Der Zauberlehrling war einfach faul. Er wollte kein Wasser schleppen. Und während sein Lehrer unterwegs war, rief er deshalb magische Kräfte zur Hilfe: „Walle walle manche Strecke, daß, zum Zwecke, Wasser fließe...“. Der verzauberte Besen tat wie ihm geheißen und füllte die Badewanne mit Wasser. Aber eben nicht nur die. „Naß und nässer wird‘s im Saal und auf den Stufen. Welch entsetzliches Gewässer!“, klagt der Zauberlehrling und weiß nicht, wie er den Wasser schleppenden Besen stoppen ist groß!“

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Die Lebensversicherer haben keine Badewanne mit Wasser zu füllen. Sie stehen aber seit einigen Jahren vor der Aufgabe, Lösungen für die Zukunft Ihrer Branche zu entwickeln. Einige Unternehmen haben sich ein Beispiel am Zauberlehrling genommen und drücken sich vor dem Problem. Statt eines Wasser tragenden Besens stützten sie sich auf Einmalbeiträge als vermeintliche Lösung. Die Verkaufszahlen stimmten wieder. Das Geschäft brummte. Der Vertrieb war glücklich. Aber heute müssen die Verträge auch bedient werden. „Welch entsetzliche Verpflichtungen“, mag da manch Vorstand des Nachts stöhnen. „Herr, die Not ist groß!“

Das große Geld

Es geht bei Einmalbeiträgen um viel Geld. Jedoch anders als bei üblichen Lebensversicherungsverträgen. Bei denen wird ratierlich Schritt für Schritt ein erhebliches Kapital angesammelt. Ist das nach vielen Jahren erfolgt, kommt diese Summe zur Auszahlung oder wird verrentet. Bei Einmalbeiträgen hat der Versicherungsnehmer aber bereits zu Beginn eine hohe Summe. Er zahlt das Geld mit einem Schlag in einen Vertrag ein. Je nachdem führt dieser Vertrag nach ein paar Jahren zur Auszahlung einer dann noch höheren Summe – oder aber es gibt eine Rente.

Der Clou für die Investoren, die den hohen Einmalbeitrag in der Versicherung platzieren: Es können die für Lebensversicherungsverträge gewährten Steuervorteile mitgenommen werden. Es handelt sich um eine vergleichsweise sichere Anlage und die gewährten Überschüsse sind je nach Unternehmen und je nach konkretem Tarif auch nicht unansehnlich.

Der Vorteil für das Unternehmen: Es bekommt sofort einen Batzen Geld in die Hand, der Vertrieb wird durch die hohen Provisionen glücklich und die Probleme kommen erst viel später. Der Nachteil, dass diese Verträge noch auf lange Zeit mit Garantien und Überschüssen zu bedienen sind, den kann man erst mal leicht verdrängen. Zumal das in der Vergangenheit ja auch immer gut lief…

Ein Blick in die Vergangenheit: Der Spaß an den Einmalbeiträgen

Früher galten andere Spielregeln, bis 2005 der Gesetzgeber die steuerliche Begünstigung der Lebensversicherung kürzte. Bis dahin musste die Beitragszahlungsdauer stets mindestens fünf Jahre betragen, um dem Fiskus ein Schnippchen zu schlagen. Die Lösung: Der Kunde zahlte das gesamte Geld erst einmal ein ‐ aber nur ein Fünftel direkt in den Vertrag. Die restlichen 80 Prozent parkte der Versicherer auf einem Depot, um es für die nächsten vier Raten zu plündern. Die Höhe dieser fünf Raten wurde vertraglich so festgeschrieben, dass das Depot inklusive der zu erwartenden Depotverzinsung genau ausreichte.

Dumm nur, dass die Depotverzinsung oft nicht ausreichte, so dass der Versicherungsnehmer noch Geld nachschieben musste. Wenn im nächsten Jahr viele solcher Verträge fällig werden, wird es viele Nachfragen geben, da die Konstruktion über das Depot nicht besonders transparent ist. Eine unsägliche Ausgeburt an Intransparenz war zudem eine schräge Produktkonstruktion, in dessen Zentrum auch wieder eine Versicherung gegen Einmalbeitrag stand.

In der Vergangenheit haben einige Lebensversicherer also den ersten Spaß an den Einmalbeiträgen gefunden, es waren ja noch nicht viele derartige Verträge. Aber aus Spaß wurde Ernst...

Die jüngere Vergangenheit: Der Zauberlehrling spricht den Spruch

Die Geschäftsberichte der Unternehmen, Analysen der Ratingagenturen und Fachartikel in den einschlägigen Medien bestätigen: Die Einmalbeitragsversicherungen stützten in den letzten Jahren das laufende Geschäft und bewahrten die Branche vor einem Einbruch der Verkaufszahlen. Eine für die Branche nachhaltige neue Perspektive wurde nicht entwickelt. Dadurch stimmten die Quartalsberichte und Bilanzen – erst einmal. Zudem bekam der Vertrieb einen Ausgleich für das weggebrochene Geschäft der „normalen“ Verträge.

So wie sich der Zauberlehrling genüsslich das Treiben des verhexten Besens anschaut, so haben sich diese Lebensversicherer an den Einmalbeiträgen ergötzt. Die Vermittler wähnten, die Lösung für die Absatzprobleme gefunden zu haben. Nur manch ein Aktuar hob warnend die Stimme, konnte sich aber nicht durchsetzen.

Die Situation heute: Ein düsterer Ausblick

Und jetzt haben die Unternehmen diese Verträge in ihren Beständen. Zum Teil mit ziemlich hohen Garantieverzinsungen und immer mit Versicherungsnehmern, die an den Überschüssen beteiligt werden wollen. Die Überschusssysteme führen oft dazu, dass gerade diese Einmalverträge mit ähnlich hohen Überschüssen bedient werden, wie das „normale“ Geschäft. Noch zu Beginn der Niedrigzinsen konnte man mit einem hohen Einmalbeitrag ja vergleichsweise hohe Garantien einkaufen und hatte zusätzlich auch noch die Chance auf gute Überschüsse.

Weil aber die Einmalbeiträge von vornherein sehr hoch sind, müssen deutliche Summen an Überschüssen gerade auf diese Verträge verteilt werden. Für die „normalen“ Bestände steht dieses Geld nicht zur Verfügung und das allgemeine Überschussniveau sinkt. Der Kleinsparer muss auf Gewinne verzichten, um so die Einmalbeiträge zu subventionieren. Die Geister der Einmalbeiträge, die von einem kurzsichtigen Management gerufen wurden, lassen sich nicht mehr einfangen.

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Anders beim Zauberlehrling. Hier vermag der Meister mit einem einfachen „Besen, Besen, seid’s gewesen“ dem Spuk ein Ende zu bereiten. Bei der Lebensversicherung wird das Problem um die Einmalbeiträge aber eher das Ende der Lebensversicherung forcieren.

Ein Gastkommentar von Axel Kleinlein

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