Zu Riesters Rente schreibt „Die Welt“, kaum ein Produkt sei in der Vergangenheit von „Finanzexperten so in den Himmel gelobt und zugleich von anderen zur Hölle verdammt worden“. Tatsächlich scheint bei Anhängern und Gegnern der Riester-Rente eine jeweils unterschiedliche Mathematik zu gelten. Das ist natürlich, der Naturgesetze wegen, unmöglich! Deswegen kaprizieren sich die Kritiker der geförderten Zusatzrente auf die Kosten der Produkte. Dem entgegen betonen die Versicherer die Rendite ihres Riester-Angebots.

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Riestergesetz nicht verstanden

Riester sei „im Grundsatz immer noch kompliziert, komplex und unflexibel", zitiert „Die Welt“ einen „Finanzexperten“ vom Verbraucherschutz. Wie „komplex“ und „kompliziert“ voneinander abzugrenzen sind, hat die Zeitung nicht überliefert – Begründungen für diese Aussagen: auch nicht. Ist aber auch kompliziert zu rechnen – oder nicht? Vier Prozent vom Brutto abzüglich Zulagen ist gleich Riester-Eigenbeitrag. Eventuelle Steuervorteile legt das Finanzamt obendrauf; automatisch. Damit ist das mit dem Riester in einem Satz erklärt.

Papierhürden sind beherrschbar

Die verbleibenden Papier-Hürden wie Versicherungs- und Zulagenantrag sind für einen guten Riester-Verkäufer beherrschbar. Weiter geht es. Wer nun, wie Verbraucherschützer es tun, geförderte Renten als „unflexibel“ bezeichnet, der zeigt, dass er erst das Riester-Gesetz 2002 und später, ab dem Jahr 2005, auch Professor Rürup und „seine“ Basis-Rente nicht verstanden hat. Diese Aussage ist keine Meinung, sie ist logisch. Im Folgenden wird es begründet.

Riester-Rente = Gesetzliche Rente

Offiziell heißen die angesprochenen Gesetze bekanntlich Altersvermögensgesetz und Alterseinkünftegesetz. Beide Gesetze fördern das Sparen fürs Alter mit Steuervorteilen oder auch Zulagen. Umgekehrt lautet der Deal: (fast) nur Rentenleistungen. Es war sozialpolitisch gewollt, dass im Alter kein Kapital, sondern nur Renten-Raten ausgezahlt werden sollen. Und weil namentlich mit der Riester-Rente Teile der Gesetzlichen Altersvorsorge lediglich umverteilt werden, so bleibt die Förderrente doch das, was sie immer war: Gesetzliche Rente; seit 2002 nur in zwei Töpfen. Ein Zweitopf-Hybrid sozusagen.

Möglich: Mehr Rente durch Riester

Ein Riester-Sparer (32 Jahre alt, 2.500 Euro Monatsbrutto, Sparrate 100 Euro) hat nach 35 Jahren, mit 4,0 Prozent Zins und bei typischen Kosten, gut 75.000 Euro Kapital angesammelt. Das macht in Rente gerechnet im Alter 67 knapp 190 Euro lebenslänglich. Der Rentenfaktor wurde mit 25 Euro Rente je 10.000 Euro Vermögen bewusst niedrig angesetzt. Diesem möglichen Renten-Mehrwert stehen die garantierten Kürzungen der Gesetzlichen Rente gegenüber.

Garantiert: Weniger Rente durch Riesters Gesetz

Minister Walter Riester und seine Fachleute haben nach der Jahrtausendwende einfach mal die Renten gekürzt und so getan, als würde jeder Werktätige ab 1. Januar 2002 jährlich vier Prozent seines Bruttogehalts „riestern“. Und das rechnen wir nun einmal: Nein, das brauchen wir nicht zu rechnen. Die Aktuare haben bei den Kürzungen genau so gerechnet wie oben: mit 4 Prozent Sparbeitrag und 4 Prozent Zins. Nur das Vorzeichen ist umgekehrt: minus 190 Euro ist die Renteneinbuße nach Rentenformel (wegen des Altersvorsorge-Abschlags, kurz AVA).

Ist denn die Gesetzliche Rente „flexibel“?

Systematisch gesehen holt sich der Sparer seine Rentenkürzungen lediglich wieder zurück. Falls er riestert. An dieser Stelle wäre die Erklärung von Riester & Co eigentlich beendet, wäre da nicht der Vorbehalt, Riester sei unflexibel. Aber einmal dagegen gefragt: Machen denn die „Versicherungs-Bedingungen“ der Deutschen Rentenversicherung (DRV) die Staatsrente „flexibel“? Die DRV hat noch niemand kritisiert, weil mein dort kein Geld herausnehmen oder umverteilen darf.

Riester = Teilkapitalisierung der Gesetzlichen Rente

Nichts herausnehmen? Tatsächlich hat Walter Riester den Rententopf doch teilweise geöffnet! Unser Musterkunde (siehe oben) kann in der Riester-Welt immerhin 30 Prozent, rund 23.000 Euro bar aus dem Riester-, also seinem Renten-Topf entnehmen. Dadurch sinkt im Musterbeispiel zwar die regelmäßige Zahlung von knapp 190 auf zirka 130 Euro im Monat. Aber der Rentner ist in seiner Entscheidung frei. Ergo: Wenn Riester im materiellen Ergebnis nicht anderes ist als umverteilte Gesetzliche Rente ist, dann sind 30 Prozent erlaubte Barentnahme eine Teilkapitalisierung der Rente.

Das System ist stimmig

Dennoch brandmarken Verbraucherschützer die Riester-Rente als unflexibel. Weil sie die vorstehend genannte Logik, hinter der haarkleine Berechnungen stecken, nicht verstanden haben. Aber wenn der Bürger genau „seine“ vier Prozent vom Brutto riestert, die ihm seit inzwischen 13 Jahren von der Rente gekürzt wurden, dann ergeben Renten-Minus und Riester-Plus ein Nullsummenspiel. Ist Riester dann also sinnlos?

Der Einzelfall passt nicht immer

Alles zurück auf 2001, als die Welt ohne Förderrenten noch in Ordnung war oder schien? Nein, denn trotz Minizinsen, die vor zehn Jahren nicht zu erahnen waren, produziert die Riester-Rente Kapitaldeckung: Zins. Und jeder Zins-Euro entlastet die Rentenkasse, die große Rentenkasse in Berlin ebenso wie den Geldbeutel der Rentensparer. Dennoch muss der Einzelfall gesehen werden. Jeder Bürger sollte rechnen - besser rechnen lassen - wie viel Geld er für später zur Seite legen sollte.

Geliehene statt eigene Kompetenz

Zurück zum Zeitungsbericht der „Welt“: „Die Riester-Rente lohnt sich nicht zuletzt durch die Förderung gerade in der Niedrigzinsphase. Das haben Studien der Stiftung Warentest und des ITA belegt"; so wird Alexander Erdland, bekanntlich Chef des Versicherer-Verbands zitiert. Mit dem „ITA“ meinte Erdland das Institut für Transparenz, Berlin. Statt Studien zu bemühen und Lobbyisten-Aussagen ungeprüft abzudrucken, hätte die „Welt“ auch eine Berechnung liefern können.

Aus vier werden fast fünf Prozent Rendite

Oben im Musterbeispiel (Riester-Sparer, 32 Jahre alt, 2.500 Euro Monatsbrutto, Sparrate 100 Euro) kamen nach 35 Jahren und 4,0 Prozent Rendite nach (typischen) Kosten etwa 75.000 Euro Kapital heraus. Wenn der Riester-Sparer Single ist, also 154 Euro Zulage bekommt, dann steigt seine Rendite von 4,0 auf knapp fünf Prozent (4,8%). Das ergab keine Studie, sondern eine Berechnung mit dem finanzmathematischen Taschenrechner.

Vier Prozent Rendite sind unmöglich

Natürlich sind mit mündel-/sicheren Anlagen derzeit keine vier Prozent zu erzielen. Mehr ist dazu nicht zusagen. Ältere Jahrgänge um die 50 müssen also sehr, sehr genau rechnen lassen.

Jüngere Riester-Sparer, und genau die sind von der Politik gemeint, sollten deshalb auf höhere Anlageklassen setzen, und so beraten werden; das ist der Job der Versicherungsvermittler. Breit gestreute Aktien, am besten in Index-Fonds, und 35 Jahre Sparzeit sollten kein Anlass zur Beunruhigung des Riester-Rentners der Zukunft sein.

22 Prozent Rendite sind möglich

Eine junge Mutter, 32, bleibt auf Dauer zuhause und erzieht zwei Kinder. Für die Zwillinge bekommt sie jeweils 300 Euro Riester-Zulage. Zusammen mit ihrem Eigenbeitrag von 60 Euro fließen jährlich 660 Euro in den Vertrag. Bei nur 3 Prozent Verzinsung stehen nach 20 Jahren, wenn die Kinderzulagen erlöschen, 18.000 Euro „auf der Uhr“. Damit hat sich ihr Jahres-Eigenbeitrag von 60 Euro Jahr für Jahr mit 22 Prozent verzinst.

Unterm Strich 12 Prozent

Bis 67 zahlt die Frau ihre 60 Euro weiter und hat zum Rentenbeginn ein Riester-Kapital von fast 30.000 Euro. Über die gesamte Laufzeit berechnet haben sich 60 Euro Jahresbeitrag immerhin noch mit 12 Prozent rentiert. Produktkosten sind bei diesem rein finanzmathematischen Beispiel nicht enthalten. Aber es wurde auch nur mit 3,0 Prozent Zins gerechnet. Außerdem wäre im Rendite-Ergebnis von 12 Prozent bis null Prozent noch „Luft“ für Kosten.

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Die Welt ist nicht genug

Die Frau muss beim Riestern nur durchhalten. 60 Euro pro Jahr. Klar ist auch: Auch Riester-Sparer, die 100 Euro und mehr anlegen, müssen durch zahlen bis 67. Aber das ist kein Unterschied zur Gesetzlichen Rente. Die kann man ja auch nicht beitragsfrei stellen.
Aber das alles, weder Zahlen, noch eingeordnete Zusammenhänge, all das steht nicht in der „Welt“, weswegen es sich vor allem für Finanzexperten lohnt, Fachmagazine zu lesen. Die Welt ist nicht genug.

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