Vom Bankkaufmann zum Hartz IV Makler

Der bis Ende 2004 als Bankkaufmann tätige Kläger erhält mit seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern seit mehreren Jahren vom Jobcenter des Landkreis Mayen-Koblenz Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Anrechnung seines Einkommens aus seiner selbständigen Tätigkeit als Versicherungsmakler.

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Nachdem eine Eingliederungsvereinbarung zwischen den Beteiligten nicht zustande gekommen war, ersetzte das Jobcenter des Landkreis Mayen-Koblenz diese nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II durch einen entsprechenden Verwaltungsakt vom 15.01.2015. Darin war u.a. für die Zeit vom 02.02.2015 bis zum 18.07.2015 die Verpflichtung des Versicherungsmaklers zur regelmäßigen Teilnahme an einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung nach § 16d Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB 11) in der kommunalen Beschäftigungsgesellschaft festgelegt.

Vom Hartz IV Makler zum Ein-Euro-Jobber als Seniorenbetreuer

Für den Versicherungsmakler sollte vor dem Hintergrund seiner beruflichen Interessen, Neigungen und Fähigkeiten ein Einsatz in den Arbeitsbereichen der kommunalen Beschäftigungsgesellschaft und in über diese vermittelten Kooperationsbetrieben in Betracht kommen. Dazu waren nach Meinung des Jobcenters augenscheinlich solche Tätigkeitsbereiche geeignet, welche die vorgenannte Beschäftigungsgesellschaft mit ihren Kooperationsbetrieben anbot:

  • Hausmeistertätigkeiten
  • Betreuungstätigkeiten von Senioren
  • Betreuungstätigkeiten von Kindern und/oder Jugendlichen
  • Betreuungstätigkeiten von behinderten Menschen
  • Hauswirtschaftshelfertätigkeiten
  • Botendienste

Versicherungsmakler und Pflichtbewusstsein

Pünktlich erschien der pflichtbewusste Versicherungsmakler am 02.02.2015 um 9:00 Uhr zum Aufnahmegespräch in der Beschäftigungsgesellschaft. Dann jedoch verbreitete der Versicherungsmakler Ärger, denn er trat die Maßnahme nicht an, weil er darin keinen Sinn sah. Seinen am 18.01.2015 gestellten Antrag auf "Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs" und der "Aussetzung der Vollziehung" lehnte das in erster Instanz zuständige Sozialgericht Koblenz durch Beschluss vom 20.02.2015 ab.

Versicherungsmakler legt Beschwerde beim Landessozialgericht Rheinland-Pfalz ein

Das Sozialgericht habe sich mit seinen Ausführungen erkennbar nicht auseinandergesetzt und bei seiner Entscheidung die aktuelle Rechtsprechung nicht berücksichtigt, so die Beschwerde des Versicherungsmaklers, welche er nunmehr beim Landessozialgericht Rheinland-Pfalz einlegt. Die Voraussetzungen des § 16d Abs. 1 Satz 1 SGB II seien in seinem Falle nicht erfüllt. Die ihm zugewiesenen Arbeiten seien jedenfalls nicht zusätzlich. Zudem liege bei ihm ein atypischer Sonderfall vor, da er seinen eigenen Bedarf mit seinem Einkommen als Versicherungsmakler decken könne und damit seine individuellen Pflichten erfüllt habe. Es gäbe - und dies habe das Bundessozialgericht wiederholt entscheiden - keinen Leistungsanspruch der Bedarfsgemeinschaft.

Versicherungsmakler erhält Recht beim Landessozialgericht Rheinland-Pfalz

Die Beschwerde sei zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag des Versicherungsmaklers zu Unrecht abgelehnt. So das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Versicherungsmaklers vom 17.01.2015 gegen den Eingliederungsverwaltungsakt des Jobcenters Landkreis Mayen-Koblenz vom 15.01.2015 ist gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ganz anzuordnen.

Versicherungsmakler sind keine Kinder-, Senioren- oder Behindertenbetreuer

Im Weiteren führt das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz aus (Zitat): "Der Antragsgegner (Anm. Jobcenter) geht offenbar davon aus, dass für die konkreten Tätigkeiten keinerlei Vorbildung oder sonstige Voraussetzungen erforderlich sind, so dass jede Person unabhängig von ihrer bisherigen beruflichen Tätigkeit oder Erfahrung in diesem Bereich (eigenständig) eingesetzt werden kann. Dieser Auffassung schließt sich der Senat nicht an. Neben den hohen fachlichen Voraussetzungen, wie sie sich zum Beispiel im Studiengang Soziale Arbeit oder in der Ausbildung zum Erzieher/in widerspiegeln, sind auch erhebliche persönliche Voraussetzungen, wie zum Beispiel Einfühlungsvermögen, Toleranz, erforderlich, um in dem gesellschaftspolitisch so wichtigen und sehr vielfältigen Bereich tätig sein zu können. Bei der Betreuung von Senioren und behinderten Menschen spielen geistige, psychische und/oder körperliche Beeinträchtigungen eine Rolle. Der Betreuer muss die speziellen Bedürfnisse der Betroffenen erkennen, sie begleiten und im Rahmen ihrer Möglichkeiten fördern."

Beschluss ist nicht anfechtbar

Der Beschluss des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz (AZ L 3 AS 99/15 B ER) zu Gunsten des Versicherungsmaklers ist im Übrigen nach § 177 SGG nicht anfechtbar. Dies führt zu einer weiteren Frage.

Kommen jetzt weitere Aufstockungsanträge aus dem Versicherungsvermittler- und Versicherungsberater-Bereich?

Da nach verschiedenen Erhebungen nicht nur Versicherungsmakler sondern auch etliche Versicherungsvermittler und wohl auch einige Versicherungsberater derart wenig Gewinn erzielen, dass sie davon kaum leben können, ist diese Frage durchaus zu stellen. Man wird sehen, ob die Betroffenen den Mut haben sich derart zu outen, dass sie bei der zuständigen Agentur für Arbeit um Aufstockung nach ALG II / SGB nachsuchen.

Sinkende Verdienstmöglichkeiten (Provisions-/Courtagekürzungen) durch das Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) sowie das Einbrechen der Neugeschäftszahlen bei Lebens- und Vollkrankenversicherungen, zu spät erfolgter oder noch möglicher (Neueinsteiger) Aufbau von Bestandsprovisionen/-courtagen und längere Stornohaftungszeiten könnten einen solchen Trend beschleunigen. Dies vor allem auch vor dem Hintergrund von nahezu gleichbleibenden Stornoquoten (allerdings zum alten, höheren Provisions-/Courtagesatz).

Im Weiteren könnten von sich aus aufgebende Versicherungsvermittler/-berater ebenso betroffen sein wie auch solche, die wegen handwerklicher Fehler zum Aufgeben gezwungen wurden (z.B. verlorene Prozesse wegen fehlender oder fehlerhafter Dokumentation, Falschberatung etc.).

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Die Bundesagentur für Arbeit hat auf ihren Internetseiten einen Musterberechnungsbogen für Selbständige Arbeitslosengeld II zur Verfügung gestellt.

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz

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