Psychologie-Professor Roy Baumeister hat durch Versuche erkannt, dass unsere Willenskraft wie ein Muskel funktioniert: Bei Dauerbeanspruchung wird sie schwächer. Kein noch so trainierter Kraftsportler kann unendlich viele Liegestütze hintereinander wegpumpen - irgendwann ist seine Kraft erschöpft. Ebenso verhält es sich mit der Willensstärke. Auf de anderen Seite - und das ist die gute Nachricht - lassen sich Muskeln auch trainieren. Dann steigert sich die Zahl an Liegestützen. Ebenso können wir unsere Willensstärke ertüchtigen, mit sie mehr leisten kann.

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Kraft systematisch und richtig dosiert einsetzen

Da Willensstärke wie ein Muskel funktioniert, bedeutet das unter anderem, dass Sie Ihre Willensstärke nach dem gleichen Prinzip trainieren können wie Ihre Muskelkraft. Dieses Prinzip lautet: die Kraft systematisch und in der richtigen Dosis gebrauchen. Wenn Sie sie zu selten verwenden, verkümmert sie. Wenn Sie sie zu intensiv einsetzen, versiegt sie. Die richtige Dosis heißt: Sie wählen eine Übung, die Sie anstrengt, aber nicht auslaugt, und wiederholen diese Übung so lange, bis Sie sie locker absolvieren. Dann ist Ihre Kraft größer geworden.

Das spüren Sie nicht nur äußerlich, das ist sogar im Gehirn nachweisbar - bei trainierten Muskeln ebenso wie bei einem trainierten Willen: Früher gingen Wissenschaftler davon aus, dass sich das entwickelte Gehirn nicht mehr verändert. Heute weiß man, dass diese These nicht stimmt, dass sogar das Gegenteil zutrifft. Sobald ein bestimmtes Areal im Gehirn regelmäßig stark gefordert ist, entstehen dort zusätzliche Nervenzellen und zwischen ihnen Verschaltungen. Die Gehirnmasse wird an dieser Stelle dichter, im Prinzip wie ein Muskel, der durch Übung an Masse und Kraft gewinnt.

Beispiel: Jugendliche, die viel auf dem Smartphone schreiben, haben im Hirnbereich, der für die Steuerung der Daumen zuständig ist, mehr graue Masse als Erwachsene, die das nicht tun.
Memory-Spieler entwickeln umso mehr Verbindungen zwischen den Hirnarealen für Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit, je öfter und intensiver sie Memory spielen.

Genauso verhält es sich im präfrontalen Cortex, dem für Willensstärke-Entscheidungen zuständigen Hirnbereich. Menschen, die verstärkt Willensentscheidungen treffen, also ihre Gedanken und Gefühle zur Steuerung des Handelns regulieren, entwickeln im präfrontalen Cortex mehr graue Hirnsubstanz. Das erklärt, warum viele bekannte Leistungssportler auch beruflich erfolgreich sind. Um ihre sportlichen Ziele zu erreichen, mussten sie sich disziplinieren und anstrengen. Das stärkte nicht nur ihre körperlichen Fähigkeiten, sondern auch ihre Willensstärke. Damit taten sie sich auch im Beruf leichter, das für den Erfolg Wichtige anzupacken.

Absolvieren Sie ein Willensstärke-Training

Absolvieren Sie also ein Willensstärke-Trainingsprogramm, in dem Sie über einen bestimmten Zeitraum hinweg systematisch kleine Willensentscheidungen treffen.

  1. Wählen Sie eine einfache Verhaltensweise, die Sie sich an- oder abgewöhnen möchten, z. B. immer fünf Minuten vor einem Termin vor Ort sein, beim Arbeiten keine Hintergrundmusik mehr hören, täglich ein zehnminütiges Gymnastikprogramm absolvieren, immer aufrecht und nicht gekrümmt stehen, bewusst langsamer atmen…
  2. Achten Sie darauf, dass Sie dieses Ziel zwar fordert, aber nicht übermäßig belastet.
  3. Nehmen Sie sich nur ein einziges Ziel vor und konzentrieren Sie sich darauf, immer und immer wieder konsequent die gewünschte Verhaltensweise zu zeigen.
  4. Machen Sie das Training so lange, wie Sie es interessant und herausfordernd finden.
  5. Fordert Sie das Training nicht mehr, weil Sie etwa Ihr Trainingsziel erreicht haben, suchen Sie ein neues Verhaltensziel.

Dieses Programm wirkt auf die Willensstärke wie ein Hanteltraining auf die Muskeln. Je öfter Sie die Sache anpacken, desto stärker wird Ihre (Willens-)Kraft.

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Mehr dazu:
Willensstärke: Energien freisetzen und Ziele erreichen
Haufe-Lexware, 1. Auflage August 2015, 128 Seiten broschiert und Kindle Edition
SBN-10: 3648070983 ISBN-13: 978-3648070987

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