Seit Jahren klagen Gesundheitsexperten, dass in deutschen Kliniken zu viele schwere Operationen vorgenommen werden – nicht zum Wohl der Patienten, sondern um die Profitabilität der Krankenhäuser zu steigern. Schließlich bekommen die Kliniken umso mehr Geld von den Kassen, je mehr medizinische Eingriffe vorgenommen werden. Hier gilt das Motto: Wer viel operiert, der verdient viel.

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Zahlen des neuesten Barmer GEK-Krankenhausreportes nähren nun den Verdacht, dass nicht immer das Wohl des Patienten bei medizinischen Eingriffen im Vordergrund steht. Mehr als eine Million Abrechnungsdaten hat die Krankenkasse ausgewertet und dabei speziell auf die Zahl der Herz-OPs geschaut. Das Ergebnis: In Deutschland gebe es zwar immer weniger Herzkranke, dafür würden aber immer mehr Eingriffe am Herz durchgeführt.

Immer mehr beschichtete Stents werden verpflanzt

Besonders der explosionsartige Anstieg von Operationen mit beschichteten Stents kommt den Verfassern der Barmer-Studie verdächtig vor. Die Zahl dieser Eingriffe stieg in den letzten acht Jahren um 227 Prozent. Es handelt sich dabei um eine besondere Methode, bei der verengte oder verstopfte Gefäße von herzkranken Patienten mit Gitterstützen erweitert werden. Auch Medikamente müssen die betroffenen Personen regelmäßig einnehmen.

Zwar gibt es auch eine plausible Erklärung für den Boom. Stent-Verpflanzungen gelten als sehr schonender Eingriff, weil die Sterblichkeit innerhalb von fünf Jahren mit 15 Prozent vergleichsweise niedrig ist. Studienautorin Eva Maria Bitzer bezweifelt aber, dass der Eingriff die hohen Erwartungen erfüllt. Immerhin jeder fünfte Patient müsse sich im ersten Jahr nach der OP erneut unters Messer begeben, kritisiert die Gesundheitsexpertin.

Und noch eine Erkenntnis aus der Barmer-Untersuchung lässt Zweifel aufkommen, ob die Eingriffe immer berechtigt sind. So würden beschichtete Stents auch dann eingesetzt, wenn die Diagnose gar nicht auf Gefäßverengung laute. Mitunter seien sogar Fälle zu beobachten, wo die Patienten gar nicht an einer Herzerkrankung leiden – die Gefäßstütze fürs Organ gibt es trotzdem.

Hunderte Krankenhäuser würden die Standard-OPs mittlerweile durchführen, auch wenn sie über keine Herz-Spezialabteilungen verfügen, heißt es in der Studie. Auch dies nähre den Verdacht, damit wollen die Kliniken vor allem die Zahl der Eingriffe in die Höhe treiben, weil sie für mehr Operationen auch mehr Geld erhalten. Ein weiteres Indiz: eingesetzt werden die Stents vor allem bei planbaren Operationen, nicht bei Notfällen. Immerhin 240.000 derartiger Eingriffe bezahlten die Krankenkassen im Jahr 2013.

Der Trend hat aber auch eine positive Seite, denn die Zahl schwerer und aufwendiger Herzoperationen ging seit 2005 deutlich zurück. Bypass-Operationen am offenen Herzen verzeichnen einen Rückgang um 24 Prozent und der Anteil an Behandlungen mittels sogenannter Ballondilatation verharrt auf niedrigem Niveau. Die Zahl der Eingriffe mit unbeschichteten Stents sank ebenfalls um 71 Prozent (siehe Grafik).

Psychische Störungen immer häufiger Grund für Krankenhausaufenthalte

Insgesamt sank die Zahl der Herz-Kreislauf-Erkrankungen als Anlass für Klinikaufenthalte um 12 Prozent. Ein deutlicher Sprung ist hingegen bei psychischen Störungen zu beobachten: sie stiegen seit 2005 um 36 Prozent und sind damit häufigste Ursache für Klinikeinweisungen. Seelische Leiden machen bereits 21,1 Prozent aller Behandlungstage aus. Während Frauen sich vor allem aufgrund von depressiven Störungen in stationäre Behandlung begeben müssen, sind es bei Männern Suchtprobleme, etwa durch Alkohol- oder Drogenkonsum.

Der BARMER GEK- Krankenhausreport analysiert seit zehn Jahren die prägenden Trends in der akut-stationären Versorgung in Deutschland. Der Report belegt, dass die Fallzahl aller abgerechneten Krankenhausbehandlungen 2013 leicht um 1,3 Prozent zugenommen hat. Sie stieg von 204,1 Behandlungsfällen je 1.000 Versicherte im Jahr 2012 auf 206,7 im Jahr darauf. Die Verweildauer sank dagegen und liegt jetzt statt bei 7,7 bei 7,6 Tagen je Krankenhausaufenthalt. Bei allen großen Krankheitsgruppen, wie Krebs oder Muskel-Skelett-Erkrankungen, sinkt die Verweildauer. Eine große Ausnahme bilden die "Psychischen und Verhaltensstörungen". Hier stieg die Verweildauer seit 2005 um 36,2 Prozent (Grafik 2).

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