Wie können die Bundesbürger dazu gebracht werden, mehr für das Alter vorzusorgen? In einem aktuellen Positionspapier spricht sich der Dachverband der Versicherungswirtschaft (GDV) für ein sogenanntes Opting-Out-Verfahren in der betrieblichen Altersvorsorge aus. Die Idee dahinter: Jeder Arbeitsvertrag, der in Deutschland abgeschlossen wird, enthält eine Klausel, dass der Beschäftigte automatisch in die betriebliche Altersvorsorge einzahlt. Erst wenn der Arbeitnehmer schriftlich dagegen Einspruch erhebt, partizipiert er nicht an der bAV. Auch die Bundesregierung will Betriebsrenten im Kampf gegen Altersarmut verstärkt fördern.

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“Viele Angebote zu schlecht“

Obwohl das Positionspapier erst wenige Stunden alt ist, provoziert es schon jetzt heftige Kritik. Nach Interpretation der Verbraucherorganisation Bund der Versicherten e.V. (BdV) sind viele aktuelle Angebote zur betrieblichen Altersvorsorge schlicht zu schlecht, als dass sie eine sinnvolle Vorsorge darstellen. Vorstandssprecher Axel Kleinlein bemängelt: „Schlechte Rentabilität und Intransparenz wie wir sie aus der Lebensversicherung und der Riester-Rente kennen, gibt es auch in der betrieblichen Altersvorsorge. Bevor gesetzlich ein Einzahl-Automatismus festgeschrieben wird, müssen die Angebote besser werden“.

Kleinlein geht sogar noch weiter und bezeichnet viele Betriebsrenten als „legalen Betrug“. Die Angebote seien ähnlich überteuert kalkuliert wie die privaten Angebote der Lebensversicherer und würden letztlich auf der Hoffnung einer akzeptablen Überschussbeteiligung basieren. „Mit neuen Gesetzen wurde in den letzten Jahren die Überschussbeteiligung massiv geschwächt, ebenso in der betrieblichen Altersvorsorge“, erläutert der Versicherungsmathematiker. „...daher gilt auch hier, dass viele Angebote letzlich legaler Betrug sind“. Zudem müssten auf Betriebsrenten hohe Sozialabgaben gezahlt werden – ein Umstand freilich, den der GDV in seinem Positionspapier ebenfalls kritisiert.

Zusätzliche Probleme gebe es mit der Transparenz der Angebote. Da formal der Arbeitgeber der Versicherungsnehmer ist, würden die Arbeitnehmer oft keine ausreichenden Informationen über ihre Vorsorge bekommen, moniert der BdV. „Die Arbeitgeber sind sich oft nicht im Klaren, welche Verantwortung sie haben, ihre Mitarbeiter hinreichend über die Vor- und Nachteile der betrieblichen Altersvorsorge aufzuklären“, so Kleinlein. Er warnt vor Haftungsrisiken besonders für kleine und mittelständige Unternehmen. So sei bei einigen Angeboten nicht einmal gewährleistet, dass die Mindest-Standards laut Betriebsrentengesetz eingehalten werden.

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Weitere Kritik an der betrieblichen Altersvorsorge

Fehlende Transparenz, hohe Kosten, unabwägbare Haftungsrisiken? Man mag das Urteil des BdV für zu pauschal halten – auch bei den Betriebsrenten hängt die Qualität vom jeweiligen Angebot ab. Versicherungsbote hat in einer Modellrechnung nachzuweisen versucht, dass (bei stärkerer staatlicher Förderung) der Verbraucher sogar von niedrigen Sparbeiträgen profitieren würde. Fakt ist jedoch, dass die betriebliche Altersvorsorge zunehmend kontrovers diskutiert wird. So ist der BdV längst nicht der einzige Kritiker des aktuellen Modells:

  • Was über Entgeltumwandlung bei Betriebsrenten eingespart wird, geht der gesetzlichen Sozialversicherung teilweise verloren, kritisiert die Linke im Bundestag. Die Bundesregierung hat auf Anfrage der Partei bestätigen müssen, dass die bAV ein jährliches Loch von 1,5 Milliarden Euro in die gesetzliche Rentenkasse reißt (Drucksache 18/4362).
  • Belasten Betriebsrenten überproportional die Arbeitnehmer? Diese Kritik wurde von Gewerkschaftsvertretern geäußert. Der Hintergrund: Während in der gesetzlichen Rentenversicherung Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu gleichen Teilen einzahlen, ist dies in der bAV nicht garantiert. Arbeitgeber können in der Ansparphase ihren Anteil an den Sozialversicherungsbeiträgen durch die Entgeltumwandlung einsparen. Dennoch sind sie nicht verpflichtet, sich mit eigenen Beiträgen am Aufbau der bAV zu beteiligen. Die Realität spiegelt diese Kritik nur bedingt wieder. Es gibt auch Modelle, bei denen sich die Arbeitgeber am Vermögensaufbau beteiligen oder diesen sogar allein stemmen.
  • Die niederländische KAS Bank e.V. hat in einer Analyse festgestellt, dass die Vertragskosten für Betriebsrenten in Deutschland deutlich höher liegen als in anderen Ländern - zu Lasten der Verbraucher. Während in den Niederlanden pro Jahr rund 0,179 Prozent des gesamten Altersvorsorgevermögens an Kosten anfallen, liegt das jährliche Kostenniveau in Deutschland hingegen um fast 20 Prozent über dem niederländischen Wert. Auch dies sei teils auf die fehlende Transparenz der Verträge zurückzuführen.
  • Betriebsrenten werden auf die Grundsicherung im Alter angerechnet. Gerade für Geringverdiener lohne sich diese Vorsorge deshalb nicht, kritisieren Verbraucherschützer. Hier fordert auch der GDV Nachbesserungen – und Freibeträge für Bürger, die zusätzlich privat vorsorgen.
BdV

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