Letzteres scheint wahrscheinlicher, weil Bill Gates mit läppischen 40 Milliarden in Egal-Währung (OK: US-Dollar) als reichster Mann der Welt reicher ist als der Lebensversicherer, der sich bei dem Franzosen massiv, nein (diese Unsinnssteigerung muss hier erlaubt sein) massivst verspekuliert hat. Es geht um mehr als 200 Milliarden Euro - für einen Kunden: Klein Max-Hervé.

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Die Geschichte ist kein vorgezogener April-Scherz. Der in Rede stehende Lebensversicherer Aviva ist offiziell „systemrelevant“. Too big to fail. Irgendwie muss der Versicherer also zahlen, immer, und kann „systematisch“ gesehen nicht pleite gehen. Kann er doch: Denn diese Pleite wird unmöglich zu verhindern sein, weil die Gerichte bisher pro Kunde urteilten!

Fonds „shiften“ - Alles normal, oder?

Der Reihe nach: Max-Hervé George ist 25 Jahre alt. Und superreich. In den Neunzigerjahren, genauer 1997, schloss Georges' Vater für Klein-Max bei der L'Abeille Vie eine einfache Lebensversicherung ab. Einzahlungssumme: umgerechnet 8.000 Euro. L'Abeille Vie, ein Lebensversicherer, ist heute dem britischen Aviva-Versicherungskonzern zugehörig; einer der weltgrößten Versicherer. Und dies wird noch sehr, sehr wichtig - und buchstäblich systemrelevant!

Vertragsgegenstand für Max-Hervé George war eine simple Fondspolice. Und wie bei fast allen Fondspolicen darf der Kunde sein Kapital in andere Fonds umschichten („shiften“). Zur Auswahl steht eine Reihe von Fonds, die der Versicherer anbietet. Soweit entspricht dies alles einer normalen Fondspolice. Das Besondere bei Max-Hervé George: Er, besser gesagt sein Vater als Erziehungsberechtigter und Versicherungsnehmer, hat laut Vertrag das Recht, in beliebige (zur Auswahl stehende) Fonds zu wechseln. Mit dem gesamten Kapital. Das ist soweit auch normal, aber …

Gewinnen mit den Lottozahlen von letzter Woche - Cours connu

Aber jetzt kommt es! Klein-Max' Vater durfte zu den Endkursen des jeweils vergangenen(!) Freitags umschichten - rückwirkend. Das Prinzip ist kein Irrtum, sondern es war Vertriebsargument und Vertragsbestandteil. Es hieß offiziell „Cours connu“ (auf deutsch etwa: bekannte Kurse) und war wie das Tippen auf alte Lottozahlen und Gewinngarantie.

Klein-Max' Vater betrachtete vor dem jeweils nächsten Freitag die Kursentwicklung aller Fonds, nahm den besten davon und schichtete das gesamte Kapital rückwirkend um.

Gewinn? Fast immer - In 15 Jahren 68 Prozent Plus - pro Jahr

Nicht in jeder Woche gewann Max-Hervés Vater, zum Beispiel 2008, als in der Finanzkrise zeitweise, genauer wochenweise, die meisten Kurse einbrachen. In diesen Situationen konnte Väterchen George die Verluste immerhin minimieren. Unterm Strich hat George senior, Vater und Sohn sind Franzosen und in der Schweiz ansässig, sagenhafte 68 (und ein bisschen) Prozent Rendite pro Jahr erzielt.

Auch bei fallenden Kursen profitierten Vater und Sohn. Weil sie stets zu historischen Kursen gekauft haben und ihr gesamtes Kapital nach Wahl umschichten konnten – entsprechende rückwirkende Wertstellung inklusive. Der Versicherer, damals die L'Abeille Vie, seit 2002 der Aviva Konzern, verkaufte das System als Arbitrage-Modell (in der strengen Definition: risikolose, sichere Gewinnerzielung durch das Ausnutzen von Preisunterschieden). Und Vater George handelte danach. Immer das Kapital zu besten Alt-(!)-kursen umschichten.

Zwischenzeitlich hatten L'Abeille Vie, beziehungsweise Aviva. den meisten Kunden die beschriebene Option „Cours Connu“ abgekauft – Konditionen sind nicht bekannt. Aber neben Max-Hervé George sollen noch etwa 30 ähnliche Verträge bestehen, berichtete die britische „Financial Times“ im Februar. Das Finanzportal „Business Insider“ aktualisierte in diesen Tagen: Aus den 1997 eingezahlten 8.000 Euro seien inzwischen deren 1,4 Millionen geworden; allein für Klein-Max. Zusammen mit Verträgen des Vaters soll das Vermögen gar 9,6 Millionen Euro betragen.

234 Milliarden Vermögen - Nachzahlen möglich

Die „Financial Times“ hat hochgerechnet. Bleibt es bei dieser fast sicheren Performance, dann steigt das Vermögen auf fantastische 234 Milliarden Euro! Und zwar bereits im Jahr 2030. Bis dahin wird der Aviva-Konzern weiter gegen den Vertrag mit Max-Hervé George klagen. Bisher vergeblich: Von 2007 bis 2014 haben die Georges bisher in Frankreich drei Gerichtsverfahren gegen Aviva gewonnen. Zuletzt im Herbst vor Frankreichs oberstem Gerichtshof, berichten die Quellen.

"Mein Vertrag kann und wird laufen bis ich sterbe"; sagt Max-Hervé George laut Interview-Zitat des „Business Insider“. Jetzt hat er laut „Financial Times“ 19,9 Millionen Euro frisches Geld bei Aviva eingezahlt, das er sich von einer französischen Bank geliehen hat. Und George darf nachzahlen! Der Vertrag mit Aviva schließt das nicht aus, meldet das englische Blatt. Nun beschert Monsieur George der Aviva Probleme, die den Finanzstabilitätsrat auf den Plan rufen müssten.

Aviva ist systemrelevant

Der Finanzstabilitätsrat (FSB), von den G20-Industrieländern in der Finanzkrise gegründet, überwacht das globale Finanzsystem. Unter anderem entscheidet der FSB darüber, welche Banken und Versicherer „systemrelevant“, also zu groß sind , um zu scheitern („too big to fail“). Und weil der FSB es „empfahl“, sind zum Beispiel der Allianz-Konzern und die Deutsche Bank systemrelevant. Und die britische Aviva!

Aber der Aviva geht es nicht gut. Im Jahr 2012 versuchte sich der Konzern durch Beteiligungsverkäufe (und einher gehender Bilanzverkürzung) gesund zu stossen und produzierte damals mehr als 3,5 Milliarden Nettoverlust. Immerhin ist der Börsenwert der Aviva von damals 12,7 auf heute 22,9 Milliarden Euro gewachsen, wenn man den aktuellen Börsenkurs von 7,76 Euro (Stand 17. März 2015) mit 2,95 Milliarden Aktien multipliziert.

Unternehmenswert vs. Vertragswert

Rund 23 Milliarden Euro Unternehmenswert heute genügen nicht, um im Jahr 2030 das Zehnfache an Wert, etwa 234 Milliarden Euro, an Max-Hervé Georges auszahlen zu können. Außerdem ist eine direkte Relation beider Zahlen praktisch unbedeutend und nur ein Volumen-Beispiel. Maßstab ist und bleibt der konkrete Ausgang der Sache in Geld und in einer fraglichen Anzahl von Jahren. Viele dürfen es nicht sein.

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Bis 2030 kann der Aviva-Konzern nur hoffen, dass er mit der Familie George eine Einigung findet, bevor der Konzern, einer der größten Versicherer der Welt, in die Pleite geht.

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