Angesichts der neuen Marktbedingungen haben einige Versicherer bereits auf die Debatte reagiert. Andere Unternehmen würden folgen. "Diese strategischen Entscheidungen führten in der Regel, wenn auch auf unterschiedlichen Wegen, im Ergebnis dazu, sich aus der bisher bekannten klassischen „Deckungsstock“ gestützten Lebensversicherung in Schritten oder auch manchmal radikal zu verabschieden", sagte Prof. Matthias Beenken von der Fachhochschule Dortmund in Leipzig. Stattdessen würden neue Konzepte in den Markt gebracht. Dabei wälzen Lebensversicherer das Investitionsrisiko zunehmend auf den Kunden ab, kritisierte Beenken und fügte an, dass die Branche die aktuellen Regulierungsthemen teils selbst verschuldet habe. So zum Beispiel bei den Abschlussprovision.

Anzeige

Die Umsetzung der Vorgaben des Lebensversicherung-Reformgesetzes (LVRG) beleuchtete der BaFin-Exekutivdirektor Frank Grund. So hätten die ersten Auswertungen der Unternehmen gezeigt, dass man die Kalkulationen gegenüber den Kunden soweit angepasst habe. Skepsis sei allerdings weiterhin vorhanden. Das Thema sei ein sehr langfristiges. Folglich könne man nicht erwarten, nach einem Jahr schon eine vollumfängliche Bewertung abgeben zu können, bilanzierte Grund.

Mehr Lebensversicherungsverträge als Menschen in Deutschland

„Die Altersvorsorge künftiger Generationen war uns damals wie heute wichtig,“, rechtfertigte Bundestags-Abgeordnete Anja Karliczek die Einführung des LVRG. Die gelernte Bankkauffrau hat im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages bei der Ausgestaltung des LVRG mitgewirkt. Klar müsse man beispielhaft zu den vergangenen Jahren weiter im engen Austausch mit den Institutionen bleiben.

Immerhin gibt es in Deutschland aktuell über 90 Millionen Lebensversicherungsverträge. Dies bedeute auch 90 Millionen mal das Vertrauen, das garantierte Zusagen aus Lebensversicherungsverträgen auch erfüllt werden. „Uns ging es dabei auch immer um die Stärkung der Solidargemeinschaft. Hintergedanke ist, dass eine private kapitalgedeckte Lebensversicherung auch einem Solidartopf entspringen muss,“ erklärt Karlizcek und weiter: „Es galt das Versicherungskollektiv als Ganzes zu schützen, nicht einen einzigen Lebensversicherungsvertrag.“

Die Fraktion Die Linke hatte an diesem Punkt immer dagegen gesteuert. Ihr Kritikpunkt sei, dass man dem Einzelnen nichts wegnehmen könne. In einem Versicherungskollektiv müsse man im Kollektiv umverteilen. Von außen ginge das nicht, erklärte die Abgeordnete.

Gleichwohl sei für die Politik die Altersvorsorge der Bundesbürger dringend notwendig. Irgendwoher müsse der Kapitalstock kommen. „Man muss die Menschen dazu ermuntern, trotz niedriger Zinsen, anzufangen vorzusorgen,“ so die Abgeordnete. Vor Schulklassen erkläre Sie dann immer, dass jedes Jahr, das vorne fehle, die Vorsorgelücke am Ende größer mache. Verlässlichkeit sei dabei ein wichtiges Merkmal, um die Leute dazu zu bringen darauf zu vertrauen, dass Verträge eingehalten werden und das Regulierung als Frühwarnsystem funktioniert. „Ich glaube nicht daran, dass das Geld in Oma's Sparstrumpf zu horten, die richtige Lösung ist.“, monierte Karliczek. An die Versicherer richtete sie daher den folgenden Appell: „Entwickeln sie neue Produkte, die eine freiere Anlage ermöglichen. So werden sie auch im Wettbewerb erfolgreich sein.“

Provision soll nicht abgeschafft werden

Die CDU-Politikerin fordert zudem ein Ende der Diskussionen um die Umdeckung von Rentenverträgen. Im Gegensatz zu ihren Kollegen aus der Partei die Grünen, wolle Karlizcek jedoch die Provision nicht abschaffen. Mit einem Blick nach Großbritannien könne man sehen, dass eine vollständige Abschaffung der Provision am Ende dazu führen würde, dass nur noch Besser-Verdienende beraten werden. "Wichtig sei aber, dass der Versicherungsvermittler und der Kunde ein gemeinsames Interesse daran haben, das ein Vertrag, der einmal mit dem guten Motiv abgeschlossen wurde, im Alter nicht unversorgt dastehen, eben auch bis zu seinem Ende läuft.", erklärte die Politikerin. So sei ihr die kurzfristige Abschlussprovision ein Dorn im Auge. Derjenige der gut berät, soll auf der anderen Seite aber auch anständig bezahlt werden. Dann aber mit einer Bestandsprovision.

„Die kurzfristige Abschlussprovision ist mir ein Dorn im Auge.“

Die Einführung der Effektivkostenquote sei zur Lösung dieses Problemes ein erster wichtiger Ansatzpunkt. Jüngst hatte das Handelsblatt kritisiert, die Politik habe vergessen, die Berechnungsmethode festzulegen. Das sei jedoch falsch. Man habe ganz gezielt darauf verzichtet, da man davon überzeugt sei, dass man lernen müsse im Team zusammen zu arbeiten. Die Versicherungsbranche, müsse sich gemeinsam auf den Weg machen, um eine Berechnungsmethode vorzuschlagen. So forderte Karlizcek, die Versicherer auf selbst eine Rendite-Minderungs-Kennziffer zu entwickeln. Wer wüsste es den besser als die Branche selbst. Die wettbewerbsrelevanten Informationen, die dadurch an den Kunden zu geben seien, sehe sie nicht als riskant. Man wolle ja Vergleichbarkeit und Transparenz. Wenn es zum Rechtsfall kommen sollte, hätte man, wenn es soweit kommen sollte, dafür Gerichte. Wettbewerb dürfe nicht über die Berechnungsmethode, sondern müsse über andere Wege gesichert werden.

Versicherungsvermittlerrichtlinie IDD

Anfang des Jahres wurde die IDD auf den Weg gebracht. Bis 2018 wird diese in deutsches Recht gegossen. Danach muss die Branche die neuen Vorgaben umsetzen. Es geht um Anforderungen an Versicherungsvermittler sowie Informations- und Dokumentationspflichten gegenüber dem Kunden. Im Rahmen dieser Richtlinie soll sowohl der Höchstrechnungszins wie auch die Provisionsabgabe mitgeregelt werden. Aus Gründen der Dringlichkeit gehe Karlizcek davon aus, dass die Umsetzung nicht erst 2018 stehe. Aus ihrer Sicht soll das Provisionsabgabeverbot erhalten beiben und die Stärkung der Honorarberatung, die im Koalitionsvertrag steht, vorangetrieben werden. Man müsse aktuell schauen, dass man jetzt seitens der Politik die richtigen Stellschrauben betätige, ohne zu nachlässig zu sein.

Anzeige

Deutschlandrente hat viele Hindernisse

Bei der Deutschlandrente gäbe es dagegen sehr viele Hindernisse, erklärte die Abgeordnete auf Nachfrage von Rainer Reitzler vom Münchener Verein. In einer Arbeitsgruppe beschäftige man sich explizit mit dem Thema betriebliche Altersvorsorge und den Hinderungsgründen. Deren ersten Ideen, diese bei der Rentenversicherung anzuschließen, wurden jedoch umgehend ausgeschlossen. Denn dies würde den Wettbewerb ausschließen. Zudem sei ein Staat nicht in der Lage, viel Kapital anzusammeln. Schließlich gäbe es immer wieder Begehrlichkeiten, wenn das Geld knapp wird, eine Anleihen in Anspruch zu nehmen. Zum derzeitigen Zeitpunkt sei das kein idealer Weg, glaubt die Politikerin. Folglich werde es die Deutschlandrente, so wie sie zum derzeitigen Status vorgeschlagen wurde, voraussichtlich nicht geben, ist Karlizcek überzeugt. Dieses System wäre nicht krisensicher. "Wenn man in eine Krise mit nur einem System rutscht, dann stellt sich die Frage, wer das auffangen soll.", sagte Karlizcek abschließend.

Anzeige