Im September 2014 kündigte die Allianz Versicherung eine Digitalisierungsoffensive an – zukünftig sollen alle Versicherungen auch online angeboten werden. Doch genau dieser Vorstoß provoziert nun eine breite Gegenfront aus dem eigenen Hause. Wie die Wirtschaftswoche berichtet, machen Versicherungsvertreter der Allianz ihrem Ärger über die Konzernspitze in sozialen Netzwerken Luft. Einer nicht öffentlichen Facebook-Gruppe kritischer Allianzer haben sich bereits über 630 Mitglieder angeschlossen.

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Verärgert sind die Allianz-Vertreter über die angeblich zu niedrige Gewinnbeteiligung und die Verlagerung des Neugeschäfts ins Internet. “Wir sollten mal einen auf GDL machen“, schreibt ein Mitglied mit Blick auf jene Lokführer-Gewerkschaft, die derzeit die gesamte Republik lahmlegt. Ein anderer beklagt sich, die niedrigen Margen für Vertreter seien eine „Farce“.

Viele Allianz-Agenturen haben wirtschaftliche Probleme

Tatsächlich zeigt eine interne Umfrage der Allianz-Vertretervereinigung aus dem Jahr 2013, dass sich unter den Vermittlern Unmut breitmacht. Fast drei Viertel der deutschen Allianz-Vertreter würden ihren Kindern nicht empfehlen, ihre eigene Agentur zu übernehmen, so habe die Befragung von 3.600 Vertretern ergeben. Und 56 Prozent der befragten Agenturen beklagten einen Gewinnrückgang gegenüber 2012.

Ein weiterer erschreckender Tatbestand: Rund die Hälfte der Agenturen, die seit 10 bis 15 Jahren betrieben werden, haben mit Liquiditätsengpässen zu kämpfen. Viele Niederlassungen seien gar auf Kredite angewiesen, um weiter Versicherungen vertreiben zu können.

Nun droht die Digitalisierungs-Offensive, diese Situation weiter zu verschärfen. Die Allianz will sich mit einer Generalüberholung ihres Online-Angebotes fit machen für die Zukunft. Die Tarife sollen einfacher gestaltet, der Online-Auftritt komplett umgebaut werden. Damit will man auch für Endgeräte wie Smartphones und Tablets benutzerfreundlicher werden. Ein Schnellrechner soll zudem die Prämie schon nach der Eingabe weniger Angaben wie etwa Alter oder Wohnort ausspucken. Viele Kunden werden dann gleich im Netz abschließen und gar nicht mehr zu einer Agentur gehen.

Allianz strebt Hybrid-Strategie an

Der scheidende Deutschland-Chef Markus Rieß hatte bereits im Herbst letzten Jahres die Vertreter zu besänftigen versucht. Man verfolge eine Hybrid-Strategie, was bedeute, dass Internet- und Filialvertrieb verzahnt werden und sich gegenseitig ergänzen. "Wir haben unser neues Konzept vor tausenden von Vertretern vorgestellt und viel Beifall erhalten", sagte Rieß damals der Süddeutschen Zeitung. Ob es überhaupt eine Alternative zu der Online-Offensive gibt, ist umstritten. Aktuelle Untersuchungen wie die KUBUS-Studie aus dem Hause MSR Consulting zeigen, dass der Versicherungskunde eine Ansprache über alle Kanäle erwartet.

Und die Konkurrenz schläft nicht. Versicherer wie die HUK Coburg haben weit zeitiger als der Branchenführer ihren Online-Auftritt optimiert. Das kostete der Nummer 1 auf dem Heimatmarkt wichtige Marktanteile, speziell in der Sach- und Autoversicherungssparte. Mit Google steht ein mächtiger Mitbewerber in den Startlöchern, um mit „Google Compare“ ein Vergleichsportal für Versicherungen in Deutschland anzubieten. Verpasst die Allianz hier den Anschluss, könnte sie schon bald das Nachsehen haben.

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Die Vertreter aber haben schon einmal gezeigt, dass sie ihre Interessen durchsetzen können. 2009 musste die hauseigene Online-Marke „Allianz24“ in Allsecur umbenannt werden, weil die Vermittler fürchteten, ihre Kunden wechseln zur billigeren Anbieter mit demselben Namen. Und als die Mitarbeiter keine Prämie zum 125jährigen Jubiläum erhalten sollten, sorgte ein Shitstorm im Intranet für ein Umdenken der Konzernspitze. Auch damals begannen die Mini-Revolten mit unzufriedenen Stimmen im Internet - die schnell zu einem kleinen Sturm anwuchsen.

WirtschaftsWoche Online

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