BaFin als ein zahnloser Tiger

In der Vergangenheit fehlten der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zum Großteil die rechtlichen Grundlagen, um in Sachen dubiose Geldanlagen, grauer Kapitalmarkt und Verbraucherschutz überhaupt tätig werden zu können. Die Schuld der Untätigkeit lag dabei eher beim säumigen Gesetzgeber als bei der BaFin selbst. Dies führte immer wieder zu Missverständnissen und zu Vorwürfen in Richtung BaFin. Jüngste Beispiele, mit denen sich die BaFin konfrontiert sah, waren die S&K Gruppe sowie die INFINUS Gruppe. Zehntausende Anleger haben allein durch den Niedergang der vorgenannten Teilnehmer des mit Totalverlust behafteten grauen Kapitalmarktes insgesamt ca. 2 Milliarden Euro verloren.

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Neue Rechte und Pflichten für die BaFin

Nun jedoch kann bzw. muss die BaFin im Sinne des Verbraucherschutzes eingreifen. Dies ergibt sich aus einer durch das Kleinanlegerschutzgesetz herbeigeführten Änderung des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes. Im betreffenden Artikel 1 des Kleinanlegerschutzgesetzes heißt es dazu sinngemäß u.a.:

  • Die Bundesanstalt ist innerhalb ihres gesetzlichen Auftrags auch dem Schutz der kollektiven Verbraucherinteressen verpflichtet.

und weiter

  • Unbeschadet weiterer Befugnisse nach anderen Gesetzen kann die BaFin gegenüber Unternehmen alle Anordnungen treffen, die geeignet und erforderlich sind, um verbraucherschutzrelevante Missstände zu verhindern oder zu beseitigen, wenn eine generelle Klärung im Interesse des Verbraucherschutzes geboten erscheint.

Es folgt sodann die Erklärung, was ein Missstand ist.

Dazu ist ausgeführt:

  • Ein Missstand ist ein erheblicher, dauerhafter oder wiederholter Verstoß gegen ein Verbraucherschutzgesetz, der nach seiner Art oder seinem Umfang die Interessen nicht nur einzelner Verbraucherinnen oder Verbraucher gefährden kann oder beeinträchtigt.

BaFin verfügt über ein Produktinterventionsrecht

Auch das Produktinterventionsrecht wurde mit dem Kleinanlegerschutzgesetz als § 4b in das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) eingeführt. Mit dieser Maßnahme wurde der kollektive Verbraucherschutz explizit als Aufsichtsziel der BaFin verankert. Damit sind von der Bundesregierung zumindest erste Bestrebungen für mehr Verbraucherschutz im Finanzmarkt zu sehen, insbesondere hinsichtlich der negativen Entwicklungen am Grauen Kapitalmarkt.Letztlich erhält die BaFin mit § 4b WpHG das Recht zur Produktintervention gegen Emittenten, Marketing, Vertrieb und gegen Fehlverhalten von Marktteilnehmern als Bestandteil eines behördlichen “Product-Governance”-Prozesses.

Die Rechte der BaFin

Vereinfacht gesagt kann (muss) die BaFin auf Grundlage der neuen Gesetzlichkeiten nunmehr vollumfänglich die Produktintervention (bis hin zum Verbot, aber auch Nichtzulassung vor Einführung des Produktes) wie auch die Verhaltensintervention (z.B. Vertriebsverbot) betreiben.

  • In Sachen Produktintervention können Beschränkungen/Verbote von der BaFin z.B. dann ausgesprochen werden, wenn das Finanzinstrument erhebliche Bedenken für den Anlegerschutz aufwirft oder das Finanzinstrument eine Gefahr für die Finanzmärkte darstellt.
  • In Sachen Verhaltensintervention ist zu beachten, dass sich die Maßnahmen der BaFin auch direkt gegen Personen richten können. Das bedeutet, dass sich Maßnahmen der BaFin gegen alle Personen oder Unternehmen richten können, deren Tätigkeit oder Verhalten nach Ansicht der BaFin zu missbilligen ist. Eine Verhaltensintervention der BaFin kann sich direkt gegen einzelne Finanzanlagenvermittler, Haftungsdächer oder auch Pools richten.

Erkenntnisgewinnung durch die BaFin

Die Frage, wie die BaFin selbst Erkenntnisse sammelt um letztlich gegen bestimmte Missstände einzuschreiten, beantwortet die BaFin nach Angabe der Kanzlei Dr. Jürgen Machunsky selbst. Dort werden u.a. folgende Erkenntnisquellen beispielhaft genannt:

  • Kundenbeschwerden,
  • eigene Marktbeobachtung,
  • Auswertung von Presse- und Fachartikeln,
  • Austausch von Informationen mit der Deutschen Bundesbank und anderen nationalen und internationalen Aufsichtsbehörden und auch
  • Auswertung der Daten der Finanzmarktwächter der Verbraucherzentralen.

Möglichkeit der Selbstreinigung

Im Umkehrschluss bedeutet dies für seriöse Finanzanlagenvermittler oder auch verantwortungsvolle Pools, dass diesen nunmehr eine Möglichkeit an der Hand gegeben wurde selbst für einen sauberen Markt zu sorgen, indem sie nachweisliche Verdachtsmomente zu "unsauberen" Produkten und "unsauberen" Verkaufs- bzw. Vertriebsmethoden direkt an die BaFin melden können. Dieselbe Möglichkeit können selbstverständlich auch Verbraucher bzw. Anleger selbst nutzen.

Bedeutung für den Vertrieb

Alle Unternehmen und Personen, die Finanzinstrumente vertreiben, müssen die Grundsätze der BaFin zur Produkt- und Verhaltensintervention beachten. Dies gilt völlig unabhängig davon, welchen aufsichtsrechtlichen Statuts die betreffenden Vermittler haben. Mithin gilt dies z.B. für alle Finanzanlagenvermittler, für Vertriebe und für Pools, aber auch für sogenannte Haftungsdächer und deren Vermittler (Tied Agents). Zu testen sein wird, ob direkt oder indirekt auch Versicherungsvermittler mit Sicht auf anlagebasierende Versicherungsprodukte (z.B. Fondspolicen) betroffen sind. Zumindest wäre aus Verbraucher- bzw. Anlegersicht schwer erklärlich, warum diese nicht betroffen sein sollten, nur weil das Anlageprodukt in einem Versicherungsmantel verpackt wurde.

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Nur eine Übergangslösung bis MiFIR

Die Regelung in § 4b WpHG stellen in gewisser Weise eine Übergangslösung bis zum Inkrafttreten der europäischen Finanzmarktverordnung MiFIR dar (Markets in Financial Instruments Regulation - EU Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.05.2014), die in den Art. 39 bis 43 zukünftige Produktinterventionsmöglichkeiten der europäischen und der nationalen Aufsichtsbehörden auf nationaler Ebene regeln wird. Mit einem Inkrafttreten von MiFIR wird Anfang 2017 zu rechnen sein; bis dahin dürfte § 4b WpHG für die BaFin ein geeignetes Mittel sein, um den Zeitraum bis dahin aus Sicht des Verbraucher- bzw. Anlegerschutzes relativ gut zu überbrücken.

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