Globalen Internetkonzernen wird schon seit einiger Zeit voraus gesagt, dass sie ihre Datenhoheit nutzen werden, um Versicherern das Geschäft streitig zu machen. Gleichzeitig gewinnen Start-ups mit versicherungsnahen Dienstleistungen Marktanteile. Versicherungsunternehmen werden oftmals als Spielball des Marktes dargestellt, deren Geschäftsmodell langfristig gefährdet ist. Die Teilnehmer der Expertenstudie „Versicherungsvertrieb der Zukunft“ der Versicherungsforen Leipzig, der IKOR Management- & Systemberatung GmbH und der Fachhochschule Dortmund, in der Fach- und Führungskräfte der Assekuranz zu aktuellen Marktentwicklungen befragt wurden, bestätigen dieses Szenario jedoch nicht.

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Google bedroht Kernkompetenz der Versicherer nicht

Die Experten der Studie kommen zu der Einschätzung, dass niedrige Gewinnmargen, eine weitgehende Marktsättigung, der intensive Wettbewerb und hohe regulatorische Anforderungen den Versicherungsmarkt für Investitionen unattraktiv machen. Start-ups besetzen hingegen maximal Nischensegmente. Die Kernkompetenz der Versicherer – die Bereitstellung von umfassendem Versicherungsschutz – ist daher momentan nicht bedroht. Auch wenn eine Gefährdung des originären Versicherungsgeschäfts durch neue Markteilnehmer derzeit nicht erwartet wird, werden die Aktivitäten potenzieller Konkurrenten genau beobachtet.

Geschäftsmodelle in Ausschließlichkeit und Maklervertrieb bedürfen digitaler Neuerung

Digitalisierung insgesamt ist und bleibt ein zentrales Thema in der Assekuranz. Besonders der Vertrieb muss sich aktuell auf die neuen Bedingungen einstellen. Vor allem die Vertriebswege Ausschließlichkeit und Maklervertrieb bedürfen einer digitalen Erneuerung der Geschäftsmodelle, sind sich die befragten Experten einig.

Die Nutzung vorhandener und neuer Technologien in der Breite der Vermittlerschaft ist dabei ein zentraler Stellhebel, um die Vermittlerbetriebe in eine erfolgreiche Zukunft zu führen. Das entscheidende Kriterium wird hierbei die weitere Professionalisierung hinsichtlich der Prozess-, Regulierungs-, Digitalisierungs- und Kundenanforderungen innerhalb der Agenturen und Maklerunternehmen sein, heißt es in der Studie. Wettbewerbsfähig kann nur bleiben, wem es gelingt, sein Geschäftsmodell in die vollständig vernetzte Welt zu übertragen. Sowohl von den Vermittlern selbst als auch den Versicherern ist dafür ein Umdenken gefragt.

Vertriebsprozesse verbessern durch zentrale Daten und Omnikanal-Ansatz

„Die Studie zeigt, dass die Versicherer deutlich erkannt haben, welche erfolgskritische Rolle der technologischen Erneuerung zukommt“, erläutert Jörg Heibutzki, Leiter des Bereichs Versicherungen bei IKOR. „Der Schlüssel ist die durchgängige Unterstützung aller Vertriebsprozesse in Verbindung mit hoher Integration der zentralen Daten und Anwendungen.“ Seiner Erfahrung nach bildet ein Omnikanal-Ansatz die Lösung, um einerseits die Vertriebswege optimal zu unterstützen und anderseits die veränderten Kundenerwartungen zu erfüllen. „Um die notwendige Digitalisierung voranzutreiben, ist die beruhigende Nachricht, dass die technologischen und organisatorischen Erweiterungen schrittweise mindestens genauso gut möglich sind wie in einem Big-Bang-Szenario“, so Heibutzki weiter.

„Die fortschreitende Digitalisierung führt auch in Bezug auf Versicherungsvertrieb zu einem neuen Selbstverständnis der Kunden, das sich sowohl in den gestiegenen Erwartungen an Produkte und Services, als auch im selbstbewussten Umgang mit dem Thema Versicherungsschutz äußert“, sagt Mario Gärtner, Kompetenzfeldleiter Versicherungsvertrieb bei den Versicherungsforen Leipzig. „Und dies ist nur ein Aspekt, auf den sich die Vermittler gegenwärtig einstellen müssen. Die sich wandelnden Herausforderungen stellen die vorhandenen Geschäftsmodelle derzeit hart auf die Probe.“

Standards in Beratung und Produktgestaltung

Nach Einschätzung der befragten Experten wird zudem das Thema Aus- und Weiterbildung weiterhin an Relevanz gewinnen, damit die Beratungsqualität des Versicherungsvertriebs langfristig gesichert werden kann.

Zwei Schlüsselmaßnahmen sind dabei entscheidend, um den durch externe Faktoren bedingten steigenden Anforderungen an die Beratungsqualität gerecht zu werden: Zum einen gilt es, die aktuellen Aus- und Weiterbildungskonzepte zu intensivieren und nachhaltig weiterzuentwickeln, um eine dauerhaft hohe Vermittler- und Beratungsqualität sicherzustellen. Zum anderen müssen Standards sowohl in der Beratung als auch in der Produktgestaltung etabliert werden. Nur so lassen sich eine hohe Vergleichbarkeit und Transparenz am Markt erzeugen, die langfristig zu einer Qualitätssteigerung führen, meinen die Experten.

Provisionsbasierter Vertrieb bleibt vorerst primäres Vergütungsmodell

Unter dem Paradigma „Evolution statt Revolution“ wird es vor allem in den dominierenden Vertriebswegen Ausschließlichkeit und Maklervertrieb zu einer gezielten Weiterentwicklung kommen müssen. Das derzeitig primär vorherrschende Vergütungsmodell innerhalb der Versicherungsbranche, der provisionsbasierte Vertrieb, bleibt nach Meinung der Experten auch weiterhin das Vergütungsmodell der nahen Zukunft.

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Jedoch wird es auch hier zu Anpassungen kommen müssen, um den regulatorischen und geschäftsbedingten Anforderungen gerecht zu werden. So ist die Umstellung der klassischen auf Abschlussprovisionen ausgerichteten Systeme hin zu einem Mischsystem aus Abschluss-, Betreuungs-, und Bestandsprovision kurzfristig unausweichlich.

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