Jens Baas, Chef der Techniker Krankenkasse (TK), äußert in einem Interview Zweifel am Nutzen von Vorsorgeuntersuchungen. Dem Hamburger Abendblatt erklärte Baas: „Man hat den Leuten jahrelang ein schlechtes Gewissen eingeredet. Eine schlechte Ehefrau, wenn sie ihren ihren Mann nicht zur Prostatavorsorge schickt. Richtig wäre es zu sagen: Früherkennung kann viel Nutzen stiften, sie kann aber auch zum Beispiel durch Strahlung Krankheiten auslösen. Sie kann zu unnötigen Behandlungen, Operationen führen...“

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Doch nicht nur Vorsorgeuntersuchungen stellt der Krankenkassen-Manager in Frage – auch den Sinn von Präventionsmaßnahmen wie etwa Mutter-Kind-Kuren zweifelt er an. „Politiker sagen: Prävention rettet das Gesundheitswesen. Dabei gibt es kaum Studien, die belegen, dass Prävention Geld spart.“ Es sei natürlich gut, wenn jemand erst gar nicht krank werde, wenn man Leid verhindern könne. "Aber nicht in der Illusion, damit Kosten zu sparen, schon gar nicht kurzfristig", so Baas.

Lediglich 1 Prozent des Budgets geben Krankenkassen für Gesundheitsprävention aus

Warum aber argumentiert Jens Baas so offensiv gegen die Gesundheitsvorsorge? Zwar haben wissenschaftliche Studien Zweifel an bestimmten Vorsorgeuntersuchungen laut werden lassen, etwa der Mammographie oder Prostatakrebs-Vorsorge. Fest steht aber auch: Bisher geben die Krankenkassen nur einen Bruchteil ihres Budgets für die Prävention aus.

So entfallen lediglich ein Prozent der Gesamtausgaben auf die Gesundheitsvorsorge, wie aus den Quartalszahlen des GKV-Spitzenverbandes hervorgeht. Am teuersten kommt die Kassen hingegen die Krankenhausbehandlung zu stehen (Kosten: 64,84 Milliarden Euro in 2013), die ärztliche Behandlung (31,95 Mrd. Euro) sowie die Ausgaben für Arzneimittel (30,30 Mrd. Euro, siehe Tortendiagramm).

Zudem haben die Kassen in den letzten Jahren vor allem bei der Prävention kräftig gespart. Davon waren auch sinnvolle Maßnahmen wie etwa Mutter-Kind-Kuren betroffen, die zu 20 Prozent weniger bewilligt wurden. Allein von 2008 bis 2012 sanken die Ausgaben für die Gesundheitsvorsorge laut Spiegel Online um 30 Prozent.

Trotz kräftiger Überschüsse gaben die Krankenkassen spürbar weniger Geld für Anti-Stress-Kurse, Burn-out-Prävention und andere Vorsorgemaßnahmen aus – obwohl die Zahl der Betroffenen stetig steigt. Nach Angaben des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft (GDV) sind z. B. psychische Erkrankungen und Nervenleiden mit 23 Prozent Hauptursache für eine Berufsunfähigkeit.

Studie behauptet volkswirtschaftlichen Nutzen von Gesundheitsprävention

So drängt sich der Verdacht auf, dass Jens Baas nach weiteren Sparmöglichkeiten für die Krankenkassen sucht. Der TK-Chef hat sich wiederholt für einen einheitlichen Versicherungsmarkt ausgesprochen, wonach auch die Krankenkassen verstärkt den Kräften der Marktwirtschaft ausgesetzt wären. In einer radikalen Interpretation sollen die Krankenkassen sogar von Körperschaften des öffentlichen Rechts in Aktiengesellschaften oder Vereine auf Gegenseitigkeit umgewandelt werden, wie es der frühere TK-Chef Norbert Klusen vorgeschlagen hatte. Kritiker warnen, die bedeute das Ende des Solidaritätsprinzips in der Krankenversicherung.

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Eine gegensätzliche Auffassung zu Baas vertritt zum Beispiel das Schweizer Forschungsinstitut „Prognos AG“. Eine Studie der Eidgenossen hat ergeben, dass mit jedem Euro, der in die Vorsorge investiert wird, fünf Euro für die Volkswirtschaft zurück gewonnen werden. Folglich wird sogar eine Ausweitung der Vorsorgeangebote angeraten, so dass Krankenkassen auch Leistungen wie Tabakentzug oder die Ernährungsumstellung von Übergewichtigen finanzieren sollten.

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