“Bei der BU ist es fast immer ein langer Weg“

Bei der Einschätzung beruft sich Welt Online auf eine Studie des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag des Deutschen Anwaltsvereins (DAV). Demnach gaben 70 Prozent der 1257 Mitglieder in der Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht an, das Regulierungsverhalten der Versicherer habe sich verschlechtert. Ansprüche würden bewusst verzögert oder vereitelt, klagten 65 Prozent der Befragten. Zudem würden die Versicherungen die Schadenssummen gering halten und am Personal sparen, sagten 35 Prozent der Anwälte.

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Das Fazit: Um keine andere Police werde so oft gestritten wie um die Berufsunfähigkeitsversicherung. 77 Prozent der Befragten nannten sie als Beispiel für häufigen Streit. Sie ist laut Arno Schubach, Fachanwalt für Versicherungsrecht aus Koblenz, eine „Alles oder nichts-Versicherung“. Das heißt, entweder wird gezahlt oder alle Ansprüche werden abgelehnt – umso erbitterter fällt der Streit vor dem Kadi aus.

„Bei der Berufsunfähigkeitsversicherung ist es fast immer ein langer Weg, bis der Verbraucher zu seiner Leistung kommt, obgleich er eigentlich auf eine Auszahlung angewiesen ist.“, pflichtet Rita Reichard von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen bei. „Der Versicherer zögert es jedoch häufig hinaus. Und fordert häppchenweise immer neue Unterlagen an.“ So würden die Kunden gerade in jenen Situationen im Stich gelassen, in denen sie die Hilfe am dringendsten benötigen.

GDV: BU-Versicherer sind keine „Nein-Sager“

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) weist derartige Anschuldigungen entschieden zurück. Allein 2012 hätten die Versicherungen mehr als 250.000 BU-Renten mit einem Volumen von 1,7 Milliarden Euro ausgezahlt. Rund 16 Millionen BU-Verträge liegen aktuell in den Beständen der Versicherungsunternehmen. Immerhin 70 Prozent der angemeldeten Berufsunfähigkeits-Fälle würden von der Versicherung anerkannt.

Auch eine im Juni veröffentlichte Studie des Analysehauses Franke und Bomberg kam zu der Einschätzung, ein strategisches Ablehnungsmanagement der BU-Versicherer sei nicht zu erkennen. Franke und Bomberg hat sich dabei kritische Themen wie die Auswahl der Gutachter, die BU-Anerkennungen und -ablehnungen sowie die Regulierungsdauer angeschaut. Mit einem Stichprobenumfang von mehr als 700 Leistungsfällen, 75 Prozent davon Ablehnungen, steht die Stichprobe repräsentativ für insgesamt 22.400 Leistungsfälle.

„Bei vielen Fällen, in denen es nicht zur Anerkennung kommt, handelt es sich nicht um Ablehnungen. Vielmehr wurden vorsorglich gemachte Leistungsanmeldungen durch die Kunden selbst nicht weiter verfolgt“, erklärt Michael Franke, geschäftsführender Gesellschafter von Franke & Bornberg, in einem Gastartikel bei Cash Online. So würden skandalisierenden Medienberichten oft nur ein Dutzend Fälle zugrunde liegen – im selben Zeitraum seien aber rund 80.000 BU-Leistungsfälle registriert worden.

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Dennoch zeigt auch diese Studie Defizite bei den BU-Anbietern auf. Gerade bei den besonders häufigen psychischen Erkrankungen dauere die Erstellung der Gutachten unverhältnismäßig lange. Eine der Ursachen dafür ist die geringe Verfügbarkeit von qualifizierten Gutachtern. Ein weiteres Problem ist, dass die Kunden im Leistungsfall meist ohne Unterstützung dastehen. Außerdem sind sie mit der Menge an Formularen überfordert. Wenn dann tatsächlich zu Unrecht eine BU-Rente verweigert wird, trifft dies die Versicherungsnehmer umso härter - schließlich ist jeder Fall einer zuviel.

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