Die Bundesregierung hat sich für diese Legislaturperiode viel vorgenommen. Ein neuer Pflegebegriff soll eingeführt werden, der auch Beeinträchtigungen wie Demenz berücksichtigt. Auch will man die Situation von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen insgesamt verbessern. Doch wenn der zweite Schritt der Pflegereform wie geplant umgesetzt wird, könnte genau das Gegenteil eintreten: Hunderttausende Menschen mit schwerer Beeinträchtigung erhalten dann weniger Geld als heute.

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Dies legt eine Studie der Universität Bremen nahe, über die am Freitag die Süddeutsche Zeitung und die BILD berichteten. Das Ergebnis: Etwa 28 Prozent der neuen Heimbewohner, die jetzt die Pflegestufe 1 oder 2 erhalten würden, dürften unter den geplanten Änderungen weniger Geld zugesprochen bekommen. In der Pflegestufe 3 sind es immer noch 9 Prozent der Patienten, deren Bezüge sich verschlechtern. Dies gilt nur für Neupatienten, da bisherige Pflegebedürftige ihre Pflegestufe behalten. Aber: Die Betroffenen werden weniger Geld bekommen, als wenn sie im geltenden System zu Pflegefällen geworden wären.

Pflegereform erzeugt Gewinner und Verlierer

Durchgeführt wurde die Untersuchung unter der Leitung des Pflege-Wissenschaftlers Heinz Rothgang im Auftrag der Bundesregierung und der Krankenkassen. Wie hoch die Einbußen im konkreten Fall sein können, geht aus den veröffentlichten Daten nicht hervor. Die Studie soll im Laufe der Woche veröffentlicht werden.

Aber es gibt auch viele Gewinner der Reform. 31 Prozent der Stufe 1 und 38 Prozent der Stufe 2 würden im Vergleich zu heute bessergestellt. In der Pflegestufe 3 würden sogar 45 Prozent profitieren. Demenzkranke erhalten sogar erstmals umfangreiche Leistungen aus der Pflegekasse. Die geplante Reform soll nach Berechnungen des Bundesgesundheitsministeriums 2,4 Milliarden Euro Mehrkosten pro Jahr verschlingen. Unabhängige Gesundheitsexperten gehen sogar von 4 Milliarden Euro Kostensteigerung aus.

5 Pflegegrade statt bisher 3 Pflegestufen

Die Bundesregierung plant ab 2017 eine Neuregelung der Pflegestufen. Für Patienten, deren Pflegebedürftigkeit erstmals ermittelt werden muss, sollen dann fünf sogenannte Pflegegrade gelten statt -wie bisher- 3 Pflegestufen. Wichtigstes Ziel der Reform ist es, jenen Demenzkranken, die bisher kaum Leistungen aus der Pflegekasse erhalten, mehr Förderung zukommen zu lassen. Denn bisher sind vor allem körperliche Beeinträchtigungen ausschlaggebend für die Erteilung einer Pflegestufe, nicht jedoch geistige – obwohl eine Demenz mit erheblichem Betreuungsbedarf einher geht.

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Eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums sprach laut dpa von „falschen Annahmen“ über die Auswirkungen der Reform. Die Studie diene zwar der Vorbereitung des Gesetzes, stelle aber nicht deren Inhalt dar. „Kein Pflegebedürftiger, der heute Leistungen aus der Pflegeversicherung erhält, wird durch die Umstellung schlechter gestellt“, sagte die Sprecherin. Die bisherigen Pflegestufen und die neuen Pflegegrade seien nicht vergleichbar. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz mahnte hingegen Nachbesserungen an. „Die Regelung benachteiligt künftige Pflegebedürftige in einem viel zu großen Ausmaß“, sagte Vorstand Eugen Brysch der dpa.

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