Fellbach in der Nähe von Stuttgart ist ein beschauliches Städtchen. Fachwerkhäuser und alte Kirchen prägen das Stadtbild, an den fruchtbaren Bergen wird spätestens seit dem 13. Jahrhundert Wein angebaut. Ein „Besinnungsweg“ soll zu Müßiggang und innerer Einkehr einladen. Doch bei der Süddeutschen Krankenversicherung (SDK), die hier ihren Sitz hat, ist es mit der Beschaulichkeit vorbei. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, klagen die Mitarbeiter über zunehmenden Druck und eine beschädigte Unternehmenskultur.

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Bei dem Versicherer herrsche seit Monaten „eine Stimmung wie im Kühlhaus“, zitiert das Münchener Blatt einen Mitarbeiter. Zahlreiche Führungskräfte haben die SDK verlassen oder verlassen müssen – zuletzt im März Vorstand Volker Schulz, der über viele Jahre hinweg das Unternehmensklima mitprägte. Laut dem Zeitungsbericht sei die Drohung mit Abmahnungen verbreitet, das Klima vergiftet.

Konzernumbau mit Hilfe externer Beratungsfirmen

Was also ist passiert im Ländle? Vieles deutet darauf hin, dass der Aufsichtsrat der SDK einen Konzernumbau „mit der Brechstange“ durchsetzen will. Nachdem der langjährige Vorstandsvorsitzende Klaus Henkel in den Ruhestand verabschiedet wurde, holte man mit Ralf Kantak einen neuen Mann, der zuvor in Diensten der Württembergischen Versicherung stand. Der neue Chef gilt als forsch und ehrgeizig. Mit Hilfe von externen Beratern machte er sich daran, den Versicherer nach seinen Vorstellungen umzubauen. Sein Rezept: mehr Druck, mehr Härte, weniger Harmonie?

Kantak bezeichne die Mitarbeiter als Zitronen, die man ausquetschen müsse, zitiert die Süddeutsche eine interne Kritikmail, die an alle 650 Mitarbeiter verschickt wurde. Der neue Stil wäre auch deshalb schade, weil die SDK bei Vermittlern und Kunden einen guten Ruf genießt. 2014 erhielt sie von FOCUS Money zum wiederholten Male den Titel "Fairster privater Krankenversicherer" mit der Note "sehr gut". Auch in Rankings von Assekurata und Stiftung Warentest konnte der Versicherer überzeugen, der Kundenservice gilt als überdurchschnittlich. Nun zerstöre die Führungsebene den guten Ruf und das Vertrauen, heißt es in der Mail - „mit vorbehaltloser Billigung des viel zu politisch besetzten Aufsichtsrates“.

Spekulationen: Wird die SDK von der R+V geschluckt?

Mit dem Umbau reagiere die SDK auf den Druck, der durch die niedrigen Zinsen, Verschärfungen im Aufsichtsrecht und der politischen Debatte über die Bürgerversicherung entstehe, vermutet die Süddeutsche. Neben dem PKV-Geschäft ist der Anbieter auch mit Lebensversicherungen auf dem Markt – eine Sparte, die ebenfalls kriselt. Ganze 634.000 Kunden zählt der Versicherer, der Umsatz beträgt 810 Millionen Euro. Und so gibt es Spekulationen, wie es langfristig mit dem Anbieter weitergehen könnte.

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Die SDK ist Teil des Finanzverbunds aus Raiffeisen- und Volksbanken. Der Verbund kontrolliert auch einen weit größeren Versicherer: Die R+V Versicherung mit über 14.000 Mitarbeitern und 12,753 Milliarden Euro Umsatz. Zielen die aktuellen Veränderungen darauf, dass die Süddeutsche Krankenversicherung leichter vom größeren Versicherer geschluckt werden kann? Einige interne Kritiker vertreten diese These, heißt es in dem Zeitungsbericht. Der Vorwurf steht zumindest im Raum.

Süddeutsche Zeitung

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