Es ist eine oft gehörte Klage, dass die Vertragsbedingungen von Versicherern intransparent seien – zulasten des Kunden. Dass unklare Formulierungen auch dem Anbieter selbst ein Bein stellen können, zeigt ein Urteil des Oberlandesgerichtes Karlsruhe, von dem die Kanzlei Wirth Rechtsanwälte berichtet. Demnach wurde ein BU-Versicherer zur Zahlung einer Rente verpflichtet, obwohl der Empfänger wegen Betruges im Gefängnis einsaß. Der Grund für das Urteil: Die Ausschlüsse im Vertrag waren untypisch und mehrdeutig auslegbar (Urteil vom 03.03.2016, 12 U 5/15).

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Berufsunfähigkeit aufgrund Gefängnisstrafe?

Im verhandelten Rechtsstreit war der Kläger und Versicherungsnehmer in gehobener Position als Finanzberater tätig. In dieser Tätigkeit hatte er einen Kunden um mehrere hunderttausend Euro erleichtert, weshalb der Mann im Winter 2008 eine zweieinhalbjährige Rechtsstrafe antreten musste.

Bereits zwischen der ersten Hausdurchsuchung und der Inhaftierung begab er sich, geschockt durch die Ereignisse, in psychologische Behandlung. Zunächst diagnostizierte sein Therapeut eine leichte Anpassungsstörung, die sich infolge der Inhaftierung aber weiter verschlimmerte. Sein Leiden verfestigte sich zu einer schwerwiegenden psychischen Erkrankung, bis heute kann er keinen Beruf ausüben.

Hinzu kam, dass der Mann seinen Versicherungsvertrag bereits zum 30.02.2009 gekündigt hatte. Er musste also beweisen, dass bereits vor diesem Zeitpunkt alle Leistungsvoraussetzungen vorlagen, um eine BU-Rente zu erhalten, dass insbesondere eine sogenannte schlechte Prognose der Krankheit vorgelegen habe. Diesen Beweis konnte der Mann nicht führen. Die Versicherung lehnte die begehrte Rente ab und der Kunde klagte.

Oberlandesgericht revidiert Urteil der Vorinstanz

Das Landgericht hatte die Klage des unglücklichen Mannes noch abgewiesen. Es beharrte darauf, dass der Versicherer schon aufgrund der Inhaftierung leistungsfrei sei. Nach Rechtsauffassung des Landgerichtes führte die Gefängnisstrafe des Klägers zu seiner Berufsunfähigkeit und nicht die bereits vorher auftretende psychische Erkrankung.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe kassierte das Urteil der Vorinstanz und verurteilte die Versicherung zur Zahlung der vollen BU-Rente. Hier kommen nun die intransparenten Vertragsbedingungen des Versicherers ins Spiel. Die Richter stellten zunächst fest, dass es in diesem besonderen Fall gar nicht darauf ankam, ob bis zur Vertragsauflösung am 30.3.2009 eine schlechte Gesundheitsprognose gestellt werden konnte. Vielmehr seien die Versicherungsbedingungen mehrdeutig interpretierbar. Hier müsse im Sinne des Kunden das für den Versicherungsnehmer günstigste Auslegungsergebnis akzeptiert werden.

Mehrdeutigkeit der Bedingungen - Es gilt, was für den Kunden am günstigsten ist

Für den Erhalt der BU-Rente reicht danach allein aus, dass der Kläger bis zur Beendigung des Versicherungsvertrages an einer solchen psychischen Krankheit litt, auch wenn die geforderte schlechte Gesundheitsprognose erst nach der Vertragsbeendigung gestellt werden konnte. Deutlich lehnten die Karlsruher Richter zudem die Rechtsauffassung des Landgerichtes ab, dass die Versicherung allein durch die Inhaftierung leistungsfrei sei. Hierzu war nichts in den Ausschlussgründen der Versicherungsbedingungen geregelt. Es zählte allein, dass eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit auch auf der psychischen Erkrankung beruhte. Das Urteil ist rechtskräftig, eine Revision nicht zugelassen.

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Fachanwalt für Versicherungsrecht Tobias Strübing, LL.M., Wirth-Rechtsanwälte, welcher das Urteil für den Kunden erkämpfte, äußert sich ergänzend: „Dieses Urteil zeigt einmal mehr wie wichtig stets ein genauer Blick in die Versicherungsbedingungen und die Interessenvertretung durch einen spezialisierten Rechtsanwalt ist.“

Wirth Rechtsanwälte

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