Die Bundesregierung plant, das Beratungsprotokoll für Wertpapieranlagegeschäfte wieder abzuschaffen. Dies berichten übereinstimmend die Fachmedien FONDS professionell sowie die Börsen Zeitung (BöZ). Beide berufen sich auf einen Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums für ein Finanzmarktnivellierungsgesetz, in dem der Passus über das Beratungsprotokoll gestrichen wurde.

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Geeignetheitsprüfung ersetzt Beratungsprotokoll

Die Neuregelung bedeutet freilich nicht, dass Finanzvermittler vom Nachweis einer kundengerechten Beratung befreit sein werden. Im Gegenteil: Statt des Beratungsprotokolls müssen Finanzdienstleister ihren Kunden eine sogenannte Geeignetheitsprüfung, auch als „Suitability test“ bekannt, ausstellen. Diese Erklärung muss dem Kunden vor dem Geschäft „auf einem dauerhaften Datenträger“ ausgehändigt werden und ihn darüber informieren, wie Präferenzen und Anlageziele im folgenden Beratungsgespräch zu berücksichtigen sind.

Ob damit eine Reduzierung des bürokratischen Aufwands verbunden ist, muss die Praxis zeigen. Gerade Banken hatten oft den hohen Mehraufwand für die Erstellung des Protokolls kritisiert. Positiv aus Sicht des Verbrauchers ist zu werten, dass die Geeignetheitsprüfung den Vermittler bereits im Vorfeld der eigentlichen Anlageempfehlung verpflichtet, umfassende Informationen über den Kunden einzuholen, etwa über seine Risikobereitschaft, die finanzielle Situation, das Vorwissen und die Sparziele. Das kann auch mittels eines Fragebogens erfolgen. Zugleich ist der Vermittler im „eigentlichen“ Beratungsgespräch freier, da er nicht jeden Kommunikationsschritt protokollieren muss.

Positives Echo auf geplante Abschaffung

Hintergrund der aktuellen Pläne ist der Tatbestand, dass auch die europäische Finanzmarktrichtlinie Mifid II kein Beratungsprotokoll vorsieht, aber eine Geeignetheitserklärung. Mit dem Gesetzentwurf will die Bundesregierung diese EU-Richtlinie in nationales Recht übersetzen. In Kraft treten sollen die neuen Bestimmungen im Januar 2017.

Sowohl Fachjuristen als auch Politiker begrüßten die Pläne zur Abschaffung des Beratungsprotokolls in seltener Einstimmigkeit. „Das ist definitiv ein Fortschritt“, erklärte Fachanwalt Norman Wirth aus Berlin gegenüber FONDS professionell. So herrsche im Moment etwa Unklarheit darüber, ob bei Folgeberatungen tatsächlich alle Abfragen erneut vorgenommen werden müssen oder nicht.

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Gerhard Schick, der finanzpolitische Sprecher der Grünen, äußerte sich ebenfalls positiv zu den Plänen der Bundesregierung. Das Beratungsprotokoll „dient ohnehin mehr der Absicherung des Beraters als der des Kunden“, erklärte er. Mit Einführung der Protokollpflicht wollte der Gesetzgeber auf die vielen Fälle von Falschberatung reagieren, nachdem im Zuge der Finanzkrise viele Anleger Geld verloren hatten. Ob der Referentenentwurf in seiner jetzigen Form in Kraft tritt, ist ungewiss: Im Gesetzgebungsprozess können noch Änderungen vorgenommen werden.

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