In einem Interview mit der Zeitschrift Aktuar aktuell (Ausgabe 31, Dezember 2015) sagte Billen, dass mit dem neuen Lebensversicherungsreformgesetz in erster Linie Lebensversicherungsunternehmen trotz Niedrigzinsphase gestärkt würden. Allerdings seien die Maßnahmen, die das Gesetz ergriffe, nicht eindimensional zu Lasten der Verbraucher beschlossen wurden.

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„Bewusst haben wir ein Paket geschnürt, das nicht nur einseitig die Versicherungsnehmer belastet. So werden auch die Eigentümer von Versicherungsunternehmen in die Pflicht genommen: Lebensversicherungsunternehmen dürfen einen Bilanzgewinn nur an ihre Aktionäre ausschütten, wenn er einen etwaigen Sicherungsbedarf überschreitet“, argumentierte Deutschlands oberster Verbraucherschützer.

Ferner müssten die Unternehmen ihre Kunden, bevor sie einen Lebensversicherungsvertrag miteinander abschließen, über die Effektivkosten bis zum Beginn der Auszahlungsphase in Kenntnis setzen. Durch die Reduktion des Höchstzillmersatzes will der Gesetzgeber zudem die Abschlusskosten reduzieren - ob dies tatsächlich gelingt, dazu erlaubte sich Billen kein abschließendes Urteil. „Wir werden jetzt genau beobachten, ob diese Maßnahmen wie vorgesehen greifen.“

“Hinweis auf Vermittlereigenschaft im Impressum reicht nicht aus“

Als Herausforderung für Kunden und Verbraucherschutz betrachtet Billen auch die aktuellen Markt-Trends im Zuge des Niedrigzinses. „Neue Produkte im Bereich der Lebensversicherung verabschieden sich zunehmend vom Garantiezins. Sie werden noch komplexer und sind für Verbraucher schwer zu verstehen“, so der frühere Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbandes.

Dass die Digitalisierung neue Online-Anbieter im Versicherungsvertrieb auf den Plan ruft, ist Billen ebenfalls nicht entgangen. Er fordert indirekt mehr Transparenz für die Online-Kanäle ein, wenn er schlussfolgert: „Für den Verbraucher muss klar erkennbar sein, wer ihm gegenübertritt. Nur ein versteckter Hinweis auf die Vermittlereigenschaft im Impressum reicht nicht aus.“ Bezüglich der Konkurrenz durch neue Vermittlerplattformen sei auf die Einhaltung eines „Level-playing-field“ zu achten, ein aus dem Rugby entlehnter Begriff, der auf faire Chancenverteilung zwischen Marktakteuren setzt.

Telematik und Smartphone-Tarife: Versicherungsschutz muss bezahlbar bleiben

Überhaupt, wo steht der Verbraucher in den Zeiten der Big-Data und der grassierenden Digitalisierung? Erste Versicherer wie die Generali haben angekündigt, in bestimmten Krankenversicherungs-Tarifen die Gesundheitsdaten ihrer Kunden zu erheben und eine gesunde Lebensweise mit Prämiennachlässen zu belohnen. In der Kfz-Versicherung könnten sich schon bald Pay-as-you-drive-Policen durchsetzen, bei denen dauerhaft die Fahrweise des Halters gemessen und bewertet wird.

Gillen sieht in den Veränderungen auf jeden Fall einen Anlass, Verbraucherpolitik zu intensivieren und zeitgemäß zu fokussieren, auf die Themen von Privatheit und Selbstbestimmung, Transparenz, Wahlfreiheit. Versicherungsschutz müsse außerdem bezahlbar bleiben und dürfe nicht zu dem Preis absoluter Überwachung erkauft werden, appelliert Gillen an die Versicherer angesichts einer Technik, die immer individuellere Risikokalkulationen erlaubt.

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Billen warnt: “Für Kranke könnte der Versicherungsschutz am Ende unbezahlbar werden. Der eben noch als passend empfundene Maßanzug würde schnell zum steifen Zwangskorsett. Wir müssen daher darauf achten, dass hier die Entsolidarisierung der Versicherungsgemeinschaften nicht auf die Spitze getrieben wird. Die heute noch selbstverständliche Freiheit, seine Körper- und Bewegungsdaten nicht seiner Krankenversicherung zu Analysezwecken mitzuteilen, muss ohne Pönalisierungen oder andere Nachteile künftig weiter möglich sein.“

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