Da waren sie wieder. Verbraucherschützer haben wieder zugeschlagen. Diesmal waren die Banken dran. Über 3.864 Anlageprodukte resultierend aus 835 Anlageberatungen wurden von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg geprüft. FINANZtest nahm sich 23 Banken vor. Und fast komplett wurde nur der Stempel „Ungenügend“ verwendet. Wer schützt uns Verbraucher und Vermittler vor solchen Pauschalurteilen?

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Die Etiketten Verbraucherschutz, Verbrauchertipp oder Ratings können den Verkauf von Produkten fördern. Sie können aber auch zu Todschlag-Argumenten werden, wenn die selbsternannten Götter des Konsumentenschutzes zu Urteilen kommen, die inkompetent, intransparent und auch nur fehlerhaft sind. Fragwürdige und strittige Bewertungen und Urteile kommen in letzter Zeit immer häufiger vor. Stellt sich die Frage, ob der Einsatz von Steuergeldern für wirtschaftlich orientierte Unternehmen wie die Verbraucherzentralen der Bundesländer oder auch die Stiftung FINANZtest sinnvoll eingesetzt wird.

Pauschalurteile, die Kunden verunsichern

Schauen wir uns die letzte Studie der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg an. In einem Megatest wurden nach Angaben des Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) fast 4.000 Bankprodukte und Vertragsangebote bewertet. Testergebnis: 95 Prozent Schrott. Anders kann man es wohl nicht sehen, wenn mit grober Klinge über diese Produkte hergefallen wird. Zu teuer, zu riskant, unrentabel, an den Bedürfnissen der Kunden vorbei etc. pp.

Werner Barais von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg würde wohl am liebsten die Banken komplett schließen, wenn er im Ergebnis der Testergebnisse zitiert wird: „Verbraucher können leider nicht davon ausgehen, dass ihnen von Banken und anderen Finanzvertrieben Geldanlagen angeboten werden, die zu ihrem Bedarf passen“.

Dem Teamleiter Marktwächter tut es also leid, dass eine komplette Branche der Banken und Finanzvertriebe aber sowas von daneben liegt und den Kunden (fast) nichts Passendes angeboten werden kann. Da liegen also die Verbraucher auch völlig schief, wenn man von Verbraucherschützern Orientierung als Abschreckung erwartet.

Apropos Marktwächter. Der Begriff mag manchen Lesern noch etwas neu vorkommen. In das Projekt Marktwächter Finanzen fließen bis Ende 2017 vom Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) mehr als 12 Millionen Euro an Steuergeldern. Für dieses Salär sollen der Bundesverband und die regionalen Verbraucherzentralen den Finanzmarkt aus der Sicht der Verbraucher beobachten.

Marktwächter Finanzmarkt werten Beschwerden aus

Im Jahresbericht des vzbv wird die Rolle der Marktwächter so beschrieben: „Marktbeobachtung in Deutschland war bislang sehr einseitig. Sie konzentrierte sich ausschließlich auf Entwicklungen der Anbieterseite. Es fehlte ein entscheidender Aspekt: der Blick auf das „reale“ Marktgeschehen, wie Verbraucher es erfahren. Statt nur zu schauen, welche Produkte etwa für die Altersvorsorge auf dem Markt angeboten werden, schauen die Marktwächter genauer hin: Welche Erfahrungen machen Verbraucher mit diesen Angeboten? Und bekommen alle Verbraucher Produkte, die sie beispielsweise für eine sichere Altersvorsorge tatsächlich benötigen?“

Wie erfolgt nun dieses „genau hinschauen“? Bei der Beobachtung des Finanzmarktes gehen die Marktwächter arbeitsteilig vor. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg widmet sich dem Schwerpunkt Geldanlagen und Altersvorsorge, Bremen den Immobilien-Finanzierungen, Hamburg (!) den Versicherungen, Hessen dem „Grauen Kapitalmarkt“ und Sachsen den Bankdienstleistungen und Konsumentenkrediten.

Die Analysemethoden der Marktwächter sind durchaus interessant. So schreiben die Wächter aus Baden-Württemberg auf ihrer Webseite, dass man neben empirischen Erhebungen auch die Beschwerden und Beratungen von Verbrauchern über ein Frühwarnnetzwerk systematisch auswertet. Dies soll wohl heißen, dass man sich vordergründig mit Kundenbeschwerden befasst.

Und damit wird doch schon ein völlig falscher Ansatz für eine Bewertung gewählt. Unterhalte ich mich nur mit Kunden, die einen kaputten Waschautomaten eines bestimmten Herstellers kritisieren, dann muss das Urteil doch negativ ausfallen. So auch bei enttäuschten Bank- oder Versicherungskunden. Selektiere ich stark nach Kunden, die unzufrieden sind, dann wird auch das Ergebnis so sein.

Einseitige Analysen bringen einseitige Ergebnisse

Einseitige und wenig kundenorientierte Analyseverfahren werden immer zu einseitigen Stellungnahmen führen, die dem Kunden außer Verunsicherung nichts bringen. Damit wird aber das positive Anliegen des Verbraucherschutzes konterkariert. Das Dilemma beginnt bereits damit, dass man den „Bedarf von Kunden“ zu stark pauschaliert.

Schauen wir uns ein Beispiel in der vorgelegten Studie der Marktwächter an: „Zwei Verbraucher legen einmalig 10.000 Euro in Geldanlagen mit vergleichbarem Risiko an. Der eine Verbraucher erzielt sechs Prozent Rendite pro Jahr (bei aktienbasierten Geldanlagen im langjährigen Durchschnitt nicht unrealistisch). Der andere Verbraucher investiert in eine ähnliche Anlage. Er erzielt aber nur vier Prozent jährliche Rendite, weil seine Anlage Jahr für Jahr zwei Prozentpunkte mehr kostet.“

Es strotz nur so von Pauschalierungen. Von konkreten Risikoprofilen, dem gewünschten Anlagehorizont oder möglichen Laufzeiten für die Investments der Kunden ist keine Rede. Ebenfalls nicht nachvollziehbar sind Allgemeinplätze in der Bewertung von Versicherungsprodukten. Exemplarisch folgender Satz:

„Die Standmitteilungen von Renten- und Kapitallebensversicherungen lassen sich selbst von Experten nur mit großer Mühe vergleichen.“

Der @AssekuranzDoc

Der @AssekuranzDoc

Dr. Peter Schmidt ist Experte Personenversicherungen und Unternehmensberater im Bereich Versicherungen, Vertriebe und Makler mit langjähriger Erfahrung als Führungskraft und Vorstand bei deutschen Versicherern und twittert als @AssekuranzDoc.

Das sehe ich komplett anders. Dem „normalen Kunden“ fällt das sicher nicht leicht. Aber wer die jährlichen Standmitteilungen der Versicherer zu Lebens- und Rentenversicherungen nicht auswerten kann, ist einfach kein Experte. Sollte darin ein Problem des einen oder anderen Verbraucherschützers liegen?

Vermischung von wirtschaftlichen Interessen und Verbraucherschutz?

Als interessiertem Betrachter der saisonal wiederkehrenden Skandalmeldungen der verschiedenen Verbraucherschützer drängt sich der Eindruck auf, dass nur die ganz schwarzen Titelstorys die Kunden in die Verbraucherzentralen bringen sollen. Denn man muss ja auch Geld verdienen.

Ein Blick auf Geschäftsberichte der Verbraucherzentralen oder des vzbv bringt etwas Licht ins Dunkel. Die größten Einnahmenpositionen kommen von den Bundes- oder Landesministerien, in denen der Verbraucherschutz angesiedelt ist. In Baden-Württemberg waren dies laut Geschäftsbericht 2013 im Rahmen der institutionellen Förderung über 2,1 Millionen Euro. Dazu kommen dann diverse Projektfördermittel.

Der Bundesverband unterstützt aus seinem Gesamtetat (2014: 20,6 Mio. EUR) die regionalen Verbraucherzentralen. Als eigene Einnahmen werden von der Verbraucher-zentrale Baden-Württemberg rund 747.000 EUR für 2013 ausgewiesen. Dazu gehören Einnahmen aus über 14.000 Veranstaltungen, aus über 76.000 persönlichen, telefonischen und schriftlichen Beratungen, aus Veröffentlichungen (!), Mitgliederbeiträgen, Steuerrückerstattungen und vermischte Einnahmen, was auch immer letzteres ist.

Wenig förderlich für das Image der deutschen Verbraucherschützer dürfte auch das neue Wirkungsfeld des Testimonials der Konsumentenschützer H.J. Tenhagen sein. Der Chefredakteur eines Internet-Finanzportals rund um Finanzthemen und ehemalige Chefredakteur der Zeitschrift Finanztest machte sich zum wiederholten Male für seine Empfehlungen nicht nur Freunde in der Branche.

ARD-Börse wurde kürzlich dazu ziemlich deutlich:

„Das Branchenmedium "Versicherungsbote" weist auf einen weiteren Umstand im Zusammenhang mit Tenhagens Empfehlung hin. So sei Fairr als "Affiliate"-Partner von Finanztip "wirtschaftlich verbunden", so das Medium. Tatsächlich wird Fairr in einer umfassenden Beschreibung auf Finanztip mit einem Sternchen (*) ausgewiesen. Finanztip selbst weist darauf hin, dass durch einen Link zum Angebot von Fairr eine Vergütung entstehen kann.“

Experten geben Kontra

Es ist also nicht verwunderlich, dass in Zeiten der Digitalisierung und der vielfältigen Kommunikationswege Pauschalbewertungen der Verbraucherschützer auch Widerspruch erfahren. Bereits 2013 ging der Artikel „Avanti dilettanti“ vom Makler und Experten für Berufsunfähigkeitsversicherungen Mathias Helberg zum damaligen seiner Meinung nach stark mangelhaften BU-Test von „Finanztest“ durch die gesamte Fachpresse.

Ob im unmittelbaren Zusammenhang mit der Kritik an den kaum verbraucherfreundlichen Tipps oder auch nicht, auf alle Fälle verließ Tenhagen die Redaktion „Finanztest“. Nach Meinung von Helberg wurden veraltete und fehlerhafte BU-Tests erstellt und unverantwortlich Tipps und „Sehr gut“ – Testsiegel inflationär verteilt, wie Kritiker Helberg in seinem Blog konstatierte.

In der Kritik an den Tipps von Verbrauchermagazinen ist Helberg nicht allein. Hier sei nur an die Diskussion beim „Versicherungsboten“ vom Sommer 2015 um die durch Makler Joachim Haid aufgedeckten Schwächen der Empfehlungen von Tenhagen zu Riester-Produkt vom Sutor-Vertrieb „Fairr“ erinnert. Markus Rieksmeier überschrieb seinen Artikel damals treffend „Tenhagens Märchenstunde: Der Verbraucherschützer und die Riester-Rente“.

Verbraucherschutz wird den Zielen der Politik nicht immer gerecht

Starke Verbraucherrechte, Informationen zu komplexen Produkten der Finanz- und Versicherungswirtschaft, mehr Transparenz sollen und können wichtige Elemente in unserer sozialen Marktwirtschaft sein. Pure Kritik an der Branche mit fadenscheinigen Argumenten oder praxisfremde Kritik, die sich mit eigenen wirtschaftlichen Interessen der Verbraucherschützer vermischt, ist nach meiner Meinung der falsche Weg.

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Was wir brauchen ist Orientierung. Orientierung, die Verbraucher in die Lage versetzt die eigenen Wünsche nach Vorsorge, Risikoabsicherung und Vermögensaufbau mit sicheren und zu den eigenen Möglichkeiten passenden Produkten verwirklichen zu können. Wenn diese dann auch noch ethisch, ökologisch und sozial sind ist es um so besser. Verunsicherungen der Verbraucher durch falsche Bewertung auf intransparenter Grundlage hatten wir in den letzten Jahren genug. Berechtigte Kritik und sogar Gerichtsurteile um die Bewertung von Schokolade, E-Bikes und Versicherungsprodukte rufen die politisch Verantwortlichen auf genau hinzusehen, was mit den Steuergeldern unter dem Mäntelchen des Verbraucherschutzes angerichtet wird.

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