Das Top-Management deutscher Unternehmen scheut die Umsetzung guter Personalführung und meidet Maßnahmen zur Entwicklung und Überprüfung eigener Führungskompetenzen. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie der Hochschule Osnabrück unter der Leitung von Prof. Dr. Carsten Steinert. „Leider hat sich damit seit der ersten Erhebung aus dem Jahr 2011 nicht viel zum Positiven verändert. Damals mussten wir den Unternehmen attestieren, eine schlechte Personalführung eher zu tolerieren als schlechte Zahlen. Nun stellen wir fest: eine gute Personalführung besitzt gerade in den Führungsetagen nach wie vor nicht den erforderlichen Stellenwert. Auch wenn große Unternehmen öffentlich bekunden, mehr Wert auf strategische Werteausrichtung und positive Führungskultur zu legen.“

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Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Zwar zeigen die Daten, dass die Unternehmen die Bedeutung einer guten Führungskultur erkannt haben. Für mehr als 60 Prozent der Befragten hat das Thema „Führungskultur und Führungsverhalten“ eine „hohe“ bis „sehr hohe Bedeutung“. Allerdings sei „die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit in vielen Unternehmen noch sehr groß“, attestiert Steinert. Das liege in erster Linie daran, dass die Führungswerte nicht konsequent durch die Chefetagen vorgelebt werden, es bleibe oft bei Lippenbekenntnissen. „Für den Aufbau einer positiven Führungskultur wäre aber gerade das von großer symbolischer Bedeutung“, weiß Steinert.

Laut Studie gehen die maßgeblichen Impulse für den Aufbau einer positiven Führungskultur in den meisten Fällen (ca. 81%) von der Geschäftsleitung aus. Diese zieht sich dann jedoch zurück und delegiert die Hauptverantwortung an die Personalabteilung, die bei 73 Prozent der Befragten für die Umsetzung zuständig ist. Lediglich 30 Prozent der Unternehmen gaben an, Führungskultur und Führungsinstrumente konsequent top-down vorzuleben.

Darüber hinaus werden, insbesondere bei der Besetzung oberer Führungsebenen, Führungskompetenzen deutlich seltener hinterfragt als bei nachgeordneten. „Es konnte in Studien aber vielfach nachgewiesen werden“, so Steinert, „dass überall dort, wo es organisiertes soziales Leben gibt, Menschen, die in der Hierarchie ,oben' stehen, besonders intensiv beobachtet werden. Was Führende tun oder nicht tun, wird von den Mitarbeitern gesehen, und es wird darüber gesprochen. Ihr Verhalten steht also besonders im Fokus. Wird auf dieser Ebene keine gute Personalführung vorgelebt, wird sich eine nachhaltige Führungsidentität, aller zeitgemäßen Führungsinstrumente zum Trotz, nicht etablieren können.“

Noch schlimmer wird es, wenn Führungsinstrumente vorhanden sind, sich das Top-Management in der Praxis aber nicht daran hält. „Dann schlägt die erhoffte Wirkung schnell ins Gegenteil um, und es wäre sogar besser, wenn es die Instrumente gar nicht gäbe“, urteilt Steinert.

Nachwuchs und mittlere Führungsebene um Führungskompetenz bemüht

Tatsächlich ist die Weiterentwicklung der Führungskompetenz vor allem auf Ebene der Führungsnachwuchskräfte (77%) und auf der mittleren und unteren Führungsebene (ca. 73% bzw. 69%) etabliert. Für die obere Führungsebene gibt es bei der Mehrzahl (ca. 63%) der befragten Unternehmen keine Maßnahmen.

Richtet sich das Angebot an alle Führungsebenen, zeigt sich: Je höher die Führungsebene, desto weniger werden Instrumente zur Weiterentwicklung der Führungskompetenz von den Führungskräften in Anspruch genommen. Außerdem nimmt die Beurteilung des Führungsverhaltens innerhalb des Unternehmens mit zunehmender Hierarchieebene ab. Während das Führungsverhalten bei Angestellten der unteren und mittleren Ebene in 98 und 93 Prozent aller Fälle expliziter Bestandteil von Personalbeurteilungen ist, sind die Führungskräfte der oberen Hierarchieebene nur in 60 Prozent der Fälle davon betroffen.

Die Toleranz gegenüber Führungskräften, die bei guten operativen Ergebnissen Schwächen im Führungsverhalten zeigen, ist bei mehr als 60 Prozent der befragten Unternehmen nach wie vor überdurchschnittlich hoch. Dies spiegelt sich auch darin wider, dass schlechtes Führungsverhalten als Anlass für eine Trennung von Führungskräften mit 24 Prozent eine nur untergeordnete Rolle spielt. Die häufigsten Trennungsgründe von Führungskräften sind ein „schlechtes operatives Ergebnis“ (63%) sowie „persönliche Gründe“ (60%).

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Hintergrundinformationen: Die Studie berücksichtigt alle Unternehmen der Branchen Industrie und produzierendes Gewerbe, Handel, Dienstleistungen, Finanzen und Versicherungen mit mindestens 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, da ab dieser Größenordnung Personalmanagementfunktionen zu vermuten sind. Die standardisierte Befragung in Form von Interviews im Zeitraum März bis Dezember 2013 umfasst 351 Unternehmen und ist repräsentativ in Bezug auf Branchenverteilung und Verteilung der Unternehmensgrößen. Befragt wurden Organisationsmitglieder, die einen stellenbezogenen Blick auf Führungsfragen haben, darunter fallen insbesondere Geschäftsführer, Vorstandsmitglieder und Personalleiter.

Pressemitteilung Fachhochschule Osnabrück

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