Versicherer-Striptease - Die Grundlagen

Solvency II regelt, dass Versicherer ihre Kapitalanlagen und Verbindlichkeiten zu Marktpreisen bewerten müssen. Darüber hinaus müssen die Versicherer gewährleisten, dass auch bei Eintritt extremer Risikoszenarien stets genügend Geld zur Erfüllung der Leistungsverpflichtungen vorhanden ist. Ebenso müssen die Versicherer zur wirtschaftlichen Situation, bestehende Risiken und Perspektiven ihres Unternehmens berichten. Die "Striptease-Berichte" dazu sind nunmehr quartalsweise an die jeweilige Aufsichtsbehörde zu übersenden.

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Day 1 Reporting

Bis Mai 2016 müssen dazu alle Versicherer ihren ersten Quartalsbericht an die Aufsicht senden, für Versicherungsgruppen gelten wohl etwas längere Abgabe-Regelungen (aus in der Folgezeit). Sicher würden viele Versicherungsmakler auf diese Berichte gern mal einen Blick werfen. Ebenso auf die folgenden Solvency II-Berichte, die der Aufsicht jeweils spätestens acht Wochen nach jeweiligem Quartalsende vorzulegen sind. Aber die Öffentlichkeit muss sich gedulden. Warum dies so ist, erschließt sich mir nicht. Oder liegt es vielleicht ebenfalls an einer gewissen Nacktheit, also z.B. der nackten Angst vor Panikverkäufen und deren unübersehbaren Folgen?

Die nackten Versicherer

Im Mai 2017 ist es dann doch soweit. Dann erhält auch die Öffentlichkeit erstmals einen Blick auf die nackten Zahlen der Versicherer. Zu diesem Zeitpunkt sollen die Versicherer den Solvency and Financial Condition Report (SFCR) veröffentlichen, der möglichst allgemeinverständlich abgefasst aber auch detailiert sein soll, damit jeder Interessierte sich ein Bild vom Versicherer machen kann. Der SFCR enthält u.a. Daten zu den vorhandenen Eigenmitteln, zu den Kapitalanforderungen, zu bestehenden Risiken und zur allgemeinen Geschäftsentwicklung. Was unter "allgemeinverständich" zu verstehen sein wird, dies ist sicher eine spannende Frage. Besser wäre eine Formulierung gewesen wie z.B. "für Laien verständlich". In diesem Falle hätte der Gesetzgeber z.B. per Verordnung auf eine tatsächlich für Laien verständliche Ampellösung zurück greifen können. Aber so verständlich sollte es dann wohl doch nicht sein ...

Kommt das gesetzliche Striptease der Versicherer zu spät?

Das könnten sich Kunden und Versicherungsmakler, aber auch Versicherungsberater im Zusammenhang mit einer Umfrage von Standard Life Investments unter 56 Anlage- und Risikovorständen europäischer Versicherungen tatsächlich fragen; insbesondere im Bereich klassischer Lebensversicherungsprodukte. Zur Umfrage berichtete portfolio-institutionell, dass 43 Prozent der Versicherer angegeben hätten nicht in der Lage zu sein Garantieprodukte wettbewerbsfähig zu bepreisen. In Bezug auf bestehende Garantieversprechen äußerten die Umfrageteilnehmer, dass sie künftig womöglich nicht ausreichende Renditen erzielen können, um die garantierten(!) Zinsen für alle ihre Versicherungsnehmer zu erfüllen. Ab Mai 2017 können sich die Kunden dann selbst ein Bild machen. Versicherungsmakler sollten dies als Sachwalter und Interessenvertreter ihrer Mandanten auf jeden Fall tun und schon jetzt den Markt aufmerksam beobachten, was auch für Versicherungsberater gilt.

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Freundlichst Ihr
Freddy Morgengrauen

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