Der Maklerpool Jung, DMS & Cie. KG veranstaltet im August 2015 eine seltsame Weiterbildung. Der Veranstaltungsort, eine Yachtresidenz an der Ostsee, lockt mit Nachtbars, Segeltörns, Massagen und Golf. Zudem dürfen an der 4tägigen Veranstaltung ausschließlich Makler teilnehmen, die Produkte von 7 Versicherungen vermittelt haben, u.a. der Gothaer und HanseMerkur. Wenn sich mehr als 35 Interessenten melden, entscheidet das Losverfahren über die Teilnahme. Je mehr Verträge ein Makler von den beteiligten Produktgebern vermittelt hat, desto besser sind seine Erfolgsaussichten.

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Angesichts des Rahmens drängt sich der Verdacht auf, bei der Veranstaltung handelt es sich eher um eine Incentive-Reise als um eine Veranstaltung, die der Fortbildung ihrer Teilnehmer dient. Dies müsste auch den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) nachdenklich machen. Laut GDV-Verhaltenskodex sind Belohnungsreisen verboten, sofern sie als umsatzbezogene Zusatzvergütung "die Unabhängigkeit des Maklers und das Kundeninteresse beeinträchtigen". Dies gilt nicht nur für die Versicherungen, die sich zum Kodex bekennen, sondern auch für ihre Vertriebspartner. Müsste der Verband nicht prüfen, ob es sich um einen solchen Verstoß handelt?

Zum Verhalten von Maklerverbänden nimmt GDV keine Stellung

Versicherungsbote hat den GDV um eine Stellungnahme zu der Veranstaltung von Jung, DMS & Cie KG gebeten und gefragt, ob diese „Weiterbildung“ mit dem eigenen Kodex vereinbar ist. Die Antwort fiel enttäuschend aus.

„Zu geschäftspolitischem Verhalten von Maklerunternehmen nimmt der Verband keine Stellung“, teilte ein Sprecher auf Anfrage mit. „Generell richtet sich der GDV-Verhaltenskodex für den Vertrieb an die Versicherungsunternehmen, die ihre sich auf den Teilbereich Vertrieb beziehenden Compliance-Vorschriften durch Wirtschaftsprüfer prüfen lassen." In diesem Statement zeigt sich das Paradox, dass der GDV einen Vertriebskodex unter Aussparung der Maklerschaft etabliert hat, aber dennoch auf alle Vertriebspartner angewendet wissen will.

GDV bewertet nicht, ob Versicherungen die Regeln einhalten

Wenn schon nicht den Maklerpool - Könnte der GDV dann wenigstens die beteiligten Versicherungen zur Rechenschaft ziehen, die sich dem Kodex verpflichtet haben? Schließlich ist anzunehmen, dass sich die Anbieter als Sponsoren an der mutmaßlichen Incentive-Tour von Jung, DMS & Cie beteiligen. Auch sie würden damit gegen den GDV-Kodex verstoßen. Es gilt zu bedenken: Mit Incentives bieten Versicherungen den Vermittlern einen Anreiz, vorrangig die eigenen Produkte zu vertreiben – auch wenn dies dem Kundeninteresse zuwider läuft. Eine Belohnungsreise als Weiterbildung zu tarnen, wäre schlicht dreist.

Das Problem: Auch die Versicherungen müssen keine kritischen Nachfragen von Seiten ihres Dachverbandes fürchten. „Mit ihrem Beitritt verpflichten sich die Unternehmen, die Vorgaben des Verhaltenskodex in konkrete, unternehmensindividuelle Regeln umzusetzen“, erklärt der Verbandssprecher. „Ob diese Regeln mit dem Verhaltenskodex übereinstimmen, beurteilen unabhängige Wirtschaftsprüfer und nicht der GDV“. Den Unternehmen bleibt also weitestgehend selbst überlassen, wie sie die Verhaltensregeln in der Praxis anwenden.

Es fehlt an Sanktionsmöglichkeiten

Zwar haben die Versicherungen einer Evaluierung ihrer Bemühungen zugestimmt. „Unabhängige Wirtschaftsprüfer“ sollen über die individuell aufgestellten Regeln der Versicherungen wachen. Aber wie unabhängig können Wirtschaftsprüfer sein, die von der jeweiligen Versicherung selbst beauftragt und bezahlt werden? Hier werden schmerzhafte Erinnerungen an die Finanzkrise 2008 wach. Weil die Wirtschaftsprüfer abhängig von ihren Auftraggebern waren, übersahen sie Risiken und erstellten Gefälligkeitsgutachten, so ein Vorwurf von Finanzexperten. Deshalb trugen die Wirtschaftsprüfer eine Mitschuld am Beinahe-Zusammenbruch des Finanzsystems.

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Letztendlich stellt sich die Frage, was ein Verhaltenskodex wert ist, der mutmaßliche Regelverstöße weder verfolgen noch sanktionieren kann. Denn auch an einem wirksamen Sanktionskatalog fehlt es völlig. „Im Falle von Verstößen gegen die vom Versicherungsunternehmen aufgestellten Regeln wird eine anlassbezogene Reaktion seitens des Unternehmens erwartet“, heißt es dazu im Diplomatendeutsch vom GDV. Die Versicherungen können im Zweifel selbst entscheiden, ob sie Sanktionen gegen sich selbst verhängen.

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