Testsiege und -siegel haben bei Kunden von Versicherungen einen hohen Stellenwert. Für viele Verbraucher sind sie ausschlaggebend, ob sie sich für oder gegen ein Angebot entscheiden. Schließlich bürgen Testsiegel dafür, dass die Qualität und Güte eines Produktes von unabhängiger Stelle geprüft wurde. So zumindest in der Theorie, denn wenn man einer aktuellen Stichprobe der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen Glauben schenkt, zeigen sich bei den Gütesiegeln viele Ungereimtheiten.

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Gütesiegel wie „Testsieger“ oder „Top-Anbieter“ führen mitunter in die Irre

Für eine aktuelle Stichprobe wollte die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen wissen, ob die Flut an Auszeichnungen und Gütesiegeln in der Versicherungsbranche den Ansprüchen standhält. Die Analyse der Referenzen von 20 Versicherungen zeigte aber teils ernüchternde Ergebnisse und lassen darauf schließen, dass es um die Transparenz derartiger Testsiegel nicht immer gut bestellt ist.

So sahen sich die Verbraucherschützer gleich vierfach mit dem Titel "fairster Kfz-Versicherer 2014" konfrontiert: bei der Aachen/Münchener und Signal-Iduna, bei der DEVK und LVM. Hinter dieser Umfrage steckte das Wirtschaftsmagazin Focus Money. Die Zeitschrift hatte - wie die Jahre zuvor - eine Umfrage bei mehreren tausend Fahrzeughaltern in Auftrag gegeben. Fiel die "subjektive Einschätzung" über die Assekuranz "sehr gut" aus, gab`s den Superlativ-Titel. Bei wem es noch zum "guten" Eindruck gereicht hatte, der durfte sich als "fairer Kfz-Versicherer" feiern.

Allzu fair scheint aber selbst Focus Money die Benotung nicht immer ausgefallen zu sein. So sei etwa die Versicherungssparte des ADAC für die Manipulationen beim Autopreis ,Gelber Engel‘ abgestraft worden: Bei der Gesamtzufriedenheit ging`s von Platz eins im Vorjahr runter auf Platz neun ("fairer Versicherer"). Ein Beleg für Focus Money, dass die persönliche Einschätzung von "der Strahlkraft der Marke gelenkt" werde.

Der Automobilclub wird`s verkraften. Umfasst seine Web-Leistungsschau als "schönsten Beweis für die Qualität und die Leistungen der Produkte" doch weitere 29 Auszeichnungen. Das bedeutete lediglich "gehobenes Mittelfeld". Im Check schmückten sich die 20 Versicherungen mit insgesamt fast 550 Testsiege(l)n. An der Spitze standen die Alte Leipziger und die Inter, die mehr als 50 Auszeichnungen auf ihrer Webseite aufführen.

Alle Versicherungen sind irgendwie „Top“ – und alle irgendwie gleichzeitig

Vorsicht ist laut Verbraucherzentrale auch geboten, wenn das Wort "Top" fällt. Denn dieses wird gar inflationär verwendet. Da feierte sich etwa die WGV als "Top Kfz-Versicherer 2014", die HUK konterte mit dem Emblem "bester Kfz-Versicherer 2014". Beide waren gekürt - mal wieder - von Focus Money.

Ebenso reüssierte die DKV als "Top Krankenversicherer 2014". Das ist mutig. Denn im zugehörigen Test waren gleich elf Gesellschaften besser platziert. "Top Top Top" jubelte wiederum die Barmenia über ein "sehr gut" bezogen auf ihren Zahnzusatz-Tarif. Ein Blick ins Finanztest-Heft offenbarte, dass nicht weniger als neun Tarife das "Top Top Top" übertroffen hatten. Damit mag die Versicherung immer noch gut abgeschnitten haben – aber eben nicht „Top“!

Die Bezeichnung „Top“ wird sogar gern benutzt, wenn man bei einem Ranking im gehobenen Mittelfeld der getesteten Tarife landete. "Immer top" heißt es etwa auf der Helvetia-Seite zur eigenen Privathaftpflichtversicherung. Hervorgehoben wurde ein Finanztest-Siegel, das sich auf einen mit "1,0" bewerteten Privathaftpflicht-Tarif bezog. Das stimmte. Allerdings hatten die Berliner Policen-Checker gleich 17 Konkurrenz-Tarife besser benotet!

Bei Ökotest landen 21 Versicherungen gleichzeitig auf dem zweiten Rang

Dass es auf dem Siegertreppchen mitunter eng werden kann, ja sogar sehr eng, zeigte die Auswertung eines Produktvergleichs der Zeitung Ökotest. So schaffte es etwa eine Hausratversicherung der DEVK (Komfort) laut Testsiegel auf den "2. Rang". Doch auf dem Rang war ein reges Gedränge zu beobachten. Tatsächlich hatten 27 Konkurrenz-Tarife mit ihren Policen besser abgeschnitten: davon sechs im "1." und 21 im "2. Rang“!

Die Flut der Auszeichnungen verwundert vielleicht nicht, wenn man bedenkt, dass die Marktforschungs- und Verbraucherinstitute mit den Testsiegeln gutes Geld verdienen. Unternehmen, die mit dem Original-Signet werben wollen, müssen oftmals hohe Summen zahlen. Locker einige tausend Euro kann es beispielsweise kosten, das Logo von Focus Money oder der Stiftung Warentest zu verwenden. Die Zeitschrift Ökotest kassiert "netto" knapp 700 Euro.

Verwundert es da, dass zahlreiche Magazine und Institute Sieger am Fließband küren und „beste Tarife“ gleich von mehreren Versicherungen auszeichnen? Mitunter gibt es sogar Siegel für ganz spezielle Zielgruppen. Ein Kfz-Tarif der Axa etwa war für „40jährige Kunden...besser als der Durchschnitt“ - für 20jährige aber wurde die Police weit weniger gut bewertet. Und dies galt auch nur für die Teilkasko, während das Vollkaskoangebot sogar schlechter als der Durchschnitt bewertet wurde. Doch Versicherungen und Institute profitieren von derartigen Zuspitzungen gleichermaßen: Der Versicherer kann bei einer bestimmten Zielgruppe werben, das testende Institut sein Testsiegel verkaufen.

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Sich von Testsiegeln nicht blenden lassen!

Die Konsequenz der Stichprobe: Verbraucher sollten nicht allein auf derartige Testsiegel achten. Sie können eine erste Orientierung bieten – weit wichtiger sind aber die konkreten Leistungen eines Versicherungstarifes. Grundsätzlich gilt, dass die Qualität eines Vertrages auch von den individuellen Wünschen und Ansprüchen eines Versicherungsnehmers abhängig ist. Beispielsweise kann selbst ein Testsieger-Tarif der Stiftung Warentest in der privaten Krankenversicherung für Versicherungsnehmer völlig ungeeignet sein, wenn er für bestimmte Hilfsmittel, auf die der Versicherte angewiesen ist, nicht aufkommt.

Verbraucherzentrale NRW (mit Material einer Pressemitteilung)

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