Ab 2016 will die Generali per Gesundheits-App Daten von Versicherungskunden erheben und gesundheitsbewusstes Verhalten mit Prämien-Ersparnissen belohnen. Aber das könnte erst der Startschuss sein, denn auch andere Versicherer wie die Axa und die DKV experimentieren bereits mit Fitnessarmbändern und Smart-Watches. „Wenn du mir sagst wie gesund du lebst, sage ich dir, wie viel du sparen kannst“: So könnte in wenigen Jahren das Motto der neuen PKV-Tarife lauten.

Anzeige

"Der gläserne Kunde ist nicht unser Ziel"

Doch wie weit darf der Datenhunger der Versicherungen gehen? Ist es angemessen den Lebenswandel eines Kunden zu überwachen, seine Ernährung und seine sportlichen Aktivitäten, vielleicht sogar seinen Schlafrhythmus? Oder ist dies der Punkt, an dem der Konsument seine Freiheit für ein paar Euro Prämienersparnis opfert? Diese Fragen beschäftigen nicht nur Datenschützer, sondern werden auch in der Versicherungsbranche kontrovers diskutiert. Aktuell warnt Dr. Ralf Kantak, Chef der Süddeutschen Krankenversicherung a.G. (SDK), vor sogenannten Telematik-Tarifen in der Krankeversicherung.

„Durch solche Tarife käme es zwangsläufig zu einer Entsolidarisierung. Wenn aufgrund von Datensammeln individuelle Tarife entstehen, wird das Solidarprinzip der Versichertengemeinschaft, das einen zentralen Kern der Privaten Krankenversicherung darstellt, aufgelöst“, sagt Kantak laut einer Pressemeldung des Versicherers.

Kantak verspricht, die Süddeutsche Krankenversicherung werde einen anderen Weg als die Mitbewerber am Markt gehen, denn der „gläserne Kunde“ kann und soll keineswegs das Ziel seines Unternehmens sein. „Das ist nicht unsere Zielrichtung oder Politik, denn gerade die SDK mit ihrer genossenschaftlichen Orientierung und einem generationenübergreifenden Tarifwerk ist dem Solidaritätsprinzip und den Mitgliedern besonders stark verpflichtet.“ Stattdessen wolle man das Profil als Gesundheitsspezialist stärken, zum Beispiel durch das Angebot passgenauer Produkte und Dienstleistungen. „Dafür brauchen wir keine Telematik-Tarife“, so der SDK-Chef.

Warnung vor einer „Misstrauenskultur“ in der PKV

In seiner Argumentation greift Ralf Kantak einen zentralen Kritikpunkt der Telematik-Gegner auf. Während die Generali und andere Versicherer betonen, dass die neuen Tarife freiwillig seien, lässt sich diese Freiwilligkeit nach Einschätzung des Vorstandschefs nicht lange aufrecht erhalten. „Was passiert aber mit den Kunden, die nicht bereitwillig ihre Gesundheitsdaten zur Verfügung stellen?“ Diese müssten dann mit Tarifaufschlägen rechnen und deutlich mehr bezahlen. Kantak warnt vor einer „Misstrauenskultur durch (…) elektronische Überwachung“.

Denkt man dieses Szenario weiter, könnten die Versicherungskunden langfristig dazu gezwungen werden, einer Überwachung ihres Lebenswandels zuzustimmen. Wer dann raucht, trinkt oder wenig Sport treibt, wird sanktioniert – ein Szenario, dass die Schriftstellerin und Juristin Juli Zeh in ihrem Roman „Corpus Delicti“ entworfen hat. In dieser düsteren Zukunftsdystopie einer „Gesundheitsdiktatur“ müssen die Bürger monatlich Schlaf- und Ernährungsberichte vorlegen, sich den Blutdruck messen lassen und Urinproben abgeben, um einen gesunden Lebenswandel nachzuweisen.

Auch Zeh warnt vor den Gefahren der neuen Gesundheitstarife. „Wir folgen dem Irrglauben, unser Schicksal, sprich unsere Zukunft beherrschen zu können, indem wir ständig alles „richtig“ machen und uns unentwegt selbst optimieren – auf der Arbeit, bei Gesundheit und Ernährung, selbst bei Liebe und Sex“, sagt die Schriftstellerin im Interview mit der Süddeutschen. „Alles ist Leistungssport. Wir glauben, dadurch Kontrolle über unser Leben zu gewinnen. In Wahrheit werden wir manipulierbar und unfrei“.

Auch Debeka gegen Telemonitoring-Tarife

Man muss die Zukunft nicht so düster beschreiben wie Zeh, um sich gegen Telematik in der Krankenversicherung auszusprechen. Neben der SDK hat sich bereits die Debeka gegen den Trend zur Gesundheits-App positioniert – zumindest vorerst. Beitragsnachlässe für Gesunde würden letztendlich dazu führen, dass kranke Menschen ihre Beiträge nicht mehr zahlen können, warnte Uwe Laue auf der Jahrespressekonferenz der Debeka im Mai 2015 (Versicherungsbote berichtete).

Als Alternative kündigte Laue „Tarife mit großen Kollektiven“ an. Nur so sei es möglich, die Beiträge stabil zu halten. Zudem sei es den Versicherungskunden jetzt schon möglich, sich bei Leistungsfreiheit Beiträge anteilig zurückerstatten zu lassen: ein Prinzip, das ebenfalls gesundheitsbewusstes Verhalten honoriert.

Anzeige

Der Trend geht allerdings hin zur Ausnutzung der neuen technischen Möglichkeiten. Und er macht auch vor den Krankenkassen nicht Halt. Vor wenigen Tagen bestätigte eine Sprecherin der Techniker Krankenkasse (TK) gegenüber gruenderszene.de, man wolle zukünftig Fitness-Tracker wie die Apple Watch mit bis zu 250 Euro bezuschussen. Voraussetzung ist die Teilnahme an neun verschiedenen Maßnahmen des TK-Bonusprogramms, etwa die Inanspruchnahme einer Vorsorgeuntersuchung oder der Erwerb eines Sportabzeichens. Auch die AOK Nordost erprobt mit ihrer Plattform "AOK mobil vital" die Möglichkeiten von Gesundheit-Apps.

Anzeige