SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach will die Überleitung von einer Beamten- zur Bürgerversicherung in das Wahlprogramm seiner Partei aufnehmen. „Die Zeit ist reif für eine geordnete Einführung der Bürgerversicherung, die von den meisten Bürgern auch gewünscht wird“, so sagte Lauterbach gestern gegenüber Pressevertretern des Redaktionsnetzwerkes Deutschland. Der Plan einer Bürgerversicherung könne neben einer gerechten Rente und gerechter Bildung eines der zentralen und positiven Vorhaben für Rot-Rot-Grün sein, erklärte Lauterbach weiter.

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Bertelsmann-Stiftung fordert Abschaffung des Beamtenprivilegs in der PKV

Anlass für den Vorstoß von Lauterbach ist eine am Dienstag veröffentlichte Studie der Bertelsmann-Stiftung, die eine Abschaffung des Beamtenprivilegs in der privaten Krankenversicherung fordert. Über die sogenannte Beihilfe übernimmt der Staat die Hälfte der Arzt- oder Krankenhauskosten von Beamten, bei Pensionären sind es sogar 70 Prozent - je nach Familiensituation sowie Bundes- und Landesrecht. Die Beihilfe finanziert der Steuerzahler.

Doch die Ausgaben für Beihilfen drohen laut Bertelsmann-Studie in den kommenden Jahren zu explodieren, weil die Beamten immer älter werden und folglich höhere Gesundheitskosten erzeugen. Wären Beamte stattdessen gezwungen sich gesetzlich zu versichern, könnten Bund und Länder bis zum Jahr 2030 circa 60 Milliarden Euro einsparen, so die Bertelsmann-Stiftung. Knapp die Hälfte der rund 8,8 Millionen Privatversicherten sind Beamte mit Anrecht auf Beihilfe (der Versicherungsbote berichtete).

Hier hofft Lauterbach, mit dem Angriff aufs Beamtenprivileg in der Bundestagswahl 2017 punkten zu können. Auch wenn die große Koalition mit den Unionsparteien fortgesetzt werde, werde er auf einen Wegfall der Beamten-Beihilfe bestehen, sagte der Gesundheitsökonom. „Wir könnten damit auf einen Schlag das Rentenniveau der gesetzlich Versicherten stabilisieren“.

SPD will Bürgerversicherung stufenweise einführen

Die SPD will eine Bürgerversicherung laut „Berliner Zeitung“ nicht auf einen Rutsch, sondern stufenweise einführen (der Versicherungsbote berichtete). Die private Krankenversicherung soll nicht abgeschafft, dafür aber an das System der Gesetzlichen Krankenkassen angeglichen werden, wie ein Papier der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung zeigt.

Laut dem Papier soll die Vergütung von Ärzten unabhängig vom Status des Patienten erfolgen, so dass Ärzte für Privatpatienten keine höhere Gebühr mehr abrechnen können. Ob gesetzlich oder privat versichert, das soll beim Entgelt des Arztes künftig egal sein. Auch Beamte, so der Plan der Stiftung, sollen künftig ohne Nachteile in die GKV eintreten können. Bisher ist Staatsdienern der Beitritt zur GKV praktisch verwehrt, weil der Staat als Dienstherr keinen Arbeitgeberzuschuss für gesetzlich versicherte Beamten zahlt.

PKV-Verband kritisiert Bertelsmann-Studie scharf

Derweil übt der PKV-Verband scharfe Kritik an der Studie der Bertelsmann-Stiftung, wonach Bund und Länder Milliarden einsparen können, wenn Beamte in die gesetzliche Krankenversicherung gezwungen werden. „Die Annahmen der Studie sind willkürlich und unrealistisch gewählt, die rechtlichen Fragen komplett ausgeklammert“ erklärte Verbandschef Volker Leienbach laut Pressemeldung. Und weiter: „Niemandem würde geholfen, es gäbe Mehrbelastungen auf allen Ebenen, die Versorgung würde schlechter.“

Verfassungsrechtliche Fragen, ob Beamte einfach so in die Krankenkassen gezwungen werden könnten, hätte die Bertelsmann-Studie gar nicht erst geprüft, gibt Leienbach zu bedenken. Auch die Zahlen von Bertelsmann würden „nicht tragfähig“ sein, weil wesentliche Kostenfaktoren einer GKV-Pflichtversicherung keine Berücksichtigung fänden.

Eine GKV-Pflicht für Beamte würde „milliardenschwere Verluste für Arztpraxen ebenso wie Hebammen, Physiotherapeuten und viele andere Gesundheitsberufe bringen. Schon ab dem ersten Jahr sollen sie 6,1 Milliarden Euro einbüßen – wodurch im Ergebnis die Infrastruktur und die medizinische Versorgungsqualität für alle Patienten verschlechtert würden.“

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„Die Bertelsmann-Vorschläge brächten eine soziale Umverteilung von unten nach oben, indem die bisher von allen Steuerzahlern finanzierten Beihilfeausgaben auf die schmalere Basis der GKV-Beitragszahler verlagert würden“, so Leienbach weiter. Sein Fazit: „Eine solche ‚Studie‘ ist auf Sand gebaut und kann schon im Ansatz nicht ernst genommen werden.“

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