Herr Sittek, Sie standen kürzlich mit IDnow vor Gericht. Der Gegner war die Deutsche Post. Wie fühlt es sich an, mit einem Startup gegen einen Dax-Konzern anzutreten?

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Im Grunde waren wir davon ziemlich unbeeindruckt. Die von der Post eingereichte einstweilige Verfügung war so realitätsfern, dass wir keine Zweifel an der Durchsetzung unseres Widerspruchs hatten. Das sah der Richter des Landgerichts Köln genauso, so dass das Ergebnis entsprechend positiv für uns ausgefallen ist.

Sind Sie zufrieden mit dem Ausgang des Verfahrens?

Die Post hat auf Anraten des Richters ihre einstweilige Verfügung zurückgezogen. Das war natürlich genau in unserem Sinne. Im Nachgang gab es dann viele Glückwünsche und Sympathiebekundungen aus dem Markt, weil die Post wohl schon einigen Unternehmen auf die Füße getreten ist. Eigentlich sehr schade, dass sie ein solches Vorgehen scheinbar nötig hat. Sinnvoller wäre es meines Erachtens Lösungen an den Markt zu bringen, die solche Maßnahmen nicht brauchen. Wir fahren mit dem Ansatz besser, uns auf die Entwicklung und Optimierung unserer eigenen Produkte und Serviceleistungen in Richtung auf den Kunden zu konzentrieren.

Sie bieten einen Service an, bei dem sich Verbraucher per Video-Ident ihre Identität bestätigen lassen können. Das ist insbesondere dann notwendig, wenn Verträge rechtssicher unterzeichnet werden müssen. Im Bereich der Versicherungswirtschaft haben viele Unternehmen beziehungsweise Vertriebe schon die digitale Unterschrift probiert. Doch auch hier gab es rechtliche Debatten. Was unterscheidet das Video-Ident-Verfahren rechtlich von der digitalen Unterschrift?

Auch wenn wir die Video-Identifikation als Basis für eine Vertragszeichnung nutzen, so ist diese rein rechtlich natürlich noch keine Signatur. Die Video-Identifikation wurde 2014 von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) offiziell als Verfahren zur rechtskonformen Fernidentifizierung nach dem Geldwäschegesetz (GwG) zugelassen. Unter Berücksichtigung aller vorgeschriebenen Sicherheitsvorkehrungen bieten wir eine GwG-konforme Video-Identifikations-Lösung an.

Zu den Sicherheitsvorkehrungen gehören zum Beispiel Ausbildung, Qualifikation und ergänzende Anforderungen an die Mitarbeiter, die eine Identifikation durchführen. Der komplette Identifizierungsprozess folgt einem vorgegebenen Ablauf und kann akustisch aufgezeichnet werden. Außerdem existieren technische und prozessuale Vorgaben an die Sicherheit, wie etwa die Beschaffenheit der Räume und Zugangskontrollen. Es handelt sich um einen umfangreichen Katalog an rechtlichen Anforderungen, die unsere Lösung im vollen Umfang erfüllt. Die Video-Identifikation haben wir im Oktober letzten Jahres um eine elektronische Signatur ergänzt. Durch diese Erweiterung lassen sich mit unserer Lösung auch Verträge zeichnen. Seit April dieses Jahres bieten wir außerdem eine qualifizierte elektronische Signatur an, kurz QES. Sie entspricht einer handschriftlichen Unterschrift und kann für nahezu alle Verträge eingesetzt werden.

Der Prozess, in dem die Video-Identifikation stattfindet, wird dadurch lediglich um einige Sekunden verlängert. Da die QES ohne zusätzliche Hardware auskommt, ist sie ortunabhängig und sehr bequem überall einsetzbar. Ein weiterer Unterschied zur hier angesprochenen digitalen Unterschrift ist ihre Rechtssicherheit. Die QES besitzt das höchste Level und kann daher auch für kapitalbildende Versicherungen oder Vollmachten verwendet werden. Außerdem ist sie Dank der neuen EU-Verordnung eIDAS in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gültig.

Warum ist die digitale Unterschrift ein Auslaufmodell?

Traditionelle digitale Unterschriftsverfahren, die Hardware, wie beispielsweise Chipkarte und Kartenlesegerät oder Unterschriften-Pad erfordern, sind nicht mehr zeitgemäß. Sie schränken den Nutzer ein und verursachen bei ihm oder dem Anbieter zusätzliche Kosten. Außerdem widersprechen sie dem volldigitalen Lösungsansatz. Die Zukunft gehört eindeutig den serverbasierten elektronischen Unterschrift-Lösungen. Hierbei ist keine zusätzliche Hardware notwendig und Zeichnungen können rechtskonform nahezu an jedem Ort und zu jederzeit durchgeführt werden.

Genau da setzen wir an. Es bedarf der Möglichkeit, Verträge innerhalb eines Video-Chats mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu unterzeichnen. Das geht ganz einfach per Smartphone oder Desktop-Browser. Eine vorherige Anmeldung oder Vorbereitung ist nicht notwendig. Der Prozess dauert weniger als fünf Minuten. Er räumt dem Anwender sehr viel Flexibilität ein, denn er ist fast jederzeit und an jedem Ort mit jedem Smartphone möglich, das unter iOS oder Android läuft.

Wie sehen Sie Ihre Chancen im Segment Finanzdienstleistung - hier konkret im Bereich der Versicherung? Wie schnell wollen Sie den Markt erobern?

Die Finanzbranche setzt seit Jahren auf unsere patentierte Video-Identifikations-Lösung und auch auf IDnow eSign. Hier sind wir bei allen Banken im Einsatz, die einen sehr hohen Wert auf ihren Kundenservice legen. Belohnt wird das mit nachgewiesenen Steigerungen der Konversionsraten von bis zu 50 Prozent.

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Die Versicherungsbranche liegt in dieser Hinsicht noch zurück. Dabei gibt es viele Bereiche in der Assekuranz, für die eine Video-Identifizierung die perfekte Lösung zur Optimierung der Konversionsrate wäre. Bei Patientenportalen etwa reicht eine einfache Video-Identifizierung, um dem Kunden einen direkten Zugang ohne langwierige PIN-Brief-Zusendung zu ermöglichen. Renten- oder Risikoversicherungen sind da etwas sensibler und erfordern eine GwG-konforme Kundenlegitimation und eine elektronische Signatur per QES. Wenn sich die Unternehmen im Versicherungs- und Healthcare-Bereich für diesen Conversion-treibenden Prozessschritt entscheiden, wird es einen ähnlichen Boom geben wie bei den Finanzinstituten.

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