Leistungsfall ganz genau. Beispiel Reitsport: Wurde das Risiko angegeben? Wenn ja, trat das für die BU ursächliche Ereignis wie angegeben in der Reithalle oder doch im freien Gelände auf?
  • Die Höhe der Leistung (Rente) muss ausreichend sein. SBU-Renten unterhalb des Grundsicherungssatzes machen selten Sinn.
  • Achten Sie auf die Art des Beitrages. Die meisten Tarife unterteilen sich in einen Brutto-Beitrag und den Netto-Beitrag (tatsächlicher Zahlbeitrag). In diesen Fällen ist nur der Bruttobeitrag halbwegs garantiert. Aber auch der Bruttobeitrag kann sich unter bestimmten Voraussetzungen erhöhen (VVG §163 / VAG §314). Versicherer können nur auf das Recht der Erhöhung nach VVG §163 verzichten. In diesen Fällen sollten man sich schriftlich bestätigen lassen, dass der Verzicht auf Anwendung VVG §163 vom Versicherer unbegrenzt rückversichert wurde. Andere Tarife (noch wenige) kennen keine Unterteilung in Brutto- und Nettobeitrag, mithin ist dort Brutto gleich Netto. Die Beitragssicherheit ist hier für die Kunden höher, dennoch gilt das vorstehend zum Bruttobeitrag geschriebene. Wenn also ein Beitragsvergleich stattfindet, so ist zuallererst der Bruttobeitrag zu vergleichen und erst dann der nicht garantierte Nettobeitrag (siehe aber vorher unbedingt Punkt 3.).
  • Berücksichtigen Sie bei der Auswahl auch Ihre eigenen Erfahrungen hinsichtlich des Leistungsverhaltens der Versicherer im Versicherungsfall. Die in den Medien kursierende Quoten von Versicherern im Leistungsfall sind wenig aussagekräftig. Oft wird nicht berücksichtigt, wie die Quotierung tatsächlich erfolgt und ab wann ein Versicherer einen Fall als tatsächlichen Leistungsfall registriert.
  • Achten Sie auf die im Antrag gestellten Gesundheitsfragen. Sind diese offen oder geschlossen und damit möglichst auslegungsfrei formuliert? Ein Beispiel einer offenen Frage: "Leiden oder litten Sie in den letzten 5 Jahren an gesundheitlichen Störungen?". Beispiel einer geschlossenen Frage: "Wurde bei der versicherten Person in den letzten 5 Jahren eine der nachfolgenden Krankheiten ärztlich festgestellt: Herzinfarkt, Schlaganfall, bösartiges Krebsgeschwür?". Wie eine Gesundheitsfrage gestellt und beantwortet wurde, wird im Leistungsfall entscheidend sein. Achten Sie auf die Rückfragezeiträume. Kürzere Rückfragezeiträume sind stets besser. Die Beantwortung der Gesundheitsfragen muss wahrheitsgemäß und ausführlich erfolgen. Der Versicherer kann bei falschen Angaben die Leistung verweigern und/oder vom Vertrag zurücktreten.
  • Zu jeder BU-Versicherung empfiehlt sich eine Rechtsschutzversicherung, insofern diese noch nicht vorhanden sein sollte. Diese ist wichtig, um einen Leistungsanspruch im Streitfall durchsetzen zu können. Auch eine ergänzende Krankentagegeldversicherung macht fast immer Sinn. Berufsunfähigkeitsversicherung und Rechtsschutzversicherung sollten nicht beim gleichen Anbieter platziert werden.
  • Vergessen Sie die Beratungsdokumentation und den zu erteilenden Rat nicht! Nur ein kleines Beispiel: Der Versicherungsmakler empfiehlt eine Leistungsdauer bis zum Beginn des Regelrentenalters, der Kunde wünscht aber eine Absicherung nur bis zum 55. Lebensjahr. So etwas muss zwingend in die Dokumentation aufgenommen werden. Gleiches gilt etwa in Bezug auf die Höhe der zu versichernden Berufsunfähigkeits-Rente oder wenn der Kunde gegen den Rat des Vermittlers statt eines Hochleistungsanbieters einen "Billig-Tarif" mit unzureichenden Leistungen wünscht.

Berufsunfähigkeitsversicherungen - Was es noch zu beachten gibt

Die vorgenannten Punkte sind nur grundsätzliche, nicht abschließende Hinweise. Diese Hinweise sollen vor allem verdeutlichen, dass der Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung ohne persönliche Beratung wenig sinnvoll ist. Stets ist die Beratung auf den jeweiligen Fall der zu versichernden Person und deren besondere Umstände abzustellen.

Ist die versicherte Person krank und kann keine SBU erhalten, so kann in diesem Fall auch ein Kopplungsvertrag sinnvoll sein, wenn die zu versichernde Person darüber eine BUZ-Rente in ausreichender Höhe und ohne Leistungsausschlüsse erhalten kann.

Berufsunfähigkeitsversicherung - Wenn die Annahme des Antrages scheitert

Ist aufgrund Ablehnung der Versicherer wegen gesundheitlicher Probleme der zu versichernden Person kein Schutz durch eine Berufsunfähigkeitsversicherung möglich, so muss eine Anschlussberatung bei weiteren Anbietern erfolgen.

Scheitert auch das, so muss eine Anschlussberatung zu den jeweils nächstbesten Alternativprodukten erfolgen. Dies können - je nach Einzelfall - eine Erwerbsunfähigkeitsversicherung, eine Dread Disease Versicherung, eine Multifunktionspolice oder eine Grundfähigkeitsversicherung sein. Geht auch das nicht, so sollte zumindest zu einer Erhöhung der Invaliditätssumme in der Unfallversicherung beraten werden. Als letzte Möglichkeit bleibt eine Unfallversicherung ohne Gesundheitsfragen.

Berufsunfähigkeitsversicherungen - Über die Annahme des Antrages entscheiden allein die Versicherer

Die Feststellung, ob ein Kunde eine SBU aufgrund seines Gesundheitszustandes bekommen kann oder nicht, sollten Vermittler immer die Versicherer treffen lassen. Ist ein Leistungsfall eingetreten, für den kein Versicherungsschutz besteht, unternehmen Kunden immer öfter den Versuch ihre Vermittler wegen Versäumnisse ihrer Beratungspflichten in Anspruch zu nehmen.

Die Anwälte der Kunden versuchen in solchen Fällen regelmäßig nachzuweisen, dass der fehlende Versicherungsschutz (oder Alternativen dazu) doch erhältlich gewesen wäre.

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Berufsunfähigkeitsversicherungen - Welche Rolle spielt die Finanzkraft des Versicherers?

Ob die finanzielle Leistungsfähigkeit der Versicherer bei biometrischen Risiken (zum Beispiel SBU oder auch reine Risiko-LV) in einen Vergleich einbezogen werden soll, dies muss jeder Versicherungsvermittler oder Versicherungsberater für sich selbst entscheiden. Invers selbst ist der Meinung, dass es eher eine untergeordnete Rolle spielt, wenn Policen vermittelt werden, die nur einen Bruttobeitrag kennen und wenn gleichzeitig eine Rechtsschutzversicherung zur Durchsetzung von Leistungsansprüchen besteht.

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