Volker P. Andelfinger arbeitet als Unternehmensberater, Dozent an mehreren Hochschulen, freier Fachjournalist, Buchautor und Redner. Als gelernter Versicherungskaufmann hat er zuvor die klassischen Stationen Berufsleben bei Nordstern, TRANS und R+V Allgemeine Versicherung AG durchlaufen. Nach seinem Vortrag auf dem 40. AMC-Meeting unter dem Motto „Das Internet der Dinge“ bat der AMC den Referenten zum Gespräch.

Anzeige

Versicherungsbranche im Dornröschenschlaf

AMC: Herr Andelfinger, Sie sagten, die Versicherungsbranche befinde sich im Dornröschenschlaf. Was meinen Sie damit?

Volker P. Andelfinger: Aus meiner Sicht ist die weitgehende Bewegungslosigkeit der Assekuranz augenscheinlich. Die Branche bewegt sich nur langsam und in einem eng gesteckten Rahmen, meist auf Druck reagierend. Das Internet aber bewegt sich evolutionsartig, manchmal auch revolutionsartig und Neuerungen entstehen disruptiv. Es macht mir natürlich auch Spaß, ein wenig zu provozieren und ich möchte die Branche zum eigenen Wohl aus der Reserve locken und den Blick über den Tellerrand lenken. Wer sich zufrieden und satt fühlt, der bewegt sich nicht. Das ist gefährlich, denn wenn sich die Branche nicht bewegt, den richtigen Zeitpunkt verpasst, wird sie überrollt von den Ereignissen.

Wer oder was droht denn die Branche zu überrollen?

Rund um die Assekuranz herum sehe ich eine enorme Beschleunigung. Mit der rasanten Entwicklung des Internets sind bisherige Geschäftsmodelle in Gefahr von Dritten übernommen und in deren eigene Modelle integriert zu werden. Versicherungsleistungen können leicht kopiert und integriert werden. Plötzlich stehen Versicherer in Konkurrenz mit Google, Amazon, oder den Telekommunikationsunternehmen – und diese scheuen sich nicht attraktive Branchen anzugreifen. Darauf wirken Versicherer wenig vorbereitet.

Können Sie uns ein Beispiel für die Gefahr der Bewegungslosigkeit geben?

Nehmen Sie zum Beispiel das Thema E-Call und generell Telematik in der KFZ-Versicherung. Versicherer versuchen hier auszuharren und drohen damit von den KFZ-Herstellern abgehängt zu werden. Diese werden Geschäft daraus schöpfen - Versicherer wohl nach aktueller Einschätzung eher nicht. Prinzipiell haben Versicherer noch nicht verstanden, dass sie da sein müssen, wo sich das Leben ihrer (potenziellen) Kunden abspielt. Egal ob in ihrer realen oder virtuellen Welt.

Das Internet der Dinge - Dienstleistungen müssen sich weiterentwickeln

Sie sprachen in Ihrem Vortrag vom "Internet der Dinge". Was ist damit gemeint?

Das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT, oder auch Internet of Everything) stellt eine folgenreiche Weiterentwicklung des World Wide Web dar. Schätzungen gehen davon aus, dass im Jahr 2020 zwischen 30 und 100 Milliarden Dinge eine Verbindung zum Internet haben werden. Die totale Vernetzung von Menschen, Maschinen, Dingen beschert ein nie dagewesenes Datenvolumen und eröffnet völlig neue Möglichkeiten auf vielen Gebieten. Das Internet der Dinge wird unsere Lebens- und Arbeitswelt massiv verändern. Produkte und Dienstleistungen müssen hierauf ausgerichtet werden.

Spielt das Internet der Dinge eine Rolle für die Versicherungswirtschaft?

Derzeit leider noch viel zu wenig. Die Assekuranz scheint keine große Notiz davon zu nehmen, welche Veränderungen ihr ins Haus stehen. Dabei gibt es auch für die Versicherungswirtschaft viele spannende Ansätze, das Internet der Dinge zum eigenen und zum Kundenvorteil zu nutzen.

Nehmen Sie nur einmal das Beispiel situative Versicherung. Ein Startup macht sich gerade einen guten Namen damit. Da braucht ein Kunde jetzt und für ein bis zwei Tage einen passgenauen Schutz zum Beispiel für eine Reise. Derzeit kann er nur die klassischen, unflexiblen Pakete mit einem Jahr Laufzeit buchen. Mal ganz zu schweigen davon, wie unkomfortabel das noch übers Handy funktioniert.

Kleine Pakete on demand könnten hierfür eine Lösung sein: Zum Beispiel eine Skibruchversicherung, Auslandsreise-Krankenversicherung oder Flugunfallversicherung als „Beiwerk“ zu Urlaubs- oder Geschäftsreisen. Das birgt doch ein willkommenes Zusatzgeschäft. Doch dafür müssten Versicherer erst einmal aufhören Smartphone und Tablet als Lifestyle-Produkte zu betrachten.

Was empfehlen Sie Versicherern?

Anzeige

Ergreifen Sie die Chancen, anstatt in alten Verhaltensmustern zu verharren. Blicken Sie über den Tellerrand, verlassen Sie gewohntes Terrain und gehen Sie proaktiv und phantasievoll in die Zukunft. Das geht allerdings nur, wenn Versicherer eine echte Innovationskultur entwickeln. Das lässt sich lernen, wir nutzen dazu die Methodik des Business Desgin. Und hier noch ein WM-Seitenhieb: Versicherer sollten sich fragen, ob Sie Spielball oder Spieler auf dem Rasen der Zukunft sein möchten.

Vielen Dank Herr Andelfinger, dann ist der AMC mit seinen Themen und Veranstaltungen rund um die „wiederentdeckte“ Digitalisierung in der Branche gut positioniert.

Anzeige