Im verhandelten Rechtsstreit war ein Bauarbeiter aus Nordrhein-Westfalen mit 4,9 Promille in die Klinik eingeliefert wurden und musste für zehn Monate krank geschrieben werden. Sein Absturz war so schwer, dass er auf der Intensivstation künstlich beatmet werden musste. Das ärztliche Gutachten attestierte dem Mann eine langjährige Alkoholsucht mit typischen Folgeerkrankungen wie Leberzirrhose und Gallenkomplikationen. Mehrmals hatte der Mann schon versucht, eine Entziehungskur zu machen und trocken zu werden – erfolglos. Immer wieder griff er zur Flasche.

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Doch kann der Arbeitgeber einem Alkoholkranken einfach das Gehalt streichen – zumal, wenn sich der Betroffene selbst bemüht, den „Teufel Alkohol“ loszuwerden? Nein, urteilte das Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Demnach müssen Unternehmen ihren alkoholabhängigen Beschäftigten auch sechs Wochen lang das Gehalt weiterzahlen, wenn sie krank geschrieben sind.

Rückfälle einer Alkoholsucht sind nicht als Selbstverschulden zu werten

Die Begründung der Richter: Sucht und Rückfälle seien nicht als Selbstverschulden zu werten, womit ein Anspruch auf Lohnfortzahlung verwirkt wäre. Vielmehr müsse auch eine Alkoholsucht als Krankheit anerkannt werden. In der Urteilsbegründung heißt es: "Die körperliche und psychische Abhängigkeit vom Alkohol, die es dem Patienten nicht mehr erlaubt, mit eigener Willensanstrengung vom Alkohol loszukommen, schließt in diesem Zeitpunkt ein Verschulden des Erkrankten aus." Die Richter bestätigten damit die beiden Urteile der Vorinstanz, die ebenfalls zugunsten des Arbeitnehmers entschieden hatten (Urteil vom 18.03.2015, Az.: 10 AZR 99/14).

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Seinen Job ist der Mann freilich dennoch los. Schon fünf Tage nach der Klinikeinlieferung schickte ihm die Baufirma eine fristlose Kündigung. Nachdem sich der Alkoholkranke nach seinem Genesen mit einer Kündigungsschutzklage gewehrt hatte, einigten sich beide Parteien, das Arbeitsverhältnis einen Monat nach dem neuerlichen Rückfall zu beenden. Hätte der Arbeitgeber nicht vor Gericht verloren, wäre die Krankenkasse des Alkoholabhängigen mit einem Krankengeld von 32 Tagen mal 40,73 Euro eingesprungen.

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