Schafft die Nürnberger Leben mit ihrem Brief an die Kunden Klarheit zum Widerspruch – oder Termindruck? Beides. Nach Urteilen des Europäischen und des Bundesgerichtshofs haben Sparer mit Leben- und Rentenpolicen ein „ewiges“, also über die gesamte Vertragslaufzeit andauerndes Widerspruchsrecht, wenn sie zu Vertragsbeginn von dem Versicherer nicht ordentlich über dieses Recht informiert wurden. Dem will die Nürnberger offenbar abhelfen, indem sie nun eine ihres Erachtens korrekte Belehrung nachholt. Danach läuft die ursprüngliche und jetzt neuerlich erklärte 14-tägige Widerspruchsfrist.

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Erläuterungen der Nürnberger Lebensversicherung

Am Tag 15 nach Erhalt der Post ist der Kunde endgültig an seinen Vertrag gebunden, danach sind vom Kunden erklärte Widersprüche unwirksam. Da aber Kunden als Verbraucher keine Juristen sind und nicht sein müssen, aber der Brief eher juristisch formuliert ist, hat der Versicherungsbote bei der Nürnberger Leben nachgefragt. Hier sind die Antworten des Unternehmens, die ein Unternehmenssprecher der Redaktion gab (unten finden Sie auch den Volltext des Briefs der Nürnberger):

Der Versicherungsbote fragte: Welchen Vorteil hat Ihr Kunde durch Ihren Brief konkret?

Nürnberger: Der Vorteil für den Kunden besteht darin, dass er mit Sicherheit von seinem Widerspruchsrecht erfährt und es nicht einem Zufall geschuldet ist, ob er von dritter Seite darauf aufmerksam gemacht wird.

Versicherungsbote: Würden Sie diese Verträge rückabwickeln, wenn nun angeschriebene Kunden eine falsche Widerspruchsbelehrung geltend machten?

Nürnberger: Innerhalb der in der Belehrung genannten Frist erkennen wir, wie im Anschreiben ausgeführt, einen Widerspruch des Kunden an.

Versicherungsbote: Sieht sich die Nürnberger bei den jetzt angeschriebenen Kunden in einer besseren Rechtsposition, wenn diese nun von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch machen?

Nürnberger: Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Ausübung des Widerspruchsrechtes treuwidrig, wenn der Kunde ordnungsgemäß belehrt wurde. Unser Anschreiben enthält eine ordnungsgemäße Belehrung. Das hat uns der BGH mit einem (unveröffentlichten) Urteil vom 29.07.2015 bestätigt.

Versicherungsbote: Sie schreiben "Wir gehen allerdings nicht davon aus, dass unsere Widerspruchsbelehrung fehlerhaft ist ...". Warum schreiben Sie den Kunden dann an?

Nürnberger: Da noch Jahre vergehen können, bis der BGH über unsere restlichen Verträge erstmals befindet, haben wir uns im Interesse beider Vertragsparteien dafür entschieden, durch die Nachbelehrungsaktion eine zeitnahe Rechtssicherheit zu erreichen.

Versicherungsbote: Wie kann ein Laie prüfen, ob er bei Vertragsschluss vollständige Vertragsunterlagen erhielt?

Nürnberger: Im Versicherungsschein des Kunden sind alle zugehörigen Unterlagen, die in der Anlage beigefügt wurden, konkret bezeichnet. Er kann deshalb die Vollständigkeit der Vertragsunterlagen prüfen. Auch dies hat uns der BGH am 29.07.2015 bestätigt.

Versicherungsbote: Halten Sie Ihr Anschreiben überhaupt für verständlich im Sinne eines "normal verständigen Verbrauchers"? Statt EU-Normen- und BHG-Urteilsfolge muss der Kunde doch nur wissen, welche Rechte er hat.

Nürnberger: Ja.

Versicherungsbote: Sie schreiben dem Kunden, er müsse bei Widerspruch Kosten für tatsächlich in Anspruch genommenen Versicherungsschutz tragen. Ist das nicht missverständlich bei einem Kunden, der Risikotragung (gegen Beitrag) nicht von Versicherungsfall (Entschädigung/Leistung) differenzieren kann?

Nürnberger: Aus unserer Sicht nicht.

Versicherungsbote: Sie schreiben dem Kunden, dass er sich bei Widerspruch unter Umständen Verluste von Fonds anrechnen lassen müsse. Mancher Kunde könnte bei Lesen von "Verluste anrechnen lassen" fürchten, etwas nachzahlen zu müssen. Halten Sie diese Formulierung für transparent und verständlich?

Nürnberger: Die Formulierung ist dem Leitsatz des maßgeblichen BGH-Urteils vom 11.11.2015 entnommen. Der BGH prüft seine eigenen Leitsätze vor deren Veröffentlichung auf deren allgemeine Verständlichkeit.

Versicherungsbote: Glauben Sie, dass Ihr Brief, so wie er geschrieben ist, einer gerichtlichen Überprüfung auf Transparenz und Verständlichkeit standhält?

Nürnberger: Ja.

Hier der Brieftext der Nürnberger im Wortlaut: Transparent?

Sehr geehrte/r ...

"Schutz und Sicherheit“ ist unser Versprechen, das wir Ihnen vor vielen Jahren gegeben haben. Dieses Versprechen erneuern wir heute heut und bedanken uns für Ihr bisher entgegengebrachtes Vertrauen.

Eine offene und verständliche Kommunikation mit unseren Versicherten ist uns besonders wichtig. Deswegen informieren wir Sie heute über aktuelle Entwicklungen in der Rechtsprechung und welche Auswirkungen diese auf Ihren Versicherungsvertrag haben können.

Der Europäische Gerichtshof (Rechtssache C-209/12) hat entschieden: Eine nationale Regelung verstößt gegen das einschlägige EU-Richtlinienrecht , wenn sie das Erlöschen eines Widerspruchsrechts binnen einer Ausschlussfrist auch für den Fall regelt, das der Versicherungsnehmer nicht oder nicht ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt worden ist. Der Bundesgerichtshof (Aktenzeichen IV ZR 76/11) hat in Folge dieser Entscheidung im Mai 2014 geurteilt, das der Versicherungsnehmer in diesem Fall en zeitlich unbefristetes Widerspruchsrecht hat. Sobald ihn der Versicherer ordnungsgemäß belehrt hat, besteht - wie der Bundesgerichtshof im Juli 2014 (Aktenzeichen IV ZR 73/13) entschieden hat - nur ein befristetes Widerrufsrecht.

Aufgrund dieser Rechtssprechung prüfen wir momentan Verträge, die in der Zeit vom 29.071994 bis zum 31.12.2007 geschlossen wurden. Es könnte sein, dass die Widerspruchsbelehrung, die wir Ihnen damals erteilt haben, nicht den Anforderungen des Gesetzes und der Rechtsprechung genügt genügt. Wir gehen allerdings nicht davon aus, dass unsere Widerspruchsbelehrung fehlerhaft ist oder dass Sie die Vertragsunterlagen zu Ihrem Lebensversicherungsvertrag (Versicherungsschein, Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformation) bis heute nicht erhalten haben.

Trotzdem erteilen wir Ihnen vorsorglich folgende Widerspruchsbelehrung.

Widerspruchsbelehrung:
Sie können dem in Betreff genannten Versicherungsvertrag innerhalb von 14 Tagen nach Zugang dieses Schreibens, mit dem Ihnen zusätzlich zu dem Versicherungsschein, den Versicherungsbedingungen Undine Verbraucherinformationen, die Sie bereits bei Vertragsschluss erhalten haben, nunmehr auch diese Widerspruchsbelehrung zugegangen ist, schriftlich widersprechen. Um die Frist zu wahren genügt es, wenn Sie den Widerspruch rechtzeitig absenden.

Bitte geben Sie uns Bescheid, falls Sie bei Vertragsschluss den Versicherungsschein, die Versicherungsbedingungen oder die Verbraucherinformation nicht vollständig erhalten haben. Wir werden Ihnen dann umgehend die fehlenden Informationen zusenden. Sie wollten sorgfältig prüfen, ob Sie von dem Widerspruchsrecht Gebrauch machen und eine Rückabwicklung Ihres Lebensversicherungsvertrags wünschen. In jedem Fall würden Sie dann die Kosten für den tatsächlich in Anspruch genommenen Versicherungsschutz (von Antragsannahme bis zur Erklärung des Widerspruchs) tragen. Außerdem müssen Sie sich gegebenenfalls anrechnen lassen, das der bzw. die Fonds, in die die Sparanteile der gezahlten Prämien angelegt worden sind, Verluste erwirtschaftet haben.

Wenn Sie Ihren Versicherungsvertrag fortführen möchten, müssen Sie nichts weiter unternehmen. Sie erhalten sich damit auch in Zukunft Sicherheit und wertvollen Versicherungsschutz. Gerade in der heutigen Zeit ist es wichtig, dabei auf ein finanzstarkes Unternehmen zu setzen. Die NÜRNBERGER ist Ihr verlässlicher Partner, wenn es um finanzielle Vorsorge geht.

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Wir freuen uns auf weitere Jahre vertrauensvoller Zusammenarbeit.
Mit freundlichen Grüßen
NÜRNBERGER Lebensversicherung AG

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