Es ist ein Fakt: Jeder vierte Bundesbürger schafft es nicht bis zur Rente, sondern scheidet aufgrund einer Krankheit oder eines Unfalls vorzeitig aus dem Berufsleben aus, so berichtet die Deutsche Rentenversicherung. Der Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung ist entsprechend wichtig. Ohne Schutz droht die Armutsfalle. Mehr als jeder Dritte, der seinen Job vorzeitig aufgeben muss, ist unmittelbar von Armut bedroht, wie ebenfalls aus Erhebungen der DRV hervorgeht.

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Das Problem: Wer in einem Risikoberuf seine Arbeitskraft absichern will, schaut oft in die Röhre, denn die BU-Versicherer sieben Beschäftigte mit hoher Krankheits- und Unfallwahrscheinlichkeit gnadenlos aus. Risikoberufe wie Dachdecker oder Gerüstbauer werden mit saftigen Aufschlägen bestraft, die eine Absicherung unerschwinglich werden lassen. Kann sich ein Notar schon ab 34 Euro Monatsbeitrag gegen BU versichern, wie ein Tarifvergleich von Versicherungsbote zeigt, müssen Kraftfahrer schon mindestens 150 Euro für eine BU-Rente von 1.000 Euro monatlich zahlen. Der BU-Schutz: Im Zweifel unerschwinglich.

BdV und Verbraucherzentrale fordern leichteren Zugang

Diese Ausgangssituation ist Anlass für den Bund der Versicherten (BdV) und die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, mit einem gemeinsamen Positionspapier erneut eine „Arbeitskraftabsicherung für jedermann“ zu fordern. Bereits vor einem Jahr hatte man einen ähnlichen Vorstoß gewagt (der Versicherungsbote berichtete).

„Das bestehende Modell der privaten Vorsorge hat sich für viele Berufstätige als untauglich erwiesen und muss dringend reformiert werden“, erläutert Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. „Jeder potenziell Betroffene sollte ein Anrecht auf eine ausreichende Rente bei Verlust seiner Arbeitskraft haben.“ Häufig verhindern Vorerkrankung, das Berufsbild, das Alter oder ein viel zu hoher Beitrag den Abschluss, klagt Schuldzinski. Folgene Forderungen beinhaltet das Positionspapier:

  1. Zugangserleichterungen zur privaten Absicherung: Grundvoraussetzung für einen besseren Schutz sei ein leichterer Zugang zu Berufsunfähigkeits-Policen, argumentieren die beiden Verbraucherorganisationen. Die Versicherer sollen künftig bestimmte Vorerkrankungen wie Diabetes oder psychische Erkrankungen nicht mehr komplett vom Versicherungsschutz ausschließen dürfen. Zudem sollen die Berufsgruppen größer gefasst werden, damit über größere Kollektive ein besserer Risikoausgleich entstehe. Als Mindestschutz wird eine Rente deutlich oberhalb der Grundsicherung von bis zu 1.500 Euro vorgeschlagen. Auch die Gesundheitsfragen sollen vereinfacht werden, etwa nach dem Vorbild der betrieblichen Vorsorge.

  2. Umfangreiche Unterstützung der Versicherten bei Antragstellung und Leistungsforderung: Die beiden Verbraucherorganisationen kritisieren ein „massives Ungleichgewicht zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer“, dass dazu führen könne, den Anspruchsberechtigten ihre BU-Rente zu Unrecht zu verweigern. Abhilfe sollen „flächendeckende, unabhängige und professionelle Beratungsangebote“ bringen. So sollen die Versicherten schon bei der Antragstellung und der Beantwortung der Gesundheitsfragen umfassend beraten werden. Aber auch, wenn sie Leistungen einfordern, etwa bei der Beantragung der Rente oder in Form einer Prozesskostenhilfe bei Streitigkeiten mit der Versicherung.

    Darüber hinaus sollen die Versicherer ihren Kunden im Leistungsfall verbesserte Möglichkeiten zur Nachprüfung und Nachforderung einräumen. Die Anbieter sollen hierbei rechtlich verpflichtet werden, den Versicherungskunden vor der Anfechtung beziehungsweise vor dem Rücktritt von einem Vertrag sowie vor einer Vertragsanpassung zunächst Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

  3. Mehr Transparenz durch Offenlegung der Datengrundlage: Es gebe keine öffentlich zugängliche ausreichende Datengrundlage zur Kalkulation der privaten Arbeitskraftabsicherung, klagen die Verbände. Deshalb sei die Offenlegung der Kalkulations- und Rechnungsgrundlagen sowie die Zusammenführung der Daten der privaten Versicherer mit denen der gesetzlichen Rentenversicherung notwendig. Die Versicherer sollen transparent darlegen, wie sie die BU-Prämien für bestimmte Risikogruppen kalkulieren und welche Anträge auf BU-Schutz sie mit welcher Begründung ablehnen. Prozessquote, Schadensquote und Ablehnungsquote aus dem Versicherungsgeschäft soll jedes Unternehmen veröffentlichen müssen.

Allen Zugang ermöglichen, Fehlentwicklungen entgegenwirken

"Politik, Versicherungswirtschaft und die BaFin sind gefordert, allen einen erleichterten Zugang zur privaten qualifizierten Arbeitskraftabsicherungen zu ermöglichen und ihnen hierbei eine fachliche Unterstützung bei Vertragsschluss und der Leistungsstellung – falls nötig gesetzlich – fest zur Seite zu stellen", heißt es im Positionspapier von BdV und Verbraucherzentrale NRW. Die notwendige Transparenz beim Datenbestand helfe zudem Interessen- und Schutzverbänden, Fehlentwicklungen bei den Produkten zur Arbeitskraftabsicherung zu erkennen und notfalls Korrekturen zu fordern.

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Wie realistisch sind die Forderungen? Ein erleichterter Zugang zum BU-Schutz unter Einschluss von Vorerkrankungen birgt die Gefahr, dass sich die potentielle Kunden erst dann um eine Absicherung bemühen, wenn sich eine Berufsunfähigkeit bereits andeutet. Hier müssten entsprechende Vorkehrungen getroffen werden. Auch die Offenlegung der Kalkulationsgrundlage dürfte scheitern - daran, dass damit auch Geschäftsgeheimnisse der Versicherer verletzt werden dürften, die der Konkurrenz Einblick in sensible Unternehmensdaten erlauben. Als Diskussionsgrundlage, um der Rosinenpickerei der Versicherer einen Riegel vorzuschieben, ist das Positionspapier zumindest ein Anfang.

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