Auch wenn ein Provisionsverbot aktuell in Deutschland kein Thema ist, fürchten viele Vermittler, langfristig könnte es noch kommen. Was aber würde dies für die Vermittlerbranche bedeuten? Wäre ein Vermittlersterben zu befürchten, wenn -zumindest in bestimmten Sparten- nur gegen Honorar beraten werden darf? Hier lohnt es sich, nach Großbritannien zu schauen, wo seit 2013 ein Provisionsverbot für Investmentfonds und Altersvorsorge-Produkte besteht.

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Honorarberatung brachte keinen deutlichen Beraterschwund

Doch die Erfahrungen auf der Insel sind keineswegs negativ, berichtet Paul Stanfield, Generalsekretär des britischen Beraterverbandes Federation of European Financial Advisers and Intermediaries (FECIF). In einem Interview mit der Fachzeitschrift Das Investment gab der Finanzexperte über die Vor- und Nachteile der Regulierungsmaßnahme Auskunft. Von den Kunden, die sich mit dem Thema beschäftigen, seien überwiegend positive Rückmeldungen gekommen, so Stanfield: „Die Objektivität der Anlageberatung wurde gelobt, das Vertrauen in die Berater stieg“. Allerdings gibt es zahlreiche Möglichkeiten, das Provisionsverbot zu umgehen.

Auch ein Vermittlersterben setzte infolge des vermeintlichen Honorarberatungszwangs nicht ein. „Im Jahr 2008 waren in Großbritannien 38.750 freie Finanzberater registriert. Mittlerweile sind es rund 33.000. Es sind gerade einmal 6.000 Berater vom Markt verschwunden – die Mehrzahl davon waren übrigens Bankberater“, erklärt Stanfield. Zum Vergleich: In Deutschland brach allein die Zahl der Versicherungsvermittler in den letzten Jahren weit heftiger ein. Von Anfang 2012 bis zum Jahresende 2014 verlor die Branche hierzulande 22.500 Vermittler, wie aus Zahlen der DIHK hervorgeht.

Nachteil: Beratungslücke für Menschen mit kleinem Portemonnaie

Aber es gibt auch negative Auswirkungen des britischen Provisionsverbotes – so klagt Stanfield über ein Anwachsen der Beratungslücke. „Nicht alle Menschen können sich das Honorar für eine Finanzberatung leisten. Das betrifft vor allem Geringverdiener. Wer jeden Monat gerade einmal 50 Pfund auf die Seite legen kann, wird keine 500 Pfund [rund 690 Euro, Anm. der Redaktion] für eine Beratung ausgeben.“

Um die Beratungslücke zu schließen, präferiere die Politik das Modell des „simplified advice“ - eine vereinfachte Beratung, die auch online oder am Telefon erfolgen kann. Diese könnten auch Kunden mit kleinem Geldbeutel in Anspruch nehmen. Gerade bei komplexen Finanzprodukten stößt der „simplified advice“ jedoch an seine Grenzen, „denn um solche Produkte zu verstehen, braucht es eine ausführliche persönliche Beratung“.

Ein weiterer Nachteil: Das Provisionsverbot bestehe nicht für die Immobilienfinanzierung und Risiko-Lebensversicherungen. Dies erschwert eine ganzheitliche Beratung, weil die unterschiedliche Vergütung dazu führe, dass Kunden bei verschiedenen Vermittlern und zu unterschiedlichen Beratungsanlässen -etwa Heirat oder Geburt eines Kindes- abschließen. Die strikte Trennung der Vergütungsformen verhindert nahezu, dass die Kunden ihre Finanzberatung aus einer Hand erhalten.

“Deutschland noch in den Kinderschuhen“

Könnte das britische Modell auch für Deutschland Vorbild werden? Dies sieht Stanfield skeptisch. „Der britische Finanzdienstleistungsmarkt ist viel reifer als der deutsche“, so der Finanzberater. So würden strengere Transparenzregeln in Großbritannien schon seit Beginn der 90er Jahre gelten, die Regulierung sei bereits 1988 verschärft worden. Kundenschutz sei zwar gut und wichtig - „aber man darf aus lauter Kundenschutz den Beratermarkt nicht zugrunde richten“, warnt Stanfield.

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Die verschiedenen Altersvorsorge-Modelle lassen sich ohnehin kaum vergleichen, da die staatliche Rente in Großbritannien weit niedriger ist. Sie deckt mit einer pauschalen Grundrente (Basic State Pension) kaum das Lebensnotwendige ab. Der höchste Betrag, den Männer nach 44 Jahren und Frauen nach 39 Jahren Erwerbstätigkeit erhalten können, liegt bei 79,60 Pfund pro Woche, etwas über 100 Euro. Dies entspricht kaum 15 Prozent des durchschnittlichen Bruttogehalts. Auch hierin könnte Großbritannien für Deutschland Vorbild werden: Betriebsrenten und private Altersvorsorge haben in UK traditionell einen höheren Stellenwert.

Das Investment

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