"Der Kapitalismus ist die Krise!", skandieren die jungen Linken. Und so mancher arrivierte Bürger mit Eigenheim und Sparehrgeizig mag hier wohl, heimlich, fast geneigt sein, zuzustimmen. Denn die Finanz- und Eurokrise fordert seit Jahren ihre Opfer. Dabei findet "die Krise" ihre Opfer nicht mehr nur an den sogenannten Rändern der Gesellschaft. Auch der Mittelstand spürt allmählich den beängstigenden Sog in den sozialen Abstieg.

Bisher hat es vor allem die Menschen in Griechenland, Spanien oder Portugal getroffen, die jungen Leute hier, auch die Akademiker, "finden" keine Arbeit, weil es keine gibt, und viele Rentner verarmen bitterlich, so die Zeit. In Deutschland des Jahres 2000 betrug der Anteil der so genanten Mittelschicht laut DIW 64 Prozent an der Gesamtgesellschaft. Heute sind es nur noch 60 Prozent. Die Oberschicht ist gewachsen - noch viel mehr aber die Unterschicht. Laut "Sozialbericht" von 2008 nahm die Einkommensungleichheit Ausmaße an, wie selten in den vergangenen Jahrzehnten. Immer mehr teile sich die Gesellschaft auf in unten und oben. Und dazwischen würde es dünner, schreibt Spiegel-online. Seit dem Jahr 2010 haben auch Sparer in Deutschland finanzielle Einbußen von bereits rund 112 Milliarden Euro durch die extrem niedrigen Zinsen zu verkraften gehabt. Im laufenden Jahr werden weitere 71 Milliarden Euro dazu kommen. Aber zum Teil, so schreibt die Welt, sind die Leute selbst Schuld.

Die Ökonomen der Deutsche Zentral Bank (DZ Bank) haben eine umfangreiche Berechnung angestellt, die die Welt veröffentlichte und die das Gesagte unterstreicht. Sie haben dabei nicht nur die Verluste beleuchtet, die auf den Tagesgeldkonten durch das Verschwinden der Zinsen entstehen, sondern auch jene, die bei Lebensversicherungen oder über Anleihen anfallen. Diese Zahlen haben die Ökonomen den Zinsgewinnen, über die sich Kreditnehmer freuen können, gegenübergestellt. Das Ergebnis macht staunen.

Sparer verlieren 112,5 Milliarden Euro

Denn die Berechnung offenbart, dass jeder Deutsche zwischen 2010 und 2014 im Schnitt bereits rund 1.400 Euro an Zinsverlusten, nach Abzug der Ersparnisse bei Krediten, erlitten hat. Ingesamt ergibt sich daraus die beeindruckende Summe von 112,5 Milliarden Euro. Das macht mehr als ein Drittel dessen aus, was der deutsche Staat in diesem Jahr insgesamt ausgibt. Und allein in diesem Jahr sind noch einmal 71 Milliarden Euro an Zinsverlusten zu erwarten – rund 900 Euro je Bundesbürger.

Bedenkt man nun, dass die Zinsen weiter gesunken sind und ein Ende der Niedrigzinsphase am Horizont jedenfalls nicht aufscheint, kann man sich die Tendenz der kommenden Verluste ungefähr ableiten. "Sollte es bis Ende 2020 dauern, bis das Normalzinsniveau wieder erreicht wird, erleidet ein heute 47-Jähriger bezogen auf das durchschnittliche Geldvermögen insgesamt Zinseinbußen von 4.900 Euro", hat DZ-Bank-Ökonom Michael Stappel ausgerechnet. Bringt Sparen also überhaupt nichts? Ob man seine Banknoten Zuhause hinter dem Sofakissen versteckt oder auf einem Tagesgeldkonto hortet, es würde keinen Unterschied mehr machen. Die niedrigen Zinsen schlagen unerbittliche Schneisen durch das einst so wohlstaatliche Europa und hinterlassen Heerscharen trauriger Sparer.

Denn wenn man den Zinseszinseffekt berücksichtigt, so ergeben die Einbußen bis zum Renteneintritt addiert einen Verlust von 8.200 Euro. Wenn es bis 2025 dauern sollte, ehe die Zinsen wieder auf ein normales Niveau ansteigen, würden die Verluste sogar auf 9.600 Euro und mit Zinseszinseffekt auf 13.500 Euro anwachsen. Für den Durchschnittssparer bedeutet dies einen drastischen Strich durch seine Rechnung, denn sein Geldvermögen beträgt gerade einmal 56.700 Euro, rein statistisch gesehen. Was als normales Zinsniveau betrachtet werden kann, ist laut Stappel das, was Sparer zwischen 1999 und 2009 als Renditen erzielen konnten. Die Zinsen waren in der Zeit davor außerordentlich hoch. Sie wurden in die Höhe getrieben durch hohe Inflationsraten sowie eine hohe Kreditnachfrage, beispielsweise während des Wirtschaftswunders oder während des Aufbaus in Ostdeutschland. In den vergangen fünf Jahren aber sind die Zinsen kontinuierlich gesunken. Wer spart, bleibt arm.

Zinsniveau - Tendenz weiter fallend

Keine Arbeit, keine Zinsen, keine Aussichten. Wer wirklich auf den grünen Zweig kommen will, muss zu anderen Maßnahmen greifen. Seit dem Ende der 90er-Jahre hatte sich das Niveau beispielsweise für Bankeinlagen zwischen 2,0 und 2,8 Prozent eingependelt und lag im Schnitt in dieser Zeit bei 2,3 Prozent. Im Jahr 2014 allerdings erzielten die Sparer nur noch 0,6 Prozent auf ihr Erspartes und die Tendenz: ist weiter fallend. Die privaten Haushalte haben allein in diese Anlageform rund 1,9 Billionen Euro investiert. So ist der Zinsrückgang in diesem Bereich für den Löwenanteil der Verluste verantwortlich. Die Verluste beliefen sich von 2010 bis 2014 auf rund 111,7 Milliarden Euro. Bei Versicherungen, also vor allem Lebens-Policen, beliefen sich die Verluste bis 2014 auf insgesamt 47,5 Milliarden Euro, bei festverzinslichen Rentenpapieren und Rentenfonds auf 31,2 Milliarden Euro. Dem gegenüber stand eine Zinsersparnis bei Krediten von rund 77,9 Milliarden Euro. Insgeamt also bedeutet das einen Zinsverlust von 112,5 Milliarden Euro innerhalb der fünf Jahre zwischen 2010 und 2014.

"Insgesamt überwiegen für die privaten Haushalte die Nachteile extrem niedriger Zinsen", so Stappels Schlussfolgerung. Ein Grund dafür sei, dass die Deutschen mehr Vermögen als Schulden hätten. In vielen südeuropäischen Staaten nämlich ergibt sich eine ganz andere Bilanz. Dort lässt sich netto, also nach Aufrechnung von Zinsgewinnen und Zinsverlusten, meist sogar ein kleines Plus errechnen. Dass die Leute in Südeuropa damit mehr auf der Bank haben, ist bekanntermaßen aber nicht der Fall.

EZB beschert Aktien Kapitalismus

...,titelt boerse-online.de. Und dass die Deutschen so sehr am Niedrigszins leiden, liegt nicht nur an ihren relativ geringen Schulden, so die Zeit. "Es liegt auch daran, dass private Anleger in Deutschland nur gering in Aktien, Aktienfonds und Zertifikaten engagiert sind und daher kaum an positiven Entwicklungen an den Aktienmärkten partizipieren", sagt Stappel. Allein in den ersten drei Monaten des aktuellen Jahres beispielsweise erhöhte sich der Wert der 30 Dax-Unternehmen um rund 250 Milliarden Euro. Von den Gewinnen der DAX-Unternehmen profitieren allerdings die wenigstens Deutschen. Obschon viele der deutsche Firmen zu den besten der Welt gehören und ihre Mitarbeiter an der Erwirtschaftung der riesigen Gewinne Anteil haben, beteiligt sich kaum ein Mitarbeiter an den Gewinnen - stattdessen gehört die Mehrheit der Aktien der Dax-Unternehmen ausländischen Investoren. Und die können sich über satte Kursgewinne und in den nächsten Wochen auf einen Dividendenzufluss im Wert von 30 Milliarden Euro freuen. Allein jene Dividende übrigens würde bereits die Hälfte der Zinsverluste der Deutschen ausgleichen, die ihnen in diesem Jahr widerfahren werden - dazu aber müssten sie in Aktien und nicht in Tagesgeld investieren, so die Welt.

Nur noch 20 Prozent der Deutschen erwarten, dass die Phase des Niedrigszins in absehbarer Zeit zu Ende sein wird. Das ergab eine Umfrage der Comdirekt Bank. Jeder dritte Deutsche fürchtet sogar, dass die Zinsen noch weiter fallen werden. Bei der konsequenten Konjunkturpolitik, die die EZB betreibt, ist das durchaus nicht unwahrscheinlich. Trotzdem begegnen die wenigsten Deutschen der noch lange andauernde Phase mit logischem Vorgehen, wundert sich die Welt. Nur jeder Fünfte erwäge bisher, seine Geldanlage an die Gegebenheiten anzupassen, zeigte eine Umfrage des Maktforschungsinstituts TNS Emnid im Auftrag der Deutschen Börse. Und jeder Siebte erst hat wirklich schon etwas unternommen, also sein Geld stärker in Aktien und andere Sachwerte angelegt. Unter den TOP-Ten der beliebtesten Anlageformen aber rangiert die Aktie immer noch auf dem letzten Platz. Viel beliebter, aber leider nicht "zeitgemäß" - da sie nur Minizinsen einbringen - sind Girokonto, Sparbuch, Bausparvertrag, Lebensversicherung oder Bargeld.

Rosige Aussichten auf dem Aktienmarkt

Am Aktienmarkt hingegen geht die Rallye inzwischen wieder wild weiter und wenn die Deutschen hier nicht aufspringen, werden sich ihre Zinsverluste in den kommenden Jahren noch steigern, so die Welt. Und der Einstieg in den Aktienmarkt wird einem dieser Tage wirklich sehr leicht gemacht. Hier heißt es: bad news are good news. Bad news, also gute Gelegenheiten für den Aktienkauf, gab es in den vergangenen Monaten zahlreiche: Terror in Europa, Flugzeugabsturz, Ukraine Konflikt, Flüchtlingskatastrophe in Syrien, Ebola... - es sind – abgesehen von den Zinsentscheidungen der EZB- die großen internationalen Krisen, die den Dax bewegen. Angst lässt die Börsen immer ins Minus schießen, so die Zeit. Wer damit kein Problem hat, kann, während andere Menschen gerade schlimm leiden, sehr günstig ein paar Aktien einkaufen. Wenn man sich also entscheiden muss, ob man "oben" oder "unten" dazugehören will, wird die Entscheidung gegen die Moral scheinbar alternativlos. Kurzum: "Die EZB wird die Pferde in Euroland zum Saufen bringen, koste es, was es wolle.", bilanziert boerse-online das Kippen sozialer Standards zum Wohle des Einzelnen treffend, besser: zum Wohle Vereinzelter.



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