Wenn eine Versicherung, die weltweit private Altersvorsorgeprodukte verkauft, die Nachhaltigkeit von Rentensystemen mit einer Studie bewerten lässt, dann ist Vorsicht angebracht. Es könnten Indikatoren auftauchen, die der privaten Versicherungswirtschaft nützen. Besonders nachhaltig wäre ein Rentensystem z.B. dann, wenn die Menschen möglichst spät in Pension gehen, sich der Staat aus der Alterssicherung zurückzieht und eine starke Säule der Privatvorsorge existiert – je schwächer die gesetzliche Rente, desto besser die Verkaufsargumente für private Rentenpolicen.

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Unter diesem Vorbehalt ist auch der zweijährig stattfindende Allianz Pension Sustainability Index (PSI) der Allianz zu bewerten. Er will Aussagen über den gegenwärtigen Stand und die zukünftige Entwicklung der Rentensysteme weltweit geben. Das daraus abgeleitete Länder-Ranking erhebt für sich den Anspruch, die langfristige Tragfähigkeit der Rentensysteme widerzuspiegeln.

Thailand, Brasilien und Japan am wenigsten nachhaltig

Am wenigsten nachhaltig bewerten die Verfasser der Studie aktuell die Rentensysteme in Thailand, Brasilien und Japan. Die Gründe hierfür seien sehr verschieden. Thailand hat beispielsweise ein sehr niedriges Renteneintrittsalter, gleichzeitig sind die Rentenzahlungen nicht vollständig gedeckt und die Bevölkerung altert rasch. Zudem wird das Land durch Flutkatastrophen und Regierungskrisen erschüttert.

Auch Brasilien altert rasch und hat zudem sehr tolerante Vorruhestandsregelungen, die es der Bevölkerung erlauben, frühzeitig in Rente zu gehen. Dies wird von den Studienverfassern als wenig nachhaltig betrachtet. Auch die Ersatzrate sei in Brasilien sehr hoch: dieser Wert gibt an, wieviel Prozent des Erwerbseinkommens durch die Rente ersetzt werden.

Japan weit hinten angesiedelt?

Auch Japan landet auf einem hinteren Platz wegen der sehr alten Bevölkerung und der sehr hohen Staatsverschuldung. „Insgesamt ist das System zu kostspielig, weshalb Reformen ein Dauerthema sind“, heißt es in der Pressemeldung zur Allianz-Studie. Gerade am Beispiel Japan zeigt sich aber, wie schwer die einzelnen Rentensysteme zu vergleichen sind.

Zwar erhalten die Rentner sogar weniger Netto-Arbeitsbezüge als in Deutschland. Zugleich arbeitet laut einer OECD-Erhebung jeder Fünfte auch nach Erreichen des Rentenalters weiter – freiwillig, weil Arbeit nach Ansicht vieler Japaner „fit hält“ und insgesamt einen hohen Stellenwert hat. Auch ist die wirtschaftliche Situation der überwiegenden Mehrheit der Altenhaushalte recht komfortabel. Dies liegt u.a. an der langen Betriebszugehörigkeit der japanischen Arbeitnehmer und den vergleichsweise hohen Löhnen, die dafür sorgen, dass die Renten trotzdem zum Leben ausreichen.

80 Prozent der Über-60-Jährigen Japaner leben in einem eigenen Haus oder einer eigenen Wohnung, so dass sie keine Miete zahlen müssen (Japan Statistical Yearbook). Eine weitere Besonderheit des japanischen Rentensystems ist das sogenannte „Altersruhegeld“, eine Art gestundete Lohnzahlung, die von Unternehmen oder dem Staat an Angestellte und Staatsbedienstete ausgezahlt wird. Bei Erreichen des Rentenalters erhalten demnach viele Japaner eine recht hohe Einmalzahlung, die im Jahr 1997 bei Unternehmen mit über 1.000 Mitarbeitern im Schnitt 242.000 Euro betrug.

Solche kulturellen Besonderheiten erschweren einen Vergleich der Rentensysteme, wie auch die Studienverfasser einräumen. Trotzdem beanspruchen die Autoren, "Schlüsselvariablen" gefunden zu haben, "die sich unabhängig von Landesparametern auf die Stabilität der Rentensysteme auswirken". Andere Sozialwissenschaftler beurteilen das Rentensystem Japans gerade aufgrund dieser kulturellen Besonderheiten positiver (vgl. hierzu Deutsch-Japanischen Wirtschaftskreis, 2006).

Australien landet auf Platz 1 im Ranking: trotz hoher Altersarmut

Wie schon bei der Studie 2011 landet Australien auf Platz 1 im Ranking. „Das Land verfügt über das nachhaltigste Pensionssystem und hat den geringsten Reformdruck“, begründen die Studienverfasser diese Spitzenposition. Es folgen Schweden, Neuseeland, Norwegen und die Niederlande. "Den westeuropäischen Ländern kommen ihre umfassenden, stabilen Rentensysteme zugute", heißt es hierzu in der Pressemeldung. "Ähnlich wie Australien verfügen Schweden und Neuseeland über ein umfassendes Rentensystem, das auf starken, kapitalgedeckten Rentenzahlungen basiert."

Wie aber ist das Rentensystem in Australien organisiert, so dass es im Allianz-Ranking auf dem ersten Platz landet? Derzeit besteht die Altersvorsorge in Down Under aus drei Säulen:

  • 1.) einer steuerfinanzierten und bedarfsabhängigen Grundsicherung, der sogenannten „Altersrente“ (Age Pension),
  • 2.) einer kapitalgedeckten, betrieblichen Absicherung in Form von „Superannuation funds“ sowie
  • 3.) einer freiwilligen privaten Fürsorge.
Die staatliche Rente wird ausschließlich aus Steuermitteln finanziert und dient lediglich der Grundsicherung. Daher sind zusätzlich Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorge verpflichtend: sie belaufen sich auf 9 Prozent des Gehalts und werden vom Arbeitgeber getragen (Stand 2009). Ebenso wie die private Altersvorsorge sind die Superannuation funds steuerbegünstigt.

Als positiv bewertet es die Allianz, dass es in Australien eine starke kapitalgedeckte Rentenvorsorge gibt und die Altersbezüge nicht auf dem Umlagesystem basieren. Zudem würden die Renten die öffentlichen Kassen wenig belasten. Wer jedoch darüber hinaus recherchiert, wird schnell mit der Kehrseite dieses Rentenmodells konfrontiert: speziell unter Frauen herrscht eine hohe Altersarmut, wie aus Erhebungen der OECD hervorgeht. 28,5 Prozent aller Seniorinnen über 65 verfügen demnach über weniger als 50 Prozent des durchschnittlichen Median-Haushaltseinkommens: allein in Südkorea und Irland ist die relative Altersarmut von Frauen noch höher. Zum Vergleich: in Deutschland sind weniger als 10,8 Prozent der Frauen betroffen.

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Die hohe Altersarmut unter Frauen lässt sich auch begründen: in einem System, das besonders auf betriebliche Altersvorsorge setzt, wirken sich längere Erwerbsunterbrechungen etwa durch Erziehungszeiten und Teilzeitarbeit negativ aus. Kein Grund für die Allianz, das australische Rentenmodell nicht zum nachhaltigsten der Welt zu erklären: gefragt wurde vor allem nach der finanziellen Tragfähigkeit des Rentenmodells. Ob es Altersarmut verhindert, war weniger Gegenstand der Studie.

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