Versicherungsbote: Sehr geehrter Herr Pradetto, Sie haben gegenüber procontra online angekündigt, dass der Maklerpool blau direkt im kommenden Jahr als Mitveranstalter der Messe Pools & Finance ausscheidet. Können Sie noch einmal gegenüber unseren Lesern begründen, was Sie zu diesem Schritt bewogen hat? Immerhin gehören Sie zu den Gründungsmitgliedern der Messe, die Besucherzahlen sind überzeugend.

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Oliver Pradetto: Die Messe war ohne Zweifel ein Erfolgsmodell. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Steigerungszahlen sehr moderat verliefen, während blau direkt und andere Mitveranstalter im Hintergrund immer mehr Akquisitionsaufwand betrieben haben. Frühzeitig haben wir den Messerahmen daher erweitert und mit dem Prolog erstklassige Bildungsangebote am Vortag ergänzt. Das schafft Mehrnutzen für unsere Partner und füllt gleichzeitig die Messe. Wir haben uns also mächtig gegen einen Trend gestellt: Messen sind weltweit auf dem Rückzug und in unserer Branche verschwinden zusätzlich auch noch Vermittler. Dieser Effekt lässt sich langfristig nicht aufhalten und damit schwindet der Nutzen klassischer Messen auch für Besucher und Aussteller.
Es kann doch nicht sein, dass sie als Aussteller für einen Kaninchenbau 10.000 Euro zahlen müssen und dann irgendwann mehr Ausstellerpersonal als Messebesucher rumlaufen.

Die Pools & Finance ist vielleicht die beste Messe der Branche. Damit sie es bleibt, muss sie konzeptionell grundsätzlich neu aufgestellt werden. Gerne hätten wir dabei unterstützt. Aber ich will ehrlich sein: Das war in der Vergangenheit schon kein dankbarer Job. Du bist immer der Nörgler und musst auch noch am meisten Kraft reinstecken. Jetzt müssen mal andere ran. Die Qualität dazu ist im Veranstalterkreis klar vorhanden. blau direkt will seine Kraft darauf konzentrieren möglichst jeden Partner erfolgreich durch die Deckelung der Lebensversicherung zu begleiten.

Versicherungsbote: Sie begründen Ihren Rückzug u.a. mit der drohenden Provisionsbegrenzung im Lebensversicherungs-Bereich, die der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) vorantreibt. Die Stornohaftung soll auf bis zu zehn Jahre erweitert werden, die Provisionen maximal 3,5-4,0 Prozent der Beitragssumme betragen. Welche Auswirkungen hätte eine solche Provisionsdeckelung für Makler? Würde es sich für unabhängige Vermittler überhaupt noch lohnen, Lebensversicherungen zu vermitteln?

Oliver Pradetto: Die neue Zahl in den Berliner Fluren lautet: 3,0% bis 3,5% und das ist der Bruttowert. Nach Abzug der Stornohaftungseffekte bleiben dem Vermittler 20-25 Promille Abschlussvergütung. Wir rechnen damit, dass 20-30% aller Vermittler aus dem Markt ausscheiden werden.
Ich glaube aber nicht, dass es um die Frage geht, ob sich die Lebensversicherung für Vermittler lohnt. Die Lebensversicherung bleibt die beste Grundlage für die Altersvorsorge mit kleinem Geld und vergessen wir nicht: Für die Finanzierung des Gemeinwohls ist die Lebensversicherung alternativlos. Ohne den Anleihenankauf der Lebensversicherungsbranche ist Deutschland am Ende. Der Makler wird damit zu einem der wichtigsten Schlüsselberufe unserer Gesellschaft.

Versicherungsbote: Gegenüber procontra prognostizieren Sie „schwere Zeiten“ für Versicherungsmakler. Woran machen Sie das fest – da doch Studien wie etwa der Vorsorge-Monitor der Heidelberger Leben eine steigende Bedeutung der Maklerberatung feststellt? Kann eine Marktbereinigung auch positive Wirkungen haben – wer gut berät, kann sich besser behaupten?

Oliver Pradetto: Es ist kein Geheimnis, dass es noch immer zu viele Vermittler mit überschaubarer Qualität gibt, aber ich wehre mich gegen die Behauptung, dass es nur die schlechtesten erwischt. Ich habe auch mal ohne Sachbestand angefangen und auch wenn ich nach 3 Jahren einer der erfolgreichsten Verkäufer der Ärzteversicherung war: Mein erstes Jahr war nicht leicht.
Wie will denn unsere Branche für Nachwuchs sorgen? Die Wahrheit ist doch, dass die Branche es versäumt hat eine Vergütungsstruktur aufzubauen, die unabhängig von Abschlussprovisionen auch jungen Talenten erlaubt unsere Branche zu wählen. Qualifizierten Nachwuchs in unabhängiger Maklerberatung erhalten wir so jedenfalls nicht. Vielmehr wird die Beschneidung dafür sorgen, dass einseitig die Ausschließlichkeitsvertriebe wachsen. Wir verstärken die Abhängigkeit der Beratung von Produktanbietern und machen gleichzeitig den Beruf für intelligente Interessenten unattraktiv. Statt dem gebildeten Versicherungsmakler mit Studienhintergrund fußt der Nachwuchs künftig auf Allianz-Vertretern mit Maurerausbildung.

Versicherungsbote: Wie bewerten Sie die Chancen für Makler, als Finanzanlagenvermittler nach §34f Einbußen bei „traditionellen“ Sparten wie dem LV-Geschäft auszugleichen?

Oliver Pradetto: Täuschen Sie sich nicht. Gerade in diesen Bereichen werden doch schon totale Provisionsverbote diskutiert. Wie naiv muss man denn sein, um zu glauben, dass der Staat es langfristig hinnehmen wird, wenn jetzt alle die Lebensversicherung liegen lassen und das Volksvermögen statt in Staatsanleihen in Fonds fließt. Sie können sich ausrechnen wie lange es dauert, bis das ggf. nachreguliert wird.
Außerdem: Es geht ja nicht nur um Kapitalanlage. Wie wollen Sie denn Berufsunfähigkeit oder Tod mit Hilfe eines Fonds absichern?

Versicherungsbote: Sie sprechen davon, dass traditionelle Veranstaltungen wie Messen oder Roadshows künftig schwieriger angenommen werden, weil sich Makler „alternativ einfacher, schneller und kostengünstiger“ informieren können. Welche Informationsangebote haben Sie dabei im Blick? Geben Sie uns einen Tipp: welche Informationskanäle werden Vermittler in der Zukunft nutzen?

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Oliver Pradetto: Wenn ich den Versicherungsboten lese, bleibe ich ja schon über vieles auf dem Laufenden. Internet, Newsletter und Medien pumpen mich mit allen erforderlichen Informationen voll. Ich glaube in dieser Zeit geht es nicht um Information, sondern um Beziehung. Das ist der Wert einer Messe. Doch die Messe ist nicht die bestmögliche Form eine Beziehung zu vertiefen. Da haben Sie selten mehr als 3 Minuten pro Gespräch.
Wir brauchen heute Eventkonzepte, die uns als Menschen zusammenbringen und Freude bereiten. Etwas was uns zusammenschweißt. Nur zusammen macht man gute Geschäfte und das ist es, was unserer Branche am meisten fehlt: Der Zusammenhalt.
Herr Pradetto, vielen Dank für das Gespräch!

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