Die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) plädiert in einem Gutachten dafür, allen Flüchtlingen Hartz IV auszuzahlen und damit das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) abzuschaffen. Damit könne man „einen erheblichen Bürokratieaufwand“ einsparen, argumentieren die Migrationsforscher Hannes Schammann und der Integrationsbeauftragte Boris Kühn in dem Gutachten. Auf die Veröffentlichung macht heute die Deutsche Presse-Agentur aufmerksam.

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Asylbewerberleistungsgesetz: Mehr Bürokratie durch verschärfte Regeln

Dem Asylbewerberleistungsgesetz stellen die Forscher ein schlechtes Zeugnis aus. 1993 in Kraft getreten, wurde es im Zuge der Flüchtlingskrise im Juli 2016 letztmalig überarbeitet. Das Gesetz bewirkt unter anderem, dass Flüchtlinge in den ersten Monaten ihres Deutschland-Aufenthaltes Anspruch auf geringere Leistungen haben als Hartz IV-Empfänger.

Beispiel Gesundheitsversorgung: in den ersten 15 Monaten steht Flüchtlingen nur „die Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände“ zu. Ein Anrecht auf psychologische Betreuung, derer viele Flüchtlinge infolge der Kriegserfahrungen bedürfen, haben sie hingegen nicht.

Seit dem Sommer haben die Kommunen zudem weitgehende Befugnisse, Leistungen an Asylbewerber weiter einzuschränken. Wenn sie zum Beispiel eine Arbeitsgelegenheit ablehnen, können die Leistungen auf das Notwendigste (Unterkunft und Versorgung) zusammengestrichen werden.

Doch was bewirken die Verschärfungen des Asylbewerberleistungsgesetzes? Nach Ansicht der Forscher vor allem: einen höheren Aufwand und mehr Bürokratie. Und ein Bedarf nach mehr Sachbearbeitern, die sich um die Anliegen der Flüchtlinge kümmern müssen. Im Gutachten ist von „symbolischen Regelungen“ die Rede, welche auf ihre Tauglichkeit hin untersucht werden sollten.

Im Gutachten heißt es: „Selbst bundesgesetzliche Regelungen, die während der „Flüchtlingskrise“ des Jahres 2015/16 erlassen wurden und eigentlich das Ziel einer Beschleunigung bürokratischer Vorgänge hatten, haben eher für steigende Komplexität bei der Aufgabenwahrnehmung vor Ort gesorgt. Beispielsweise bedeutet die Verkürzung der maximalen Geltungsdauer einer Duldung von sechs auf drei Monate (§ 60a Abs. 1 AufenthG) in der Praxis, dass bei langfristig Geduldeten doppelt so viele Vorsprachen anfallen müssten.“

„Höhe der Leistungen liegen nur unwesentlich unter den Hartz IV-Sätzen“

Hinzu kommt der Umstand, dass die Leistungen, auf die Asylbewerber Anrecht haben, ohnehin „nur unwesentlich unter den Sätzen im SGB“ (Sozialgesetzbuch) liegen, wie die Autoren argumentieren. Das Sozialgesetzbuch regelt die Höhe der Sätze des Arbeitslosengeldes II (Hartz IV) und der Sozialhilfe. Ursache für die recht hohen Ansprüche der Asylbewerber ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2012, das die bis dato deutlich niedrigeren Bezüge für Asylbewerber als Verstoß gegen die Verfassung wertete. Die niedrigen Bezüge seien vor allem zur Abschreckung gedacht gewesen, könnten aber die Menschenwürde nicht garantieren, so entschieden die Richter vor vier Jahren (BVerfGE, 18.7.2012-1 BvL10/10 und BvL 2/11).

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Warum also den Asylbewerbern nicht gleich Hartz IV auszahlen? Man müsste die Leistungen kaum erhöhen und würde bei der Bürokratie deutlich einsparen, argumentiert die Friedrich-Ebert-Stiftung. Bisher haben Flüchtlinge Anrecht auf Hartz IV und Sozialhilfe (SGB II und SGB XII), wenn ihnen ein Schutzstatus zugestanden wurde. Damit geht auch die Zuständigkeit von den Sozialämtern auf die Jobcenter über. Doch in der derzeit aufgeheizten Stimmung dürfte die Forderung ohnehin keine politische Mehrheit finden.

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