Für Deutschlands Unternehmer wird es zunehmend attraktiver, auf Online-Kreditmarktplätze bzw. sogenanntes Crowdlending auszuweichen, wenn sie ein Projekt finanzieren wollen. Dies ist das Ergebnis einer Studie der HHL Leipzig Graduate School of Management. Befragt wurden 104 mittelständische Unternehmer, die beim Online-Kreditvermittler Funding Circle Deutschland eine Finanzierung beantragten und/oder erhielten. Funding Circle vermittelt kleine Unternehmen mit Finanzierungsbedarf an private und öffentliche Investoren, die sich in den USA, Großbritannien und Europa engagieren wollen.

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Weniger Bürokratie und höhere Transparenz

Ausschlaggebend für das gestiegene Interesse an digitalen Krediten sei der Wunsch nach einer schnelleren, flexibleren und einfacheren Finanzierung als bei der Hausbank. Als weiteren Grund nannten die Befragten eine höhere Prozesstransparenz, also ob sie zum Beispiel zurückverfolgen können, weshalb eine Bewerbung positiv oder negativ entschieden wurde oder ob sie im Bewerbungsprozess mit vielen ungeklärten Fragen konfrontiert waren. Viele Unternehmer äußerten den Wunsch nach einer Streuung der Finanzierung als Motivation.

Laut der Studie herrscht bei einem Großteil der Befragten Unzufriedenheit mit der eigenen Hausbank hinsichtlich der dort wahrgenommenen Bürokratie, der Finanzierungsgeschwindigkeit und der erforderlichen Sicherheiten. Hier werden im Crowdlending häufig geringere Ansprüche gestellt als bei der Hausbank. Die Plattformbetreiber begründen das mit niedrigeren Kreditvolumina, welche keine Sicherheiten wie bei der Finanzierung hoher Kredite erfordern.

Im Umkehrschluss gelten die erforderlichen Sicherheiten als Haupthindernis für die Finanzierung über eine Bank (55 Prozent). Üblich ist zum Beispiel, dass Banken die Bilanzen der letzten drei Jahre einsehen wollen, bevor sie einen Kredit vergeben – speziell für Startups eine unlösbare Hürde. Die erforderlichen Sicherheiten werden aber zugleich als weniger wichtig für einen Finanzierungswechsel gesehen (44 Prozent, siehe Grafik).

Hindernisse bei der Finanzierung über eine Hausbank. Quelle: HHL Leipzig

„Zwar bleibt für die meisten Mittelständler die Hausbank weiterhin der erste Ansprechpartner bei der Finanzierung, jedoch sehen vor allem Unternehmer, die bereits eine Finanzierung auf dem Kreditmarktplatz erhalten haben, diesen als fast ebenso wichtigen Partner wie ihre Hausbank”, sagt Dr. Erik Maier, Studienleiter und Junior-Professor für Handels- und Multi-Channel-Management an der HHL.

Online-Kredite nicht als Rettungsanker

Die Studie belege außerdem, dass Unternehmen gewährte Darlehen nicht als Rettungsanker oder Residualfinanzierung, etwa bei anderweitig verwehrten Krediten, verwenden. Zwar schätze die Mehrheit der Teilnehmer das Finanzierungsumfeld als schwierig ein, die Unternehmen selbst würden dies aber nicht als Wechselgrund angeben.

Bezogen auf die zukünftige Gesamtentwicklung der deutschen Online-Kreditmarktplätze sprechen mehrere Faktoren für positive Wachstumsaussichten. Einerseits zeigt der kontinentaleuropäische Markt ein deutlich stärkeres Wachstum als der im Vereinigten Königreich, dem mit 85 Prozent weitaus größten Markt in Europa. Zweitens wird erwartet, dass das Volumen an vergebenen Krediten zumindest zum Teil zum britischen aufschließt. Dort wurde 2015 bereits in Volumen von mehr als 2,5 Milliarden Pfund finanziert, im Vergleich zu 0,7 Milliarden Euro in Deutschland.

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Hintergrundinformationen: Für die Studie "Mittelstandskredite in Zeiten digitalen Wandels - Crowdlending in Deutschland" wurden im September Mittelständler mit rund zehn Mitarbeitern befragt, die einen Jahresumsatz von weniger als 1 Million Euro und einen Finanzierungsbedarf von weniger als 100.000 Euro hatten.

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