Am Donnerstag will die Europäische Zentralbank (EZB) darüber entscheiden, ob sie den Leitzins weiterhin niedrig hält oder sogar senkt. Anlass für Sparkassen-Verbandschef Georg Fahrenschon, deutliche Kritik an der lockeren Geldpolitik der Institution zu üben. Die EZB müsse erkennen, dass sie mit ihrer Politik des billigen Geldes am Ende ihrer Möglichkeiten angekommen sei. „Dauerhaft niedrige Zinsen – das beschädigt die Sparkultur und vernichtet Vermögenswerte“, so Fahrenschon in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Stern. Nach Ansicht des studierten Ökonomen leide darunter die Altersvorsorge aller europäischen Sparer.

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In einem Interview mit dem Deutschlandfunk wählte Fahrenschon sogar noch drastischere Worte. Auf die Frage, ob die Niedrigzinspolitik von EZB-Präsident Mario Draghi eine schrittweise Enteignung der Bürger bedeute, antwortete er: „Ja, ganz klar.“ Allein den deutschen Sparern würden dadurch Zinseinnahmen von bis zu 15 Milliarden Euro entgehen, rechnet der Ökonom vor, das seien 200 Euro pro Kopf. Der Realwirtschaft nütze eine weitere Zinssenkung hingegen kaum.

Sogar Negativzins wird vorgeschlagen

Wenn der Rat der Europäischen Zentralbank am Donnerstag zusammen kommt, ist sogar eine historische Entscheidung möglich. Laut einem Bericht von Zeit Online könnten die europäischen Geldhäuser erstmals Strafgebühren zahlen müssen, wenn sie ihr Geld bei der Notenbank deponieren wollen. "Negative Einlagenzinsen sind ein möglicher Teil einer Kombination von Maßnahmen", sagte EZB-Chefvolkswirt Peter Praet im Gespräch mit der Zeit. Nie zuvor hat eine der drei großen Zentralbanken diesen Schritt gewagt.

Ziel der Maßnahmen ist es, den starken Euro gegenüber dem Dollar abzuwerten und einer möglichen Deflation vorzubeugen. Zudem sollen die Banken dazu angehalten werden, mehr Kredite an Unternehmen zu vergeben. Volkswirtschaftler kritisieren: Obwohl sich die Banken so billig wie nie Geld von der EZB leihen können, geben sie die Zinsersparnisse nicht an ihre Kunden weiter, sondern nehmen lieber die höheren Gewinne mit. So ist die europaweite Kreditvergabe an kleine und mittelständische Unternehmen trotz Niedrigzins kaum gestiegen und ging in Südeuropa sogar zurück, wie EZB-Erhebungen zeigen.

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Ein weiterer Grund für stockende Investitionen: gerade in den Krisenländern ist die Kreditnachfrage insgesamt gering, wozu auch die vielen Unternehmenspleiten infolge der sinkenden Kaufkraft der Bevölkerung beitragen. Im Jahr 2013 wurden in den EU-15-Ländern zuzüglich Norwegen und der Schweiz insgesamt 192.340 Insolvenzen registriert, berichtet der Finanzdienstleister Creditreform.

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